02.04.2012

Woher stammt die ultrahochenergetische kosmische Strahlung?

Studie stellt Aufklärung durch die Spektralverteilungen der kosmischen Gammastrahlung in Aussicht.

Astroteilchenphysiker wissen zwar schon länger um die Existenz ultrahochenergetischer Teilchen, ihre genaue Herkunft ist aber immer noch schleierhaft. Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Modelle, woher diese Teilchen stammen. Fest steht, dass außerordentlich energiereiche physikalische Bedingungen herrschen müssen, um Teilchen auf Energien von 1018 bis über 1020 Elektronenvolt zu beschleunigen. Aktive galaktische Kerne (Active Galactic Nuclei – AGNs), d. h. supermassive Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien mit bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen, gelten deshalb als Hauptkandidaten für die Erzeugung der ultrahochenergetischen kosmischen Strahlung. Forscher aus mehreren US-amerikanischen Instituten sowie dem Max-Planck-Institut für Physik in München haben nun eine detaillierte Studie vorgelegt, in der sie die spektralen Eigenheiten verschiedener Szenarien untersuchen sowie die physikalischen Anforderungen, sie mit künftigen Instrumenten zu beobachten.

Abb.: Künstlerische Darstellung des Cherenkov Telescope Array: Die großen und stärker lichtempfindlichen Teleskope sind umgeben von kleineren Teleskopen, die nach den selteneren höherenergetischen Gammastrahlen Ausschau halten. (Bild: CTA Collaboration)

Die Plasmajets von Aktiven Galaktischen Kernen können viele Tausend Lichtjahre in die Umgebung reichen. Teilchen in diesen Jets werden enorm beschleunigt. Man vermutet, dass Protonen dort kinetische Energien von bis zu 1020 Elektronenvolt erreichen können. Schwere Kerne könnten noch gut eine Größenordnung darüber liegen. Diese werden jedoch auch durch Photodesintegration zerstört, was ihren Anteil an der ultrahochenergetischen Strahlung begrenzt.

Eine große Schwierigkeit bei der Erforschung der kosmischen Strahlung liegt jedoch in der völlig isotropen Verteilung geladener hochenergetischer Teilchen. Die galaktischen ebenso wie die sehr viel schwächeren, aber auch ausgedehnteren extragalaktischen Magnetfelder lenken alle geladenen Teilchen ab und lassen somit die hochenergetischen Teilchen aus allen Richtungen gleichmäßig auf die Erdatmosphäre niederprasseln. Nur im allerhöchsten Energiebereich um 1019 Elektronenvolt scheint sich nach neueren Messungen des Pierre-Auger-Observatoriums eine Häufung ultrahochenergetischer geladener Teilchen aus der Richtung von Aktiven Galaktischen Kernen abzuzeichnen. Dort ist die Bahnkrümmung aufgrund relativistischer Effekte sehr gering.

Abb.: Spektrum von Luftschauern, die durch 100 TeV-Gammastrahlung verursacht werden. Die z-Werte entsprechen unterschiedlichen Rotverschiebungen und damit unterschiedlichen Entfernungen. (Bild: K. Murase et al., Astrophys. J.)

Im Gegensatz zu den geladenen Teilchen kann kosmische Gammastrahlung nicht durch Magnetfelder abgelenkt werden. Sie entsteht entweder über leptonische oder hadronische Wechselwirkungen und weist direkt auf ihre Quellen hin. Der wichtigste leptonische Prozess ist dabei der Synchrotron-Selbst-Compton-Effekt (SSC). Hier gibt ein beschleunigtes Elektron im Magnetfeld des Plasmajets Synchrotronstrahlung ab, die dann wieder an anderen hochenergetischen Elektronen des Jets streut und hierdurch an Energie gewinnt. Auf diese Weise entsteht aus den beschleunigten Elektronen des Jets Gammastrahlung bis in den TeV-Bereich. Dieser Prozess ist sehr effektiv, allerdings verlieren die Elektronen schnell Energie durch Synchrotronstrahlung und gelangen deshalb nur schwer auf extrem hohe Energien. Andere Entstehungsmechanismen funktionieren über die hadronische Komponente. Sie sehen die Erzeugung von Gammastrahlung aus dem Zerfall neutraler Pionen vor, die bei Spallationsprozessen oder Photodesintegration von hochenergetischen Atomkernen und Protonen entstehen.

Da der Fluss an Teraelektronvolt-Photonen sehr gering ist, sind Tscherenkowteleskope ein bevorzugtes Untersuchungsmittel. Solche Teleskopsysteme wie HESS, MAGIC und VERITAS beobachten die von hochenergetischen Teilchen verursachten Luftschauer und können deshalb ein großes Volumen in der Atmosphäre beobachten. Dies ergänzt sich mit den Beobachtungen von Hochenergie-Weltraumteleskopen wie Fermi, die bis zu einigen Hundert Gigaelektronvolt reichen.

Viele Fragen sind aber noch unbeantwortet. So besteht weder Klarheit über den Anteil der verschiedenen Erzeugungsprozesse, noch über deren Orte. Finden die Prozesse bereits im Jet selbst statt oder vielleicht erst im extragalaktischen Medium. Und wie groß ist deren jeweiliger Anteil?

Der Entstehungsort hat Einfluss auf die zeitliche Entwicklung. Die Autoren der Studie gehen deshalb insbesondere der Frage nach, inwieweit strukturierte extragalaktische Magnetfelder oder die Magnetfelder von Radiogalaxien zur Ablenkung höchstenergetischer Strahlung beitragen. Die untersuchten Galaxienarten heißen B-L-Lacertae-Objekte und Fanaroff-Riley-I-Radiogalaxien. Bei beiden AGN-Typen ist das zentrale supermassereiche schwarze Loch der Motor eines gewaltigen Jets, bei „BL Lacs“ schauen wir sogar direkt in den Jet, weshalb diese Objekte besonders leuchtstark und variabel sind.

Die nächste Generation von Tscherenkowteleskopen soll die offenen Fragen besser aufklären. Zwei dieser Projekte sind das Cherenkov Telescope Array (CTA) und das High Altitude Water Cherenkov Gamma-Ray Observatory (HAWC). Ersteres folgt dem üblichen Bauprinzip von Tscherenkovteleskopen; letzteres benutzt Wassertanks im Gebirge, um die Spuren hochenergetischer Teilchenschauer nachzuweisen. Man erwartet von diesen Projekten einen Sensitivitätszuwachs um etwa eine Größenordnung gegenüber heutigen Experimenten. Nach der neuen Studie sollte dies ausreichen, um zumindest für einige kosmische Objekte aus den Spektralverteilungen der Gammastrahlung auf die Erzeugungsprozesse der ultrahochenergetischen kosmischen Strahlung zu schließen.

Dirk Eidemüller

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