23.05.2024

Freiheit und Verpflichtung

Das deutsche Grundgesetz wird 75 Jahre alt. Es ist auch von grundlegender Bedeutung für die Wissenschaft.

Alexander Pawlak

Am 23. Mai 1949 verkündete der Parlamentarische Rat unter seinem Präsidenten Konrad Adenauer das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in einer feierlichen Sitzung in Bonn. Acht Monate war am Gesetz gearbeitet worden, dessen Verabschiedung die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland markiert. Seit dem 3. Oktober 1990 gilt das Grundgesetz für das wiedervereinigte Deutschland.

Das 75-jährige Jubiläum ist Anlass für einen Festakt und ein großes Demokratiefest, das die Bundesregierung gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zwischen Reichstag und Kanzleramt vom 24. bis zum 26. Mai feiern möchte. Bundesweit finden zahlreiche weitere Veranstaltungen statt. Das diesjährige Wissenschaftsjahr ist passend dem Thema „Freiheit“ gewidmet.

Konrad Adenauer, Präsident des Parlamentarischen Rates (Mitte), verkündet am...
Konrad Adenauer, Präsident des Parlamentarischen Rates (Mitte), verkündet am 23. Mai 1949 in Bonn das Grundgesetz. Links von ihm stehen Helