Zerklüfteter Mars
Mars-Kamera HRSC zeigt von zahlreichen Tälern zerfressenes Gebiet.
Bilder der Mars-Kamera HRSC – High Resolution Stereo Camera – zeigen eine Landschaft, die durch Wasser, Wind und Eis stark abgetragen wurde. Das belegen die vielen Taleinschnitte und abgeflachten Kraterränder. Die Stereokamera kartiert seit 2004 im Rahmen der Esa-Mission Mars Express den Roten Planeten. Sie wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR entwickelt und wird von dort betrieben. Die Aufnahmen mit der HRSC entstanden am 29. September 2019 während Orbit 19.908 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt.
Die Region Nilosyrtis Mensae wird im Englischen als „fretted terrain“ – zerfressenes Gebiet – bezeichnet und ist charakteristisch für die Übergangszone von Hochland zu Tiefland auf dem Mars. Typisch für solche Gebiete sind die zahlreichen labyrinthartigen Täler, wie sie auf diesen Bildern zu sehen sind. Die Talböden zeigen lineare Strukturen, die dem Talverlauf folgen. Diese linierten Talfüllungen legen nahe, dass eishaltiges Material die Talhänge langsam hinabfloss und sich schließlich in der Mitte der Täler traf. Solche schuttbedeckten Gletscher ähneln Blockgletschern, die man auch auf der Erde findet. Blockgletscher bestehen aus mit Schutt und Geröll durchsetztem Eis. Sie kommen vor allem in Permafrostregionen in Hochgebirgen oder polaren Breiten vor. Die gletscherartigen Ablagerungen sind möglicherweise Reste einer sich zurückbildenden Eisdecke, die die Region während vergangener Eiszeiten bedeckt hat. Frühere Klimabedingungen auf dem Mars haben offenbar dazu geführt, dass größere Mengen von Schnee und Eis auf den Plateaus und in den Tälern abgelagert werden konnten.
Die Abtragung durch Wasser und Eis hinterließ in Nilosyrtis Mensae abgerundete Bergkuppen und Tafelberge. Viele Geländeformen haben ein weiches Erscheinungsbild, das einer weitreichenden Überprägung durch Eis zugeschrieben wird. Ein ehemaliger Einschlagskrater wurde aufgrund der Erosion seines Kraterrandes der Ablagerung des abgetragenen Materials und des vom Wind eingebrachten Sediments mit der Zeit immer flacher. Das Kraterrelief verschwand nahezu. Die Kraterfüllung wurde ihrerseits wieder stark erodiert und zerschnitten, was ihr das heutige, zerklüftete Aussehen verlieh.
Im Gegensatz zu den typisch weichen Geländeformen dieser Region findet man im Südwestn eher scharfkantige Strukturen. Eine mehrere Kilometer lange, annähernd nord-süd-verlaufende, scharfkantige, lineare Struktur stellt wahrscheinlich einen „Dike“ dar. So bezeichnet man eine vertikale Spalte im Umgebungsgestein, in die magmatisches Gestein eingedrungen ist, das nun an der Oberfläche aufgrund seiner größeren Erosionswiderstandsfähigkeit hervortritt. Östlich davon befindet sich ein Gewirr aus sich gegenseitig schneidenden Strukturen, die ebenso scharfkantige Rücken aufweisen. Hierbei handelt es sich höchstwahrscheinlich um verfestigte Füllungen von Rissen im Gestein, durch die einstmals Wasser durchsickerte und dabei verschiedene Minerale auswusch, die sich dann in den Rissen verfestigten.
Ein ehemaliges, ausgetrocknetes Flusstal wurde durch beständig austretendes Grundwasser erodiert. Zu erkennen ist das anhand der breiten, halbkreisförmigen Talanfänge. Flussabwärts erkennt man an breiteren Stellen, dass sich in die Talbodenfüllung wiederum kleinere Flussläufe eingeschnitten haben. Das deutet auf mehrmalige fluviale Aktivität, also einen episodischen Wasserfluss in dieser Region hin. Nord- und Südhalbkugel des Mars unterscheiden sich grundlegend in Bezug auf Oberflächentopographie, Alter und Morphologie. Im Norden befindet sich ein ausgedehntes Tiefland, das relativ eben und deutlich jünger ist als das südliche Hochland, das sehr viele Krater aufweist. Die Übergangszone zwischen beiden ist durch einen Steilhang gekennzeichnet, der einen Höhenunterschied von einigen Kilometern aufweist. Aufgrund dieser Zweiteilung der Marsoberfläche spricht man hier von einer Dichotomiegrenze.
DLR / JOL