Wüstenstrom in wenigen Jahren für Europa gewinnen
Memorandum unterzeichnet: Deutsche Großkonzerne wollen nach erfolgreicher Planung mit dem Bau der solarthermischen Kraftwerke in 2015 beginnen.
Deutsche Großkonzerne, die heute das "Memorandum of Understanding" zur Gründung einer «Desertec Industrial Initiative» Planungsgesellschaft (DII) unterzeichneten, wollen nach erfolgreicher Planung mit dem Bau der solarthermischen Kraftwerke in 2015 beginnen.
München/Aachen/Bonn(dpa) - Das in der Wüste geplante weltweit größte Solarstrom-Projekt soll schon in wenigen Jahren Energie liefern. Das betonten die an der Wüstenstrom-Initiative Desertec beteiligten Unternehmen am Montag in München, die das "Memorandum of Understanding" zur Gründung einer «Desertec Industrial Initiative» Planungsgesellschaft (DII) unterzeichneten. «Wir reden über eine zügige Umsetzung», sagte Münchener Rück-Vorstand Torsten Jeworrek. In den nächsten drei Jahren soll sich zunächst eine Planungsgesellschaft mit Fragen der Finanzierung, der technischen Machbarkeit und den politischen Weichenstellungen beschäftigen. Danach wollen 12 grosse Unternehmen, darunter Siemens, E.ON, RWE, MAN oder Schott, aber schnell erste Anlagen in Angriff nehmen. «Wenn es klappt, wird mit dem Bau der ersten Kraftwerke 2015 begonnen.»
Ziel der Initiative ist es, in den Wüstenregionen Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens bis 2050 rund 15 Prozent des europäischen Strombedarfs in solarthermischen Kraftwerken zu produzieren. Die Energie soll über Gleichstrom-Hochspannungsnetze nach Europa transportiert werden. Bis allerdings die volle Kapazität erreicht werde, dürften Jahrzehnte vergehen, sagte Jeworrek. Wichtig sei in den kommenden Jahren daher ein klarer Fokus aller Beteiligten. «Wir werden uns auf die Fragen der Erzeugung und des Transports von Strom konzentrieren uns aber nicht an der Debatte über den richtigen Energiemix beteiligen. Unser Projekt ist schwierig genug.»
Abb.: Parabolrinnentechnnologie von Solarkraftwerken (Bild:Schott Solar)
Für die Planungsgesellschaft sei zunächst ein jährlicher Etat von rund 1,8 Millionen Euro vorgesehen, sagte Jeworrek. Diese Summe werde von den beteiligten Unternehmen aufgebracht. Die Kosten des Gesamtprojekts seien mit rund 400 Milliarden Euro über die gesamte Projektlaufzeit natürlich immens, aber vertretbar. «Die Investitionskosten werden hoch sein, dann aber doch weniger als 1000 Euro pro Einwohner Europas ausmachen.» Staatsminister Günter Gloser stellte klar, dass Deutschland und die Europäische Union nur Hilfestellung bei den Rahmenbedingungen und der Anschubfinanzierung geben könnten. «Der Staat oder die EU können nicht all diese Finanzen aufbringen. Der wesentliche Anteil muss von privaten Unternehmen organisiert werden.»
Es ist allerdings noch nicht klar, wo genau Anlagen gebaut werden sollen. Die Initiative wolle aber alle Staaten der Region einbinden, sagte Jeworrek. Außerdem werde es eine Vielzahl kleinerer Anlagen geben, die miteinander vernetzt werden sollen. Die Erzeugerländer sollen aber in jedem Fall einen erheblichen Teil ihres Strombedarfs aus den neuen Kraftwerken decken können. Mit dem Strom aus den neuen Kraftwerken ließen sich zum Beispiel Anlagen zur Entsalzung von Meerwasser betreiben, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Desertec Foundation, Gerhard Knies.
Ziel der Initiatoren ist es, in der Wüste Strom zu marktfähigen Preisen herzustellen. Derzeit koste die Kilowattstunde Solarstrom rund 18 bis 19 Cent, sagte Frank-Detlef Drake von RWE. «Es besteht die Chance, auf weniger als 10 Cent zu kommen.» Damit läge der Wüstenstrom im Rahmen der derzeitigen Großhandelspreise. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace lobte am Montag die Signalwirkung des Projekts. «Die Energiekonzerne, Finanzinstitute und Anlagenbauer können die Nutzung von Wüstenstrom zu einem weltweiten Vorbild machen», sagte ein Greenpeace-Sprecher.
Von dem Wüstenstromprojekt Desertec darf nach Forderung von Hilfswerken nicht nur Europa profitieren. Auch afrikanische Länder müssten etwas davon haben, forderten die Welthungerhilfe und das katholische Hilfswerk Misereor. Die Menschen vor Ort müssten den Solarstrom nutzen können. «Die Leute müssen Zugang zum Solarstrom erhalten und von den Einnahmen profitieren», sagte die Misereor-Referentin für Klima und Entwicklung», Anika Schroeder. «Afrika darf nicht denselben Fehler machen wie wir und in Kohle, Gas und Atom investieren», sagte der Sprecher der Welthungerhilfe, Ralph Dickerhoff. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, zumindest Ländern in unmittelbarer Nachbarschaft von Solaranlagen einen guten Preis für Solarstrom zu machen. Bei den Abnehmern vor Ort fielen ja auch hohe Erschließungskosten weg.
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Hintergrundinfos zu Solarthermischen Kraftwerken
München (dpa) - Solar-Strom in der Wüste erzeugen und in Deutschland verbrauchen - die Idee von riesigen Sonnenkraftwerken in der Wüste könnte einen Teil der Energieprobleme lösen. Dabei hat die Technik nichts mit den Photovoltaik-Anlagen zu tun, die auch auf den hiesigen Dächern montiert sind. Bei solarthermischen Kraftwerken, um die es bei dem Projekt geht, werden die Sonnenstrahlen mit Parabolspiegeln gebündelt. Die Strahlung erhitzt dann ein spezielles Wärmeöl, das in Glasrohren zirkuliert. Diese Rohre werden im Brennpunkt der Parabolspiegel montiert.
Die Technik wurde zwar schon vor etwa 100 Jahren von einem deutschen Ingenieur entwickelt, die ersten industriellen Anlagen entstanden aber erst in den 1980er Jahren bei Los Angeles. Seitdem hat diese Technik große Fortschritte gemacht. Die Schott-Tochter CSP (Concentrated Solar Power) ist dabei einer der führenden Anbieter. Im oberpfälzischen Mitterteich (Landkreis Tirschenreuth) produziert das Unternehmen die High-Tech-Rohre, die als Receiver bezeichnet werden, und das Herzstück eines solarthermischen Kraftwerks bilden. Die Receiver aus Nordbayern wurden im vergangenen Jahr auch für den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert.
In Deutschland könnten solche Solaranlagen gar nicht betrieben werden, die heißen Regionen in Spanien oder Nordafrika sind dagegen ideale Standorte. Bei den Großkraftwerken stehen auf 80 bis 90 Kilometern Länge Parabolspiegel in Reihe und fokussieren die Sonnenstrahlen auf die zentral darüber montierten Receiver. Das in den Rohren zirkulierende Spezialöl wird auf 400 Grad Celsius erwärmt. Die Hitze wird über Wärmetauscher in Wasserdampf umgewandelt, mit dem dann Turbinen zur Stromproduktion betrieben werden. Ein typisches 50-Megawatt-Solarkraftwerk erzeugt rund 160 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Damit können etwa 45 000 deutsche Haushalte mit elektrischer Energie versorgt werden.
dpa/KP
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