Philosophie der Physik
Michael Esfeld (Hrsg.): Philosophie der Physik, Suhrkamp, Berlin 2012, 481 S., brosch., 18,00 Euro, ISBN 9783518296332
Michael Esfeld (Hrsg.)
Um es vorwegzunehmen: Dieses Buch ist ein Glücksfall. Es handelt sich um eine gelungene Zusammenstellung aktueller grundlagenorientierter Beiträge zu konzeptionellen, methodologischen und interpretatorischen Fragen der modernen Physik. Behandelt werden diese Fragen aus dem Blickwinkel und im Stil der Wissenschaftsphilosophie. Inhaltlich spannt sich der Bogen vom Relationalismus und Substanzialismus in der Beschreibung der Raumzeit über das Messproblem der Quantenheorie, die Bohmsche Mechanik und Interpretationen der Quanten(feld)-theorie bis hin zu Ansätzen der Quantengravitation und Erkenntnisgrenzen der Kosmologie. Auch der Wandel des Teilchenkonzepts, Kausalitätsvorstellungen, Symmetrieanwendungen und die Grundgedanken des Strukturenrealismus fehlen nicht.
In diesem Band sind sowohl erfahrene Autoren wie Andreas Bartels, Martin Carrier, Brigitte Falkenburg und Manfred Stöckler vertreten als auch Wissenschaftsphilosophen der jüngeren Generation wie Andreas Hüttemann, Meinard Kuhlmann und Holger Lyre. Die Beteiligung von Physikern wie Detlef Dürr und Claus Kiefer trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wechselwirkungen an der Grenzfläche von Physik und Philosophie nicht immer von Philosophen ausgehen.
Die insgesamt zwanzig Texte sind anspruchsvoll, obwohl sie weitgehend ohne Formeln auskommen. Man muss schon einiges wissen, um manche Ausführungen genießen zu können. Wer meint, dass „die Philosophen“ zum Verständnis der modernen Physik im Grunde nichts beizutragen haben, wird hier in fast jedem Kapitel eines Besseren belehrt. Auch wer die Lieblingsthesen des einen oder anderen Autors nicht teilt, wird ihre Darstellung anregend finden. Das Buch vermittelt so ein zutreffendes Bild von der Philosophie der Physik und bietet ein solides Hintergrundwissen für Fachdebatten, wie sie beispielsweise im Rahmen der AG Philosophie der Physik der DPG oder bei der neu gegründeten Gesellschaft für Wissenschaftsphilosophie GWP geführt werden.
Der Band ist mit Gesamtliteraturverzeichnis, Glossar, Namens- und Sachverzeichnis ausgestattet und ordentlich ediert. Fazit: Wer ernsthaft wissen will, worüber die deutschsprachigen Philosophen der Physik gegenwärtig nachdenken, der sollte dieses Buch studieren.
Dipl.-Phys. Helmut Fink, Institut für Theoretische Physik I, Universität Erlangen-Nürnberg