Zwergplanet ganz groß
Pluto und sein größter Mond Charon weisen spektakuläre Landschaften auf – und wahrscheinlich einen unterirdischen Ozean.
Knapp zehn Jahre lang war die Raumsonde New Horizons unterwegs – um dann mit enormer Geschwindigkeit an Pluto und seinen Monden vorbei zu düsen und in dieser kurzen Zeit möglichst viel Daten zu sammeln. Die Raumsonde, die den Rekord für die höchste Startgeschwindigkeit hält, holte zunächst Schwung an Jupiter, bevor es weiter Richtung Pluto ging. Der Vorbeiflug an Pluto dauerte nur kurz. In den Tagen vor und nach der kürzesten Annäherung an Pluto konnte New Horizons insgesamt 400 verschiedene Aufnahmen von Pluto und seinen Monden machen. Die Datenübertragung dauerte aufgrund der begrenzten Sendestärke der Antennen dennoch rund 15 Monate und war erst im Oktober 2016 abgeschlossen.
Abb.: Die ersten offiziellen Namen von Landschaften auf Pluto, die New Horizons aufgenommen hat. (Bild: NASA / JHUAPL / SwRI / R. Beyer)
Erst vor kurzem hat sich auch die Internationale Astronomische Union auf die Namensgebung von 14 Landschaften auf Pluto geeinigt, die New Horizons aufgenommen hat. Ein Forscherteam vom Southwest Research Institute in Boulder und dem NASA Ames Research Center in Moffett Field präsentiert nun eine umfassende Analyse der Aufnahmen, die einige topologische Besonderheiten beinhalten.
Da Pluto und sein größter Mond Charon – etwa halb so groß wie Pluto – eine gebundenen Rotation mit einer Periode von 6,4 Erdtagen haben, konnte New Horizons in der Woche vor der größten Annäherung die gesamte sonnenbeschienene Oberfläche der Himmelskörper kartografieren. Der Vorbeiflug war allerdings so schnell, dass New Horizons nur eine Seite von Pluto mit hoher Genauigkeit untersuchen konnte. Dabei gelangen Aufnahmen mit rund achtzig Metern Auflösung. Auch der Radius von Pluto konnte mit 1188 Kilometern erstmals in hoher Genauigkeit bestimmt werden.
Die Region unterhalb von 38 Grad südlicher Breite lag leider im Schatten, da auf der Nordhalbkugel Sommer herrschte. Dabei zeigte Pluto eine Verteilung von Elementen, die vom Breitengrad abhängt. So traten flüchtige Elemente gehäuft in mittleren und hohen Breiten auf, während schwere Elemente die Äquatorregion dominierten. Die Oberflächen-Reflektivität von Pluto zeigt dabei eine enorme Schwankungsbreite von 0,08 bis 1,0.
Die erstaunlichste Erkenntnis von New Horizons ist, dass Pluto einige sehr junge Landschaften aufweist: ein Anzeichen für tektonische Prozesse, die auf so weit von der Sonne entfernten Objekten kaum zu erwarten sind. Die interessanteste Formation sind die Sputnik Planitia: Diese etwa 750 auf 1400 Kilometer große Vertiefung liegt rund drei bis vier Kilometer unter Normalhöhennull. Der Boden besteht aus verschiedenen Eissorten – vor allem aus Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid. Er muss geologisch sehr jung sein, da er keine sichtbaren Einschlagkrater aufweist. Dies deutet auf ein Alter von weniger als zehn Millionen Jahren hin. Fließstrukturen weisen auf eine gewisse Mobilität dieser Eiskruste hin. Darunter könnte sich sogar ein unterirdischer Ozean befinden, der für die besondere Struktur der Eismassen mitsamt ihren Bruchzonen verantwortlich ist.
Abb.: Eine Erklärung für die auffällige Topologie auf Pluto könnte ein Einschlag gewesen – in Kombination mit einem unterirdischen Ozean. (Bild: J. Keane)
Als Energiequelle für einen solchen Ozean unter einem kilometerdicken Eispanzer kommt nur der Zerfall radioaktiver Elemente in Plutos Innern in Betracht, da der Zwergplanet und sein größter Mond Charon gebunden rotieren und die anderen Monde zu klein sind, um merkliche Gezeitenkräfte auszuüben. Der Großteil von Plutos Oberfläche ist allerdings deutlich älter als die Sputnik Planitia.
Die Oberfläche von Charon ist nicht ganz so vielseitig wie die von Pluto und mit einem Alter von etwa vier Milliarden Jahren sehr alt. Auch Charon besitzt aber einige sehr charakteristische Landschaften – etwa eine rötliche Polarregion, deren Färbung vermutlich auf Tholine zurückzuführen ist, sowie versunkene Berge und ausgedehnte Erdrutsche. Wassereis ist auf Charon überall zu finden, auf Pluto nur in bestimmten Regionen.
Eine weitere große Überraschung war die Messung der Atmosphäre von Pluto. Die Atmosphäre von Pluto ist sehr dünn. Wie Ultraviolett- und Radarbeobachtungen ergaben, erstreckte sich der atmosphärische Dunst dennoch bis in eine Höhe von über 200 Kilometern. Die Streueigenschaften ergaben, dass diese Partikel vermutlich fraktale Teilchen sind. Mit nur 69 Kelvin ist die äußere Atmosphäre auch rund 30 Kelvin kälter als bislang angenommen.
Für New Horizons ist die Reise mit dem Passieren Plutos aber noch lange nicht beendet. Für das Jahr 2019 plant die NASA einen Vorbeiflug am Kuiper-Belt-Objekt 2014 MU69. Dabei soll die Raumsonde bis zu drei Mal näher an diesen Himmelskörper herankommen als an Pluto. Wenn alles glatt läuft, wird dies das bislang am weitesten von der Erde entfernte Treffen einer Raumsonde mit einem massiven Objekt sein. 2014 MU69 besteht aus einem Zwillingspaar von Felsbrocken von zirka zwanzig Kilometern Durchmesser, die sich entweder in geringem Abstand umkreisen oder sogar berühren.
New Horizons wird in der Lage sein, die Oberfläche dieser Gesteinsbrocken mit Hilfe seiner bestauflösenden Kamera – dem Long Range Reconnaissance Imager (LORRI) – mit einer Genauigkeit von etwa siebzig Metern zu kartieren. Danach wird die Raumsonde weiter Richtung Kuiper-Gürtel fliegen und in gut 15 Jahren den Terminationsschock der Heliosphäre erreichen – als dritter aktiver Kundschafter nach den beiden Voyager-Sonden. Er wird diese allerdings nicht mehr überholen können. Seine Geschwindigkeit ist ein ganzes Stück langsamer. Denn New Horizon konnte nur an Jupiter Schwung holen. Die Voyager-Missionen machten sich eine besondere himmlische Konstellation zunutzen, die nur alle 175 Jahre auftritt und bei der Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun der Reihe nach zum Vorbeiflug einluden. Mit Pioneer 10 und 11 sind noch zwei weitere Raumsonden in den Außenbereichen des Sonnensystems unterwegs, der Kontakt zu ihnen ist aber schon vor Jahren abgebrochen.
Dirk Eidemüller
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