02.10.2019 • Astrophysik

Zwergstern mit Riesenplanet

Exoplanet fordert Modelle zur Entstehung von Planeten heraus.

Astronomen des CARMENES-Konsortiums haben einen neuen Exoplaneten entdeckt, der nach derzeitigem Wissens­stand nicht existieren dürfte. Die Forschungs­gruppe fand einen Gasplaneten, dessen Masse im Vergleich zu seinem Zentralstern GJ 3512 ungewöhnlich groß ist. Die Wissenschaftler folgern, dass der Planet wahrscheinlich durch einen gravitativen Kollaps in einer Scheibe aus Gas und Staub entstand, die sich um den damals noch jungen Zwergstern befand. Das widerspricht dem aktuell weithin akzeptierten Modell der Planeten­entstehung, das für das Aufsammeln des umgebenden Gases einen festen Kern benötigt.

Abb.: Vergleich von GJ 3512 mit unserem Sonnensystem. (Bild: G. Anglada-Escude,...
Abb.: Vergleich von GJ 3512 mit unserem Sonnensystem. (Bild: G. Anglada-Escude, IEEC / Science Wave, using SpaceEngine.org; CC BY 4.0)

Planeten sind ein Nebenprodukt der Entstehung von Sternen. Sie bilden sich in einer Materie­scheibe um ihren jungen Zentralstern. Das vorherr­schende Modell für die Entstehung von Planeten basiert auf der Vorstellung, dass sich zunächst ein Objekt aus festen Teilchen in der Scheibe aufbaut. Die Schwerkraft dieses Planeten­kerns sorgt dafür, dass sich eine Atmosphäre aus dem umgebenden Gas formiert. Der jetzt aufgespürte Gasplanet GJ 3512b, ist dreißig Lichtjahre von unserem Sonnen­system entfernt und hat eine Masse von mindestens der Hälfte des Jupiters. Für einen Umlauf um seinen Zentralstern GJ 3512 benötigt er 204 Tage. Für sich genommen ist GJ 3512b nicht außer­gewöhnlich – wohl aber, dass er sich in einem Orbit um einen roten Zwergstern befindet. Dieser besitzt nur zwölf Prozent der Masse der Sonne, so dass das Massen­verhältnis zwischen dem Stern und dem Planeten höchstens 270 beträgt. Im Vergleich dazu ist die Sonne etwa 1050-mal schwerer als Jupiter. Dieses Detail bereitet den Forschern Kopf­zerbrechen. Die Gas- und Staubscheiben, aus denen sich massearme Sterne wie GJ 3512 bilden, sollten ebenfalls eher wenig Material beinhalten. Zu wenig, wie die Modelle ergeben, um Planeten­kerne entstehen zu lassen, aus denen sich Gasriesen wie GJ 3512b entwickeln können.

„Ein Ausweg bestünde in einer sehr masse­reichen Scheibe, die die benötigten Bausteine in ausreichender Menge besitzt“, erklärt Hubert Klahr, der am MPIA eine Arbeits­gruppe zur Theorie der Planeten­entstehung leitet. Wenn jedoch eine Scheibe aus Gas und Staub, die sich um einen Stern befindet, mehr als ungefähr ein Zehntel der Sternmasse besitzt, reicht die Gravitations­wirkung des Sterns nicht mehr aus, um die Scheibe stabil zu halten. Die Schwerkraft des Scheiben­materials selbst macht sich bemerkbar und beeinflusst ihre Struktur. Ein gravitativer Kollaps des Gases wie bei der Entstehung von Sternen ist die Folge. Solch massereiche Scheiben sind bei jungen Zwergsternen allerdings bislang nicht beobachtet worden.

Noch schwieriger wird die Situation dadurch, dass es Hinweise auf einen zweiten Planeten gibt, der sich in einem weiten Orbit um GJ 3512 befindet. Zusätzlich zu diesen beiden Planeten spricht die stark elliptische Bahn von GJ 3512b sogar dafür, dass er einst von einem dritten Planeten ähnlicher Masse gravitativ beeinflusst wurde. Dieser mutmaß­liche dritte Planet muss dabei jedoch offen­sicht­lich aus dem Planeten­system geschleudert worden sein. Neben GJ 3512b musste die ursprüngliche Scheibe also Material für weitere Planeten bereitstellen. Die dafür erforderliche Scheiben­masse liegt damit klar außerhalb der Grenzen der aktuellen Stern- und Planeten­bildungs­modelle.

Somit folgerten die Forscher, die sich mit der Simulation der Entstehung von Planeten befassen, dass das Modell der Kern-Akkretion nicht in der Lage ist, die Existenz von GJ 3512b zu erklären. Deswegen haben sie untersucht, unter welchen Bedingungen das bislang eher vernach­lässigte Szenario des gravitativen Kollapses innerhalb einer Scheibe aus Gas und Staub um einen jungen Stern zur Bildung eines Planeten wie GJ 3512b führen könnte.

Mit unterschiedlichen Ansätzen kamen sie zu dem Ergebnis, dass GJ 3512b über diesen Prozess hätte entstehen können. Die Bereiche in der Scheibe jenseits von zehn Astrono­mischen Einheiten vom Zentralstern sind mit Temperaturen von etwa zehn Kelvin sehr kalt. Dort vermag der thermische Druck die Gravitations­wirkung des Materials nicht auszu­gleichen, so dass sie unter ihrem Eigengewicht kollabiert. Im Anschluss muss der noch junge Planet über große Distanzen auf seine derzeitige Position gewandert sein, die sich in einer Entfernung von deutlich unter einer Astrono­mischen Einheit vom Zentralstern befindet. Das ist wiederum mit den aktuellen Modellen der Entwicklung von Planeten­systemen verträglich.

GJ 3512b wurde mit dem Spektrographen CARMENES über die Methode der Radial­geschwindig­keiten entdeckt. CARMENES nimmt Spektren im sichtbaren sowie im infraroten Licht auf. „Rote Zwergsterne wie GJ 3512 können sehr aktiv sein und Signale erzeugen, die denen von Planeten ähneln“, erklärt Diana Kossakowski vom MPI für Astronomie, die an der Auswertung der Daten mitwirkte. „Die Infrarot-Spektren waren wichtig, um zu bestätigen, dass wir tatsächlich einen Planeten gefunden haben.“

„Bisher waren die einzigen Planeten, deren Bildung mit Scheiben­instabi­litäten kompatibel waren, eine Handvoll junger, heißer und sehr masse­reicher Planeten in großer Entfernung von ihren Sternen“, gibt Klahr zu bedenken. „Mit GJ 3512b haben wir nun einen außer­gewöhnlichen Kandidaten für einen Planeten, der über die Instabilität einer Scheibe um einen recht massearmen Stern entstanden sein könnte. Dieser Fund veranlasst uns zur Überprüfung unserer Modelle.“

MPIA / RK

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