06.10.2011

­Marie Curie

B. Goldsmith: ­Marie Curie. Die erste Frau der Wissenschaft. Piper Verlag, München 2010, geb., 256 S., 19,90 €, ISBN 9783492050784

B. Goldsmith

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Es scheint, als würde Marie Curie die Biografen dieser Welt nicht loslassen. Schon zu Lebzeiten stand die polnische Physikerin im Licht der Öffentlichkeit. Sie und ihre Familie trugen selbst kräftig dazu bei, den Mythos der „ersten Frau der Wissenschaft“ lebendig zu erhalten. Die amerikanische Journalistin und Historikerin Barbara Goldsmith hat nun eine weitere Biografie Curies vorgelegt, die von Sonja Hauser ins Deutsche übersetzt wurde.


Wie der Titel der 2005 erschienenen Originalausgabe – „Obsessive Genius: The Inner World of Marie Curie“ – andeutet, interessiert sich die Autorin besonders für das Innenleben Curies, die als Frau im Wissenschaftsbetrieb seit der Jahrhundertwende mit allerlei Konventionen brach und vielen Wissenschaftlerinnen bis heute als Vorbild dient. Goldsmith erzählt ihre Geschichte in 21 flott zu lesenden, kurzen Kapiteln entlang der wohlbekannten Stationen – Maries von Armut gezeichnete Kindheit in ­Polen, ihre Bekanntschaft mit Pierre Curie in Paris, die Entdeckung von Polonium und Radium unter widrigsten Laborbedingungen, die Konkurrenz mit Ernest Rutherford und anderen Radioaktivisten, die Verleihung der Nobelpreise und der Skandal um ihre Affäre mit Paul Langevin bis zur Übernahme des Pariser Labors durch die Tochter Irène. So weit, so konventionell.


Indem Goldsmith Curie als willensstarke, vom Schicksal gebeutelte und durch ihre Männerbeziehungen in Depressionen getriebene Ausnahmewissenschaftlerin darstellt, bleibt sie herrschenden Legenden verhaftet. Abgesehen von vereinzelten sachlichen Ungereimtheiten, blendet sie eine zentrale Aktivität der Laborleiterin Curie fast ganz aus: Die aktive Vernetzung mit Radiumproduzenten im In- und Ausland, um den Nachschub des kostbaren Forschungsmaterials sicherzustellen – ein Umstand, der diese innerhalb der Community manche Sympathie kostete. Wie Curie mit den Anfeindungen ihrer Kollegen umging, bleibt offen.


Der Anhang macht deutlich, wie die unausgewogene Darstellung zustande kommt: Goldsmith stützt sich ungeachtet des stattlichen Literaturverzeichnisses überwiegend auf autobiografische Texte, deren propagandistischen Charakter sie am Ende des Buches sogar selbst zum Thema macht. Sie übernimmt zudem einen Gutteil ihrer Argumente aus der 1999 erschienenen Curie-Biografie von Susan Quinn, die als eine der Ersten mit dem lange gesperrten Privatnachlass Marie Curies arbeitete. Ob die Autorin selbst in Archiven recherchiert hat – wie die Anmerkungen nahe legen – ist zu bezweifeln. Wer kurzweilige Unterhaltung sucht, mag an der Lektüre Gefallen finden. Einen historisch fundierten, innovativen Einblick in die facettenreiche Lebensgeschichte Marie Curies bietet das Buch leider nicht.

Dr. Silke Fengler, Institut für Zeitgeschichte, Wien

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