18.09.2003

Conquest of Abundance. A Tale of Abstraction versus the Richness of Being

Feyerabend

Conquest of Abundance. A Tale of Abstraction versus the Richness of Being

Von P. Feyerabend.
The University of Chicago Press, Chicago 2000. XVIII + 285 S., hardcover
ISBN 0-226-24533-0

Das vorliegende Buch enthält das unvollendete Fragment des letzten von Feyerabend geplanten Werkes sowie eine Reihe von Aufsätzen, die thematisch dazu passen. Feyerabend zeigt anhand von Fällen den historischen Bedingungsrahmen von Wirklichkeitsverständnis und Wahrnehmungsperspektive und die Verengungen und Verarmungen, die mit Abstraktionen einhergehen, wenn diese mit der Welt selbst verwechselt werden. Er führt dies z.B. an Parmenides (Reduktion auf das zeitlose Sein), an Demokrit (Reduktion der Vielfalt auf gleiche Atome) oder an Xenophanes (Reduktion auf einen Gott) aus.

Feyerabend ist es auch gut gelungen, die historischen Änderungen in der Sichtweise der Dinge am Beispiel der Veränderungen in der Kunst der Renaissance (perspektivische Darstellung und Wahrnehmung) aufzuzeigen. Er kritisiert alle Versuche, den Reichtum der Erscheinungswelt zugunsten einer dahinter liegenden, versteckten "Realität" aufzugeben. Der von Feyerabend bereits geplante nächste Teil seines Manuskripts über die moderne Physik ist leider ungeschrieben geblieben, in den abgedruckten Aufsätzen finden wir jedoch ausführlichere Erläuterungen. Dabei wird klar, dass Feyerabend sich positiv auf die Interpretation der Quantentheorie von Niels Bohr bezieht (Kopenhagener Deutung) - das war nicht immer so. Bohr hatte in seinem Begriff des "Phänomens" deutlich zu machen versucht, dass das gesamte Ensemble von Messinstrument und Mikrosystem, von Beobachtungssubjekt und Beobachtungsobjekt das Eigentliche der Quantenwelt zum Ausdruck bringt. Bohr lehnt das Realitätsverständnis Einsteins und anderer ab, die eine hinter diesen Phänomenen liegende wahre (und das heißt für Einstein: klassische) Realität für notwendig erachten. Feyerabend erläutert dies u. a. anhand der Auseinandersetzungen um die EPR-Korrelationen (dabei geht es um die Messung an verschränkten Teilchen eines Systems).

In einer Fußnote notiert Feyerabend seine Überraschung, als ihm aufgefallen war, dass seine Sichtweise in weiten Teilen der des späten Thomas Kuhn gleicht - ohne von dieser genauere Kenntnis zu haben. Feyerabend fragte daraufhin den Kuhn-Experten Paul Hoyningen-Huene, wie diese Übereinstimmung zu erklären sei. Dessen Antwort lautete: "Reasonable people think along the same line" (S. 144). Dass Feyerabend diese Antwort akzeptiert hat, macht ebenso wie das gesamte Buch klar, dass hier kein Vernunftgegner spricht, sondern jemand, der sich gegen die vielen verengenden und dogmatischen Varianten von Rationalität und Vernunft ausspricht.
Dr. Werner Eisner, Hannover


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