28.06.2021

Zähne aus dem 3D-Drucker

Additive Fertigung drängt mit ersten Prototypen in die Medizintechnik.

Es geht um Hightech-Zahnersatz, um Prothesen, die Entzündungs­reaktionen im Körper eigenständig erkennen oder indivi­duell angepasste Sitze für Rollstühle. Ein deutsch-polnisches Leistungs­zentrum der Fraunhofer-Gesellschaft erforscht neue Techno­logien für den Einsatz von 3D-Druckverfahren, der additiven Fertigung, in der Medizintechnik. Für die Fraunhofer-Gesellschaft ist es eines von zwei im März gestarteten inter­nationalen Leistungs­zentren, die sich explizit der grenzüber­greifenden Zusammen­arbeit widmen. Beteiligt am Zentrum „Additive Techno­logien für Medizin und Gesundheit“ (ATeM) sind auf deutscher Seite das Fraun­hofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden sowie das Fraunhofer-Institut für Werkzeug­maschinen und Umform­technik IWU in Chemnitz. Sie kooperieren mit der Fakultät Maschinenbau und dem Center for Advanced Manu­facturing Techno­logies (CAMT) der Technischen Universität Breslau. 

Abb.: Wissen­schaftler in Deutsch­land und Polen erforschen in einem von zwei...
Abb.: Wissen­schaftler in Deutsch­land und Polen erforschen in einem von zwei inter­nationalen Fraunhofer-Leistungs­zentren neue Techno­logien für den Einsatz von 3D-Druckverfahren in der Medizin­technik. (Bild: ronaldbonss.com)

Der 3D-Druck erlaubt individuelle und auf den Patienten zuge­schnittene Lösungen sowie die Integration neuer, verbesserter Eigenschaften und Funktionen in Bauteile. Dies ist meist nicht nur deutlich kosten­günstiger als herkömmliche Verfahren, sondern erlaubt auch, neuartige Therapien und Behandlungs­ansätze bereitzustellen. Das Leistungs­zentrum ATeM möchte die additive Fertigung in den kommenden Jahren zum etablierten Standard­werkzeug in der Medizintechnik machen. Ende des Jahres wollen die Projektpartner bereits erste Demonstratoren vorstellen. In verschiedenen Einzel­projekten loten die Partner dafür neue Anwendungs­felder aus. Eines der Projekte beschäftigt sich mit den Chancen des 3D-Drucks in der Zahnmedizin. „Großes Potential liegt in der Nutzung innovativer Werkstoffe und der Integration zusätzlicher Funk­tionalitäten in den Zahnersatz, die den Tragekomfort für den Patienten erhöhen“, erklärt dazu Frank Brückner, Technologie­feldleiter Generieren und Drucken am Fraunhofer IWS. Die additive Fertigung könnte es gestatten, deutlich komplexere Implantate nach einem 3D-Scan des Mundraums sofort zu drucken und damit Warte­zeiten zu verkürzen. Über additive Verfahren ließen sich beispiels­weise auch Metall- und Kunststoff­materialien für eine verbesserte Ästhetik miteinander kombinieren.

Ein weiteres Anwendungs­szenario betrifft Funktions­erweiterungen, wie etwa die direkte Integration von Sensoren in medizinische Kompo­nenten. Empfindliche Sensoren in additiv herge­stellten Knie- oder Hüftgelenken könnten Entzündungs­reaktionen nach der Operation feststellen, indem sie auf höhere Temperaturen oder veränderte Biomarker reagieren. Ebenfalls gedruckt werden sollen in Zukunft Lab-on-a-Chip-Systeme, mit denen sich Organ­funktionen und Abläufe im menschlichen Körper auf einem Chip darstellen lassen. Das kann beispielsweise beim Testen von Medikamenten zum Einsatz kommen.

Wie sich faser­verstärkte 3D-Strukturen drucken lassen, erforschen derzeit Wissenschaftler in zwei Projekten unter der Leitung des Fraunhofer IWU. „Ein belastungs­gerechtes Design eines Produkts, das dazu noch sehr leicht ist, erreichen wir mit dem Einsatz von Verstärkungs­fasern, die wir direkt in die Kunststoff­matrix einbringen“, sagt Lothar Kroll, Wissen­schaftlicher Direktor Leichtbau- und Textil­techno­logien am Fraunhofer IWU. Damit ließen sich beispiels­weise Schädel­implantate aus dem biokom­patiblen thermo­plastischen Kunststoff Polyether­etherketon (PEEK) drucken. Auch an individuell angepassten Sitzen für Rollstühle sowie hochfesten Orthesen arbeiten die Forschenden momentan.

Bereits seit 2008 existiert ein Fraunhofer-Project-Center, das vom Fraunhofer IWS und dem CAMT der TU Breslau betrieben wird. „Wir freuen uns, dass wir mit dem neuen Leistungs­zentrum nun die Synergie­effekte dieser erfolg­reichen Zusammen­arbeit weiter ausbauen können“, sagt Edward Chlebus, Dekan der Fakultät Maschinen­bau der TU Wroclaw. Das in Deutschland von der Fraunhofer-Gesellschaft bereits langjährig erprobte Model der Leistungs­zentren richtet einen starken Fokus auf den Wissenstransfer und Industrie­kooperationen. Auch grenz­übergreifend setzt es nun wichtige Impulse für die Stärkung der euro­päischen Wirtschaft. „Alle Partner sind Experten auf dem Gebiet der additiven Fertigung“, so Robin Willner, Wissenschaftler am Fraunhofer IWS und Koordinator der Geschäfts­stelle des deutsch-polnischen Leitungs­zentrums. Die TU Breslau sei zudem noch sehr eng mit der dortigen Medizinischen Fakultät verbunden. „Zusammen haben wir nun einen guten Blick darauf, wo Bedarfe bestehen, wo bisher noch keine Lösungen gefunden wurden und additive Techno­logien im Medizin- und Gesundheits­bereich Mehrwerte schaffen könnten.“

Bereits Ende des dritten Quartals 2021 wollen die Beteiligten erste Demonstratoren zu den verschiedenen Projekten präsentieren. Das ist zügig möglich, weil die Partner­einrichtungen wichtige Grundlagen für die aktuelle Forschung in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Vorstudien realisierten. Über Industrie­kooperationen oder mögliche Ausgrün­dungen sollen die Ideen für neue Medizin­produkte und Therapien bereits in naher Zukunft den Patienten zugutekommen.

Fh.-IWS / JOL

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