Vor 25 Jahren, am 19. Juli 1994, schlossen das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Max-Planck-Gesellschaft den Rahmenvertrag zur Errichtung des IPP-Teilinstitutes in Greifswald. Hier, mehr als 800 Kilometer vom Stamminstitut im bayerischen Garching entfernt, gründete das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik im Zuge des „Forschungsaufbaus Ost“ einen zweiten Standort. Dort sollte die bereits ab den 1980er-Jahren geplante Forschungsanlage Wendelstein 7-X entstehen, die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator.
Mit unterschiedlichen Anlagen verfolgt man an beiden IPP-Standorten das gleiche Ziel: ein Kraftwerk, das – ähnlich wie die Sonne – Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnt. Brennstoff ist ein ionisiertes Wasserstoffgas, ein „Plasma“. Zum Zünden des Fusionsfeuers muss es in Magnetfeldern nahezu berührungsfrei eingeschlossen und auf hohe Temperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Dabei erarbeitet die Forschungsanlage ASDEX Upgrade in Garching die Grundlagen für ein Fusionskraftwerk vom Typ Tokamak; Wendelstein 7-X in Greifswald soll die Kraftwerkstauglichkeit der Stellaratoren zeigen.
Die damalige Kultusministerin Mecklenburg-Vorpommerns Steffie Schnoor betonte 1994 anlässlich der Vertragsunterzeichnung: „Dieses junge Bundesland wird mit dem Rahmenvertrag, den wir heute hier unterzeichnen, in den europäischen Forschungsverbund eingebunden und der Forschungsstandort Mecklenburg-Vorpommern wird nachhaltig gestärkt. Nicht zuletzt wird hier und heute auch ein Stück Deutsche Einheit vollzogen.“ Ähnlich sah es der damalige Bundesforschungsminister Dr. Paul Krüger: „Die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West, also auch im Bereich von Forschung und Technologie, ist und bleibt eine vorrangige Aufgabe.“ Mit dem Stellarator-Projekt entstünde in Greifswald eine Stätte europäischer Forschung.
Zwei Jahre später bestätigte die Europäischen Union, 45 Prozent der Investitionskosten zu übernehmen, und die ersten Aufträge konnten europaweit ausgeschrieben werden. Im Jahr 2000 zog man aus gemieteten Büroräumen in den Institutsneubau in der Wendelsteinstraße um. Parallel zur industriellen Fertigung der Bauteile startete 2005 der Zusammenbau des Großexperiments. Nach zehn Jahren und weit über einer Million Montagestunden war der Aufbau von Wendelstein 7-X abgeschlossen. Daran hatten sich zahlreiche Forschungseinrichtungen im In- und Ausland beteiligt. Die von Bund, Land und EU bis heute getragenen Investitionskosten zur Errichtung von Wendelstein 7-X belaufen sich auf netto rund 400 Millionen Euro. Aufträge im Wert etwa 100 Millionen gingen dabei an Unternehmen im Land Mecklenburg-Vorpommern.
2015 erzeugte Wendelstein 7-X das erste Helium-Plasma, 2016 startete mit dem ersten Wasserstoff-Plasma der wissenschaftliche Experimentierbetrieb. Schon ein Jahr später erzielte Wendelstein 7-X den Stellarator-Weltrekord für das Fusionsprodukt. Die gegenwärtig für etwa zwei Jahre laufende Aufrüstung der Anlage soll statt der bislang erreichten zehn bis hundert Sekunden bis zu dreißig Minuten andauernde Plasmen möglich machen. Damit wird überprüfbar, ob Wendelstein 7-X ein heißes Wasserstoff-Plasma auch dauerhaft aufrechterhalten kann. Ziel ist es, das große Plus der Stellaratoren zu demonstrieren, die Möglichkeit des Dauerbetriebs.
„Die Hoffnungen des damaligen IPP-Direktor Professor Klaus Pinkau, der die Gründung des neuen Standorts in Greifswald maßgeblich befördert hatte, haben sich erfüllt. Der wissenschaftliche Erfolg hat sich voll und ganz eingestellt“, meint Projektleiter Professor Thomas Klinger: „Wendelstein 7-X ging als nationales und europäisches Projekt an den Start. Inzwischen hat die Anlage internationale Aufmerksamkeit und Kooperationspartner in aller Welt gefunden“. Zum Wendelstein-Team gehören über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, davon etwa die Hälfte aus den Laboratorien des Europäischen Fusionsforschungsprogramms, aus den USA, Japan und Australien.
IPP / LK
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