04.08.2010

Zwei Theorien an einem Faden

Sind Eichtheorien und Stringtheorien zwei Seiten ein und derselben Medaille?

Sind Eichtheorien und Stringtheorien zwei Seiten ein und derselben Medaille?

Schon vom Ansatz her sind die beiden Theorien eigentlich unvereinbar: einerseits Elementartteilchen ohne jede Ausdehnung im flachen Raum; andererseits eindimensionale Strings in einem Raum, der unter dem Einfluss von Schwerkraft gekrümmt ist. Könnten die Grundbausteine unseres Weltalls vielleicht ebenso gut als Punkte wie als winzige Fäden beschrieben werden? Neue Belege dafür liefert eine gemeinschaftliche Forschungsarbeit des Lehrstuhls für Theoretische Physik III der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Italien, Großbritannien, den USA und dem Albert-Einstein-Institut in Potsdam.

Eichtheorien, sind Bestandteil des Standardmodells, mit der die moderne Physik außer der Schwerkraft alle Kräfte im atomaren und subatomaren Bereich erfolgreich beschreiben kann. Drei der vier Grundkräfte unserer Welt - der Elektromagnetismus, die schwache und die starke Kernkraft - beruhen auf Wechselwirkungen zwischen punktförmigen Elementarteilchen wie Quarks oder Elektronen. Der Zusammenhalt der Materie wird ebenso wie andere Prozesse in Atomen und Atomkernen vermittelt durch so genannte Austauschteilchen - Photonen und Gluonen. Die Stringtheorie geht stattdessen von winzigen vibrierenden und rotierenden Fäden, den Strings, als elementaren Bausteinen des Universums aus. Sie gilt als Kandidat für eine Quantentheorie der vierten Grundkraft, der Gravitation.

„Auf gewisse Art könnten Eich- und Stringtheorien zwei Seiten ein und derselben Medaille in der Beschreibung der Natur darstellen“, erklärt Michael Pawellek vom Lehrstuhl für Theoretische Physik III der FAU. Hinweise darauf hat die internationale Wissenschaftlergruppe in ihrer Arbeit gefunden: Sie konnte zeigen, dass die Bewegung von rotierenden Strings in einem gekrümmten Raum durch eine mathematische Besonderheit erfasst werden kann, die als Integrabilität bezeichnet wird. Damit war es möglich, bestimmte Eigenschaften, wie sie bisher nur von Eichtheorien bekannt waren, in einer rein stringtheoretischen Berechnung nachzuweisen.

Ein einzelnes Quark konnte noch niemals beobachtet werden, obwohl Streuexperimente an großen Teilchenbeschleunigern zeigen, dass Protonen und Neutronen aus jeweils drei Quarks bestehen. Ein konkreter rotierender String jedoch ist nun, mathematisch gesehen, „eingefangen“ worden. Der Nachweis einer „Dualität“ an diesem Einzelbeispiel lässt darauf hoffen, eine Vermutung des amerikanischen Physikers Juan Maldacena aus dem Jahr 1997 in voller Allgemeinheit beweisen zu können. Maldacena folgerte aus seinen Arbeiten, man könne mit Hilfe der Stringtheorie auch Probleme in Eichtheorien lösen, obwohl es auf den ersten Blick erstaunlich ist, mit diesem Instrument die Dynamik der Bausteine von Atomkernen beschreiben zu wollen.

Ein umfassender Beweis der Maldacena-Vermutung gilt inzwischen als eine der größten Herausforderungen der Theoretischen Physik, da sie die faszinierende Möglichkeit eröffnet, zwei grundlegende Probleme auf einen Schlag zu lösen. Zum einen ist der Mechanismus, der den Einschluss von Quarks im „Versteck“ des Atomkerns bewirkt, bisher nur ansatzweise im Rahmen der Eichtheorie verstanden. Zum anderen bereitet es den Physikern große Schwierigkeiten, die Gravitation in die Quantenwelt einzubeziehen. Albert Einstein beschrieb 1915 die Schwerkraft in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie als Krümmungseffekt des Raumes durch Massen. Bisher scheiterten jedoch alle Versuche, daraus eine Quantentheorie der Gravitation zu entwickeln. Für eine einheitliche Beschreibung der Naturkräfte und um solche geheimnisvollen Objekte wie Schwarze Löcher oder den Urknall zu verstehen, wäre dies aber notwendig.

Die Arbeiten der internationalen Forschergruppe führen auf diesem Weg ein Stück voran. Beteiligt waren außer dem Erlanger Lehrstuhl das Physics Department, Salento University and INFN, Leece, Italien; das Department of Physics, University of Connecticut, Storrs CT, USA; das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Albert-Einstein-Institut, Potsdam und The Blackett Laboratory, Imperial College London.

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg/AL

Weitere Infos:

  • Originalveröffentlichung:
    M. Beccaria, G. V. Dunne, V. Forini, M. Pawellek, A. A. Tseytlin: Exact computation of one-loop correction to the energy of folded spinning string in AdS5 × S5. J. Phys. A: Math. Theor. 43 165402 (2010)
    dx.doi.org/10.1088/1751-8113/43/16/165402
  • Lehrstuhl für Theoretische Physik III, Universität Erlangen-Nürnberg:
  • theorie3.physik.uni-erlangen.de/

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