Zeno-Effekt mit Photonen
Mikrowellenfeld wird zur Schrödinger-Katze.
Mit Hilfe des Quanten-Zeno-Effekts hatte man schon Rydberg-Atome in bizarre Schrödinger-Katzen-Zustände gebracht. Jetzt ist dies erstmals auch für Mikrowellenfelder gelungen. Ursprünglich bezeichnete man mit dem Quanten-Zeno-Effekt (QZE) die Tatsache, dass sich ein Quantensystem bei fortwährender Beobachtung nicht mehr weiter entwickelt. Beim dynamischen QZE wird ein ausgewählter Energiezustand des Quantensystems durch Kopplung an ein anderes System so stark verstimmt, dass er von den übrigen Energiezuständen aus nicht mehr erreichbar ist. Dadurch wird die Dynamik des Quantensystems eingeschränkt, was zu bizarren, nichtklassischen Zuständen führen kann.
Abb.: Das kombinierte Energiediagramm des Mikrowellenresonators und des mit ihm gekoppelten Qubits. Während der Resonator durch ein Mikrowellenfeld angeregt wird (grün), können zwischen den beiden hybridisierten Zuständen |N=3;g> und N=3;e> Rabi-Oszillationen getrieben werden (rot), die diese Zustände verstimmen. Dadurch bricht die Zustandsleiter des Resonators bei N=3 ab. (Bild: L. Bretheau et al.)
Den dynamischen QZE hatten Serge Haroche und seine Mitarbeiter im vergangenen Jahr erstmals an hochangeregten Rubidium-Atomen in Rydberg-Zuständen nachgewiesen. Im ungestörten Fall konnten sich die Atome, angeregt durch ein Hochfrequenzfeld, auf einer Energieleiter von 51 verschiedenen Unterzuständen auf und ab bewegen. Koppelte man einen dieser Unterzustände mit Hilfe eines Mikrowellenfeldes an einen völlig anderen Rydberg-Zustand, so fiel er aus der Leiter heraus, die dadurch an dieser Stelle abbrach. Die Dynamik der Rydberg-Atome veränderte sich daraufhin dramatisch.
Benjamin Huard und seine Kollegen von der Ecole Normale Supérieure in Paris haben den dynamischen QZE jetzt für ein Mikrowellenfeld in einem Hohlraumresonator beobachtet, das eine praktisch unbegrenzte Zahl von Photonen enthalten konnte. Im ungestörten Fall war deshalb die Leiter der Energiezustände – im Unterschied zu derjenigen von Rydberg-Atomen – nach oben unbeschränkt. Wurde der Resonator, der zunächst nur wenige thermische Photonen enthielt, mit einem abgestimmten Mikrowellenfeld angeregt, so nahm die Zahl der in ihm enthaltenen Photonen stetig zu.
Die Forscher bereiteten den dynamischen QZE vor, indem sie den Mikrowellenhohlraum nichtresonant an ein supraleitendes Qubit koppelten, das aus einem Josephson-Kontakt bestand und die beiden Zustände |g> und |e> hatte. Durch die Kopplung änderten sich die Anregungsfrequenzen des Mikrowellenresonators (fc) und des Qubits (fq) auf fc–χ bzw. fq–kχ, wobei χ die Kopplungsstärke und k die Zahl der Photonen im Resonator war.
Abb.: Für verschiedene Schrankenwerte N wird der zeitliche Verlauf der Besetzungswahrscheinlichkeiten Pk für k Photonen im Resonator gezeigt. Nach anfänglichem Anwachsen der Photonenzahl oszillieren die Pk, sobald die Schranke erreicht wurde. (Bild: L. Bretheau et al.)
Wurde nun das Qubit z. B. mit Mikrowellen der Frequenz fq–3χ bestrahlt (s. Abb.1), so führte dies zu Rabi-Oszillationen (mit der Frequenz ΩR) zwischen den beiden Resonator-Qubit-Zuständen |N=3;e> und |N=3;g>, deren Frequenzen dabei um ΩR aufspalteten. An die Stelle des Resonatorzustands |N=3> traten somit zwei stark verstimmte Zustände, während alle übrigen Resonatorzustände durch die Kopplung mit dem Qubit nur geringfügig verändert wurden.
Vom Grundzustand |n=0> ausgehend konnten deshalb mit Mikrowellen der Frequenz fc–χ der Reihe nach Zustände mit einem oder zwei Photonen im Resonator resonant angeregt werden, nicht jedoch die stark verstimmten Zustände mit drei Photonen. Hier brach die Zustandsleiter ab, sodass sich auch Zustände mit mehr als drei Photonen nicht anregen ließen.
Wie viele Photonen sich tatsächlich im Hohlraum befanden, bestimmte die Forscher mit Hilfe des Qubits im Anfangszustand |g>, das sie mit einem Mikrowellenpuls der Frequenz fq–kχ bestrahlten. Wurde das Qubit mit der Wahrscheinlichkeit Pk in den Zustand |e> angeregt, so enthielt der Hohlraum k Photonen mit der Wahrscheinlichkeit Pk.
Auf diese Weise nahmen Huard und seine Mitarbeiter den zeitlichen Verlauf der Besetzungswahrscheinlichkeiten Pk für die Photonenschranke N=2, 3, 4 und 5 auf. Deutlich sichtbar war, wie innerhalb der ersten Mikrosekunde mehr und mehr Photonen angeregt wurden. Doch dann machte sich die Schranke N bemerkbar und die Pk für k=0,..,N-1 begannen zu oszillieren, während stets PN=0 war. Die Oszillationsperiode wuchs mit N an, da das Erreichen der Schranke umso länger dauerte, je größer N war.
Die Forscher führten zudem eine Zustandstomographie durch, mit der sie die Wigner-Funktion für den Quantenzustand des Mikrowellenresonators rekonstruierten. Zunächst hatte die Wigner-Funktion die Form einer Gauß-Glocke, zentriert am Koordinatenursprung der Zustandsebene. Dies entsprach dem kohärenten Vakuumzustand |n=0>. Durch Anregung mit Mikrowellen nahm die Photonenzahl zu und die Gauß-Glocke bewegte sich radial vom Ursprung weg.
Sobald die Glocke den kreisförmigen Rand des durch die Photonenschranke N festgelegten Gebietes erreichte, änderte die Wigner-Funktion ihre Gestalt, zeigte Modulationen und nahm negative Werte an. Das Mikrowellenfeld war nicht mehr in einem kohärenten Zustand, sondern in einem Schrödinger-Katzen-Zustand, der aus einer Überlagerung von klassisch unterscheidbaren Zuständen bestand. Die Wigner-Funktion wurde an der Schranke reflektiert und kehrte in die Nähe des Koordinatenursprungs zurück. Dies ähnelte sehr stark dem Verhalten, das beim QZE mit Rydberg-Atomen beobachtet worden war.
Huard und seine Mitarbeiter haben somit einen Weg gefunden, Mikrowellenfelder in exotischen Zuständen mit neuartigen Eigenschaften zu präparieren. Dadurch lassen sich beispielweise Schrödinger-Katzen-Zustände manipulieren und für die Quanteninformationsverarbeitung nutzen.
Rainer Scharf
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