24.03.2022

Zwergplanet mit Salzkruste

Urvara-Krater auf Ceres zeigt Ablagerungen aus Salz und organischen Verbindungen.

Der drittgrößte Krater auf dem Zwergplaneten Ceres war viele Millionen Jahre nach seiner Entstehung noch mindestens einmal geologisch aktiv. In einer aktuellen Studie legen Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnen­system­forschung (MPS) in Göttingen, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und des National Institute of Science Education and Research in Indien die bisher detailreichste Untersuchung des Urvara-Kraters vor. Dafür werteten sie erstmals Kamera-Aufnahmen aus der letzten Phase der NASA-Weltraummission Dawn aus, die geologische Strukturen von nur einigen Metern Größe erkennen lässt. Die Raumsonde Dawn war 2015 in eine Umlaufbahn um den Zwergplaneten eingeschwenkt und hatte ihn etwa dreieinhalb Jahre lang aus der Nähe untersucht. Wie auch der Occator-Krater könnte der Urvara-Krater Schauplatz kryo­vulkanischer Aktivität gewesen sein, so die Forscher. Die Studie stützt das Bild, wonach sich unter der Kruste von Ceres ein globaler salzhaltiger Ozean erstreckte, der möglicher­weise bis heute zum Teil flüssig ist.

 

Abb.: Etwa 170 Kilometer misst der Urvara-Krater im Durch­messer. Die mehrfach...
Abb.: Etwa 170 Kilometer misst der Urvara-Krater im Durch­messer. Die mehrfach terrassierten Krater­wände umschließen eine Vielzahl unter­schiedlichster geologischer Strukturen. (Bild: MPS / Dawn mission / NASA / JPL-Caltech / UCLA / DLR / IDA)

Zahlreiche große Krater zeigen sich auf der Oberfläche des Zwerg­planeten Ceres, der mit einem Durchmesser von etwa 960 Kilometern der größte Körper im Asteroiden­gürtel ist. Der wohl auffälligste dieser Krater heißt Occator und liegt auf der Nordhalbkugel. Die hellen Flecken in seinem Innern, die sich schon in der Anflugphase deutlich zeigten, entpuppten sich als salzhaltige Überbleibsel einer unterirdischen Sole, die bis in jüngster geologischer Zeit durch kryo­vulkanische Prozesse an die Oberfläche drangen. In einem anderen großen Krater, genannt Ernutet, finden sich Hinweise auf freiliegende organische Verbindungen und somit auf eine sehr komplexe Chemie. In ihrer jüngsten Veröffentlichung wenden sich die Forscher unter Leitung des MPS nun dem Urvara-Krater zu. Auf der Südhalbkugel gelegen, ist er mit einem Durchmesser von 170 Kilometern der drittgrößte Ceres-Krater. Der Einschlag, durch den er vor etwa 250 Millionen Jahren entstand, dürfte Material aus bis zu 50 Kilometern Tiefe zu Tage gefördert haben.

„Die großen Impaktstrukturen auf Ceres verschaffen uns Zugang zu den tiefer­liegenden Schichten des Zwergplaneten“, erklärt Andreas Nathues vom MPS, Erstautor der aktuellen Studie und wissenschaftlicher Leiter des Kamera-Teams von Dawn. „Wie sich zeigt, ist die heutige Topographie und mineralogische Zusammen­setzung einiger großer Ceres-Krater das Ergebnis komplexer und langanhaltender geologischer Prozesse, die die Oberfläche des Zwergplaneten verändert haben“, fügt er hinzu.

Um diese Prozesse möglichst genau nachvollziehen zu können, sind hochaufgelöste Aufnahmen und spektroskopische Daten notwendig. Die präzisesten Messdaten des Urvara-Kraters entstanden in der Verlängerung der Dawn-Mission: Nach Ablauf der zunächst auf zwei Jahre ausgelegten Primärmission reichten die verbleibenden Treibstoffreste, um auf wagemutigeren, stark elliptischen Bahnen die Oberfläche des Zwergplaneten stellenweise in einem Abstand von nur 35 Kilometern zu überfliegen. Mit Hilfe der beiden Dawn Framing Cameras, dem wissenschaftlichen Kamera­system der Mission, entstanden dabei Aufnahmen, in denen sich Strukturen von einigen Metern Größe erkennen lassen. Das Kamerasystem wurde unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut und während der Mission betrieben.

Die hochaufgelösten Aufnahmen des Urvara-Kraters offenbaren eine geologisch ausgesprochen vielfältige Landschaft. Mehrfach terrassierte Steilhänge umschließen das Einschlags­becken; als markantestes Merkmal ragt etwas abseits der Kratermitte eine etwa 25 Kilometer lange und drei Kilometer hohe Bergkette empor. An ihrer südlichen Flanke finden sich schroffe Klippen, ausgedehnte Geröllfelder – und vereinzelt helles Material, das an die berühmten Flecken des Occator-Kraters erinnert. Desweiteren zeigen die Bilder eine tiefe Senke, Gebiete mit auffallend glatter Oberfläche und solche, die von zahlreichen kleineren, runden Vertiefungen übersät sind.

