03.02.2017

Zeitaufgelöste Elektronenmikroskopie „unter Wasser“

Neues Instrument ermöglicht Untersuchung von Bio­mole­külen in ihrer natür­lichen Um­gebung.

Es bedarf sehr spezieller Mikroskopiemethoden, um schnelle, dyna­mische Vor­gänge in der Nano­welt abzu­bilden. Während ultra­kurze Laser­pulse für die erfor­der­liche zeit­liche Auf­lösung sorgen können, ist ihr räum­liches Auf­lösungs­ver­mögen durch die Wellen­länge des Lichts grund­sätz­lich beschränkt. Her­kömm­liche Elek­tronen­mikro­skope wiede­rum eignen sich zwar hervor­ragend, um feine Struk­turen zu beob­achten, benö­tigen aber typischer­weise einige Milli­sekunden pro Bild. In den ver­gan­genen zehn Jahren hat sich jedoch eine Methode etab­liert, die die Vor­teile dieser beiden Ver­fahren kombi­niert. Unter maß­geb­licher Betei­ligung der Forscher­gruppe um den 2016 verstor­benen Nobel­preis­träger Ahmed Zewail vom Caltech wurden Elek­tronen­mikro­skope ent­wickelt, deren zeit­liche Auf­lösung durch Laser­pulse gesteuert wird. In einer seiner letzten wissen­schaft­lichen Arbeiten hat Zewail mit seinem Team die Funk­tio­na­lität dieses Mikro­skops noch erwei­tert. Mit dem neuen Gerät ist es mög­lich, laser­indu­zierte Bewe­gungen von schwim­menden Nano­par­tikeln zu ana­ly­sieren.

Abb.: Das hohe zeitliche Auflösungsvermögen des Elek­tronen­trans­missions­mikro­skops wird durch auf­ein­ander­folgende Laser­pulse erreicht. (Bild: X. Fu et al., Caltech)

Damit zielen die Forscher vor allem auf die Beobach­tung bio­lo­gischer Prozesse ab. Zum einen finden diese haupt­säch­lich in wäss­rigen Umge­bungen statt, und zum anderen gehen bio­mole­kulare Funkt­ionen oft mit Struktur­ver­ände­rungen im Nano­meter­bereich einher. Um die Leistungs­fähig­keit des neuen Mikro­skops zu demon­strieren, haben die Forscher damit jetzt zunächst Gold-Nano­partikel in Wasser unter­sucht.

Da im Inneren eines Elektronenmikroskops Vakuum herrscht, ist das Herz­stück des neuen Mikro­skops eine scheiben­förmige Flüs­sig­keits­zelle. Sie soll in erster Linie verhin­dern, dass die Flüssig­keit ver­dampft. „Die Her­stel­lung einer geeig­neten Flüssig­keits­zelle war die größte Heraus­forde­rung bei der Reali­sie­rung des neuen Mikro­skops“, erklärt Xuewen Fu vom Caltech. „Sie muss einer­seits dem Vakuum stand­halten und gleich­zeitig durch­lässig sein für den schwachen Elek­tronen­puls sowie den Femto­sekunden-Laser­puls.“ Die Zelle besteht aus zwei zwanzig Nano­meter dicken Silicium­nitrid­scheiben, zwischen denen sich eine etwa drei­hundert Nano­meter dicke Flüssig­keits­schicht befindet.

Die zeitliche Steuerung des Mikroskops beruht auf zwei aufein­ander­fol­genden Femto­sekunden-Laser­pulsen. Der erste, sicht­bare Puls setzt den zu unter­suchen­den Prozess in Gang und der zweite, ultra­violette Puls löst den Elek­tronen­strahl aus, um eine Moment­auf­nahme des Pro­zesses zu machen. Dazu wird zunächst aus einem infra­roten Puls über Frequenz­ver­doppe­lung ein sicht­barer Puls erzeugt und dieser anschlie­ßend in zwei Pulse aufge­spaltet. Der Erste trifft direkt auf die Probe, um dort den dyna­mischen Prozess zu starten, während aus dem Zweiten, wieder mit­hilfe eines Frequenz­verdoppe­lungs­kristalls, der UV-Puls erzeugt wird. Dieser trifft zeit­ver­zögert auf die Photo­kathode des Mikro­skops und löst dort einen ultra­kurzen Elek­tronen­puls aus. Die Elek­tronen werden auf 120 keV beschleu­nigt und erzeu­gen nach Trans­mission durch die Probe das Bild auf dem Detektor. Eine Verzö­ge­rungs­stufe in den optischen Wegen der Laser­pulse ermög­licht die gezielte Zeit­ver­zöge­rung der Pulse mit einer Auf­lösung von einigen Pico­sekunden. Zur Unter­suchung lang­samerer Pro­zesse steht noch ein eigener Laser für die Anre­gung der Kathode zur Verfü­gung. Er erzeugt ultra­vio­lette Nano­sekunden-Pulse und wird über einen digi­talen Verzö­ge­rungs­gene­rator gesteuert. Diese alter­native Betriebs­art ermög­licht die Reali­sierung von Verzö­ge­rungs­zeiten im Nano­sekunden­bereich.

In einer ersten Anwendung des neuen Mikroskops haben die Forscher die laser­indu­zierte Rota­tion von in Wasser schwim­menden Nano­par­tikeln aus Gold unter­sucht. Dazu hielten sie in der Lösung zunächst Aus­schau nach Dimeren – Paare von Gold­kügel­chen mit Durch­messern von jeweils etwa sechzig bis neunzig Nano­metern, die sich berühren und eine hantel­förmige Struktur bilden. Der erste, sicht­bare Laser­puls erhitzte die Flüssig­keit in der Umge­bung der Dimere auf­grund der Verstär­kung des optischen Nah­feldes so stark, dass sich Nano­bläs­chen bildeten. Die ursprüng­lich leicht an die Silicium­nitrid­scheibe gebun­denen Partikel wurden dadurch in Schwebe gebracht und in leichte Rota­tion versetzt. Einige Nano­sekunden später erzeugte der Elek­tronen­puls ein Bild, aus dem der Dreh­winkel bestimmt werden konnte.

Eine Serie solcher Messungen mit verschiedenen Verzögerungszeiten ermög­lichte es den Forschern, die Dynamik dieses Pro­zesses zu analy­sieren und unter anderem das durch die Bläs­chen indu­zierte Dreh­moment zu bestimmen. Außer­dem zeigte sich, dass bei einer Serie von Anre­gungen je nach Symme­trie der Dimere unter­schied­liche Arten von Rota­tion auf­traten. Während symme­trische Dimere eine rein zufäl­lige Vertei­lung von Drehungen im oder gegen den Uhr­zeiger­sinn auf­wiesen, stieg mit zuneh­mender Asymme­trie der ballis­tische Anteil der Rota­tion und es bildete sich eine gerich­tete Rota­tion in einem bestimm­ten Dreh­sinn aus. Mit dem neuen Mikro­skop ist es also mög­lich, die Momentan­geschwin­dig­keiten von Brown­schen Teil­chen zu messen und deren dyna­misches Verhal­ten unter Nicht­gleich­gewichts­bedin­gungen zu analy­sieren. Darüber hinaus eröff­net es den Forschern zufolge die Mög­lich­keit, Bio­mole­küle in ihrer natür­lichen Umge­bung zu unter­suchen.

Thomas Brandstetter

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