Quantum Gravity
Kiefer
In diesem Buch wird erstmals der Versuch unternommen, das in Jahrzehnten angehäufte Wissen zum Thema Quantengravitation übersichtlich darzustellen. Keine leichte Aufgabe, denn eine allgemein akzeptierte oder gar experimentell abgesicherte Theorie der Quantengravitation scheint noch in weiter Ferne, keine Einigkeit herrscht auch über den richtigen Weg zu diesem heiligen Gral der theoretischen Physik.
Die erste Frage lautet denn auch: Warum überhaupt Quantengravitation? Schließlich haben sich die beiden Säulen der modernen Physik - die Quantentheorie im Mikrokosmos und Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie im Makrokosmos - als sehr tragfähig und belastbar erwiesen. Deshalb beginnt das Buch mit einer thematischen Übersicht, welche den Leser von der zumindest begrifflichen Notwendigkeit einer neuen, vereinigten Theorie überzeugen soll. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der kovarianten Quantisierung, dem aus Sicht des mit Feynman-Graphen vertrauten Quantenfeldtheoretikers "natürlichen" Zugang. Der Begriff des "Gravitons" und der störungstheoretische Ansatz der Quantengravitation ergeben sich hier aus der quantenmechanischen Behandlung der Gravitationswellen in völliger Analogie zur Quantenelektrodynamik. Der entscheidende Unterschied liegt in der Nichtrenormierbarkeit von Einsteins Theorie. Diese bildet nach wie vor das Haupthindernis auf dem Weg zu einer allen Konsistenzforderungen genügenden Theorie. Hier kann nur die Superstringtheorie Erfolge für sich reklamieren - einer der Gründe, warum sie weithin als der meistversprechende Ansatz gilt.
Den Schwerpunkt des Buches bilden die Kapitel, die sich dem Hamiltonschen Zugang widmen und die zwei Hauptansätze "Quantengeometrodynamik" und "Schleifen-Quantengravitation" ausführlich diskutieren. Ersterer führt auf die sog. Wheeler-DeWitt-Gleichung, gewissermaßen die "Schrödinger-Gleichung der Quantengravitation". Auch wenn diese Gleichung in ihrer allgemeinsten Form bis jetzt allen Versuchen einer mathematischen Behandlung widerstanden hat, lassen sich dennoch einige Folgerungen ableiten, die zu beobachtbaren Effekten führen könnten. Dazu gehören die hier diskutierten semiklassischen Effekte sowie dimensionsreduzierte Modelle der Quantenkosmologie, denen ein weiteres Kapitel gewidmet ist.
Einen völlig anderen Ausgangspunkt nimmt die Schleifen-Quantengravitation. Sie ist der Yang-Mills-Theorie in vielem ähnlicher als die konventionelle Quantengeometrodynamik. Dem Gewinn an mathematischer Präzision stehen jedoch bis heute ungelöste Schwierigkeiten gegenüber, welche dieser Ansatz u. a. mit dem klassischen Limes hat. Hier gelingt es dem Autor, die wesentlichen Aspekte der Theorie auf relativ wenigen Seiten klar und durchsichtig zu erklären.
Nicht fehlen darf in einem Buch über Quantengravitation ein Kapitel zur Entropie von Schwarzen Löchern und der Hawking-Strahlung, dem wichtigsten semiklassischen Effekt in der Physik von Schwarzen Löchern. Dieser bildet nach Ansicht zahlreicher Experten einen (oder gar den) Schlüssel zum Verständnis der Quantengravitation. Auch hier sind die bekannten Resultate übersichtlich und gut verständlich dargestellt.
Nach einem wohl mehr als Übersicht gedachten, kurz gehaltenen Exkurs in die (Super-)Stringtheorie wendet sich das Buch zum Schluss den schwierigen Interpretationsproblemen der Quantengravitation und -kosmologie zu. Hier geht es u. a. um die Frage, ob und wie sich überhaupt die Emergenz einer klassischen Welt aus einer allumfassenden "Wellenfunktion des Universums" verstehen lässt.
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Es eignet sich für Experten, welche sich einen Überblick über den Stand der Kunst verschaffen möchten, ebenso wie als Einführung für Anfänger, die einen Einstieg in das wohl spannendste Thema der gegenwärtigen theoretischen Physik suchen.
Prof. Dr. Hermann Nicolai, MPI für Gravitationsphysik, Albert-Einstein-Institut, Golm
Weitere Infos:
C. Kiefer: Quantum Gravity
Clarendon Press 2004. 318 S., Geb.,
ISBN 0198506872
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