„Unsere Auswertungen ergeben, dass verschiedene Bereiche des Kraters sehr unterschiedlich alt sind“, so Nico Schmedemann vom Institut für Planetologie der WWU. „Der Altersunterschied beträgt bis zu 100 Millionen Jahre. Das deutet darauf hin, dass dort Prozesse am Werk waren, die noch lange nach der eigentlichen Entstehung des Kraters gewirkt haben“, fügt er hinzu. Für Untersuchungen dieser Art zählt man die kleinen Krater, die jede Oberfläche atmosphäre­loser Körper überziehen. Da ältere Oberflächen mehr Zeit hatten, solche Einschläge kleinerer Brocken aus dem Weltall „anzusammeln“, weisen sie mehr Krater auf als jüngere. Bei der genauen Alters­bestimmung spielen zudem Modelle von der Stärke des Bombardements zu verschiedenen Zeiten eine Rolle. Die ursprünglichsten Gebiete im Urvara-Krater sind demnach etwa 250 Millionen Jahre alt. Dieser Zeitpunkt markiert die Entstehung des Kraters selbst. Zu den jüngeren Oberflächen innerhalb des Kraters zählen ausgedehnte glatte, dunkle Gebiete sowie Senktrichter, die wahrscheinlich durch Gasaustritt im Untergrund entstanden sind.

Weitere Hinweise auf die bewegte Vergangenheit des Kraters enthalten die Bilder, die mit Hilfe der Farbfilter des Kamera­systems aufgenommen wurden. Sie erlauben Rückschlüsse darauf, welche Wellenlängenbereiche des sichtbaren Lichtes bestimmte Oberflächen ins All reflektieren – und damit auf ihre mineralogische Zusammensetzung. Wie sich zeigt, handelt es sich bei dem hellen Material um Salze. Daten des Dawn-Spektrometers VIR, das von der italienischen Weltraumagentur ASI zur Mission beigesteuert wurde, deuten zudem darauf hin, dass sich an einem Hang westlich der zentralen Bergkette organische Verbindungen zusammen mit Salzen abgelagert haben. Eine solche Kombination aus markanten Salz­ablagerungen und organischen Verbindungen wurde zuvor noch nicht beobachtet. Auch die Ablagerungen organischer Verbindungen sind offenbar vergleichsweise jung.

„Die Frage nach dem Ursprung und der Entstehung organischer Stoffe auf Ceres ist nach wie vor offen. Ihre Antwort hat Auswirkungen auf unser Verständnis der gesamten geologischen Geschichte von Ceres und mögliche Verbindungen zu Fragen der Astrobiologie und Habitabilität“, erklärt NISER-Wissenschaftler Guneshwar Thangjam. „Die organischen Verbindungen, die wir möglicherweise im Urvara-Krater auf der Südhalbkugel gefunden haben, unterschieden sich deutlich von den Gebieten im Ernutet-Krater auf der Nord­halbkugel, die reich an organischen Verbindungen sind“, fügt er hinzu. Und weiter: „Das Team arbeitet an diesen Fragen, indem es sowohl FC- als auch VIR-Spektral­daten auswertet.“

„Insgesamt zeigt sich uns im Urvara-Krater ein ausgesprochen komplexes Bild, das wir noch nicht vollständig verstehen und das Raum für zwei Interpretationen lässt“, fasst Andreas Nathues die Ergebnisse zusammen. So könnte etwa der Einschlag, der den Urvara-Krater formte, Salze aus dem Innern des Zwerg­planeten an die Oberfläche befördert haben. Einiges spricht jedoch dafür, dass stattdessen eine salzhaltige Sole im Spiel war, die aus dem Innern nach oben stieg und weitere Prozesse in Gang setzte. Ob die Sole die Oberfläche erreichte oder sich lediglich dicht darunter anreicherte, ist unklar.

Unabhängig von der genauen Interpretation bekräftigen die aktuellen Ergebnisse das Bild des Zwergplaneten, das die Dawn-Mission in den vergangenen Jahren von Ceres gezeichnet hat: ein geologisch aktiver Körper, unter dessen Kruste sich in verschiedenen Tiefen salzhaltige Schichten erstrecken. Diese könnten in Verbindung stehen mit einem früheren, in der Tiefe gelegenen Ozean, der auch organische Verbindungen enthielt. Trotz Ceres‘ gewaltigen Sonnen­abstands und der damit verbundenen Kälte könnte diese Sole dank der gelösten Salze noch heute in großen flüssigen Reservoirs in etwa vierzig Kilometern Tiefe überdauern.

MPS / DE

 

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