Zeitaufgelöste Elektronenmikroskopie „unter Wasser“
Neues Instrument ermöglicht Untersuchung von Biomolekülen in ihrer natürlichen Umgebung.
Es bedarf sehr spezieller Mikroskopiemethoden, um schnelle, dynamische Vorgänge in der Nanowelt abzubilden. Während ultrakurze Laserpulse für die erforderliche zeitliche Auflösung sorgen können, ist ihr räumliches Auflösungsvermögen durch die Wellenlänge des Lichts grundsätzlich beschränkt. Herkömmliche Elektronenmikroskope wiederum eignen sich zwar hervorragend, um feine Strukturen zu beobachten, benötigen aber typischerweise einige Millisekunden pro Bild. In den vergangenen zehn Jahren hat sich jedoch eine Methode etabliert, die die Vorteile dieser beiden Verfahren kombiniert. Unter maßgeblicher Beteiligung der Forschergruppe um den 2016 verstorbenen Nobelpreisträger Ahmed Zewail vom Caltech wurden Elektronenmikroskope entwickelt, deren zeitliche Auflösung durch Laserpulse gesteuert wird. In einer seiner letzten wissenschaftlichen Arbeiten hat Zewail mit seinem Team die Funktionalität dieses Mikroskops noch erweitert. Mit dem neuen Gerät ist es möglich, laserinduzierte Bewegungen von schwimmenden Nanopartikeln zu analysieren.
Abb.: Das hohe zeitliche Auflösungsvermögen des Elektronentransmissionsmikroskops wird durch aufeinanderfolgende Laserpulse erreicht. (Bild: X. Fu et al., Caltech)
Damit zielen die Forscher vor allem auf die Beobachtung biologischer Prozesse ab. Zum einen finden diese hauptsächlich in wässrigen Umgebungen statt, und zum anderen gehen biomolekulare Funktionen oft mit Strukturveränderungen im Nanometerbereich einher. Um die Leistungsfähigkeit des neuen Mikroskops zu demonstrieren, haben die Forscher damit jetzt zunächst Gold-
Da im Inneren eines Elektronenmikroskops Vakuum herrscht, ist das Herzstück des neuen Mikroskops eine scheibenförmige Flüssigkeitszelle. Sie soll in erster Linie verhindern, dass die Flüssigkeit verdampft. „Die Herstellung einer geeigneten Flüssigkeitszelle war die größte Herausforderung bei der Realisierung des neuen Mikroskops“, erklärt Xuewen Fu vom Caltech. „Sie muss einerseits dem Vakuum standhalten und gleichzeitig durchlässig sein für den schwachen Elektronenpuls sowie den Femtosekunden-
Die zeitliche Steuerung des Mikroskops beruht auf zwei aufeinanderfolgenden Femtosekunden-
In einer ersten Anwendung des neuen Mikroskops haben die Forscher die laserinduzierte Rotation von in Wasser schwimmenden Nanopartikeln aus Gold untersucht. Dazu hielten sie in der Lösung zunächst Ausschau nach Dimeren – Paare von Goldkügelchen mit Durchmessern von jeweils etwa sechzig bis neunzig Nanometern, die sich berühren und eine hantelförmige Struktur bilden. Der erste, sichtbare Laserpuls erhitzte die Flüssigkeit in der Umgebung der Dimere aufgrund der Verstärkung des optischen Nahfeldes so stark, dass sich Nanobläschen bildeten. Die ursprünglich leicht an die Siliciumnitridscheibe gebundenen Partikel wurden dadurch in Schwebe gebracht und in leichte Rotation versetzt. Einige Nanosekunden später erzeugte der Elektronenpuls ein Bild, aus dem der Drehwinkel bestimmt werden konnte.
Eine Serie solcher Messungen mit verschiedenen Verzögerungszeiten ermöglichte es den Forschern, die Dynamik dieses Prozesses zu analysieren und unter anderem das durch die Bläschen induzierte Drehmoment zu bestimmen. Außerdem zeigte sich, dass bei einer Serie von Anregungen je nach Symmetrie der Dimere unterschiedliche Arten von Rotation auftraten. Während symmetrische Dimere eine rein zufällige Verteilung von Drehungen im oder gegen den Uhrzeigersinn aufwiesen, stieg mit zunehmender Asymmetrie der ballistische Anteil der Rotation und es bildete sich eine gerichtete Rotation in einem bestimmten Drehsinn aus. Mit dem neuen Mikroskop ist es also möglich, die Momentangeschwindigkeiten von Brownschen Teilchen zu messen und deren dynamisches Verhalten unter Nichtgleichgewichtsbedingungen zu analysieren. Darüber hinaus eröffnet es den Forschern zufolge die Möglichkeit, Biomoleküle in ihrer natürlichen Umgebung zu untersuchen.
Thomas Brandstetter