07.10.2015

Werner Heisenberg – ein Wanderer zwischen zwei Welten

E. P. Fischer: Werner Heisenberg – ein Wanderer zwischen zwei Welten, Springer Spektrum, 2015, 374 S., broschiert, 19,99 €, ISBN 9783662434413

E. P. Fischer

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Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer legt eine Heisenberg-Biografie vor, herausgegeben von der 2012 gegründeten Heisenberg-Gesellschaft. Fischer beginnt die Erzählung etwas eigenwillig mit der Geschichte der komplexen Zahlen, denn „das Sein, das Menschen kennen, [wird] nämlich von Zahlen bestimmt, die nicht dazugehören“ (S. 7). Fischer versteht unter „Zahlen, die nicht dazugehören“, komplexe Zahlen – misst man doch physikalische Größen mit reellen Zahlen. Diese Diskussion, die Fischer an den Anfang stellt, findet ihre Auflösung erst auf S. 159: „[H]ier steckt die eigentliche Sensation – bringt diese grundlegende Gleichung [d. h. die Unschärferelation] die imaginären Zahlen und ihre besondere Dimension ins Spiel“.

Im Anschluss an diese Art von Zahlenontologie am Anfang des Buches führt das zweite Kapitel nach Helgoland. In blumigen Worten schildert Fischer Heisenbergs Erlebnis auf dieser Insel. Spätestens hier merkt der Leser, dass Fischer zu den großen Bewunderern Heisenbergs zählt. In der folgenden Beschreibung der Geschichte der Quantenmechanik rückt der Autor Heisenbergs Genialität und kreativen Geist in den Vordergrund, und kein Superlativ scheint hierfür zu schade. Die Zeit der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges nimmt den zweiten großen Teil der Erzählung ein. Fischer betont hier entschieden, dass die deutschen Physiker damals nicht in der Lage waren, eine Atombombe zu bauen. Das hätten Briten und Amerikaner bereits 1942 gewusst, dennoch hielten die USA am Bau der Atombombe fest.

Das Buch schließt mit einem Kapitel, das einige allgemeinverständliche Schriften bespricht, die in Heisenbergs Buch „Schritte über Grenzen“ (1971) gesammelt sind. Fischer charakterisiert Heisenberg als Wanderer zwischen den Welten der Abstraktion und Anschaulichkeit, zwischen theoretischer Physik und romantischem Naturerleben, als Künstler und Wissenschaftler und als „Kerl“, der das Piano ebenso beherrscht wie das mathematische Kalkül.

Neben dieser interessanten „komplementären“ Darstellung von Heisenbergs Wesen enthält das Buch jedoch Meinungen des Autors (inklusive der eingangs erwähnten Zahlenontologie), die ein gewisses Stirnrunzeln verur­sachen. So wird schon im Vorwort, das Fischer „Vorsatz“ nennt, gegen Philosophen und Kulturwissenschaftler zu Felde gezogen. Diese verstünden Heisenberg nicht, ja der „Wahrheitsgehalt von Heisenbergs geliebter Physik [wird] bestenfalls als zweitrangig und insgesamt als minderwertig“ angesehen. Auch einer aus Fischers Sicht notwendigen Erweiterung von Kant aufgrund der neuen Erkenntnisse der modernen Physik widmet er einen eigenen Abschnitt mit dem Titel „Das Schweigen der Philosophen“ – ohne Arbeiten wie die von Reichenbach, Schlick und Cassirer zu erwähnen. Exemplarisch dafür, dass die Philosophen Heisenberg missachten, wird Heidegger mehrfach aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Dass Heisenberg sich mit diesem Philosophen ausgetauscht hat, etwa 1935 auf Hei­deggers Hütte im Schwarzwald und 1953 vor der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, erfährt der Leser nicht.

Diese Lücken und die eigenwilligen Ansichten des Autors stören die Lektüre des ansonsten flüssig zu lesenden Buches, das einige schöne Fotografien enthält.

Dr. Matthias Hahn, Karlsruhe

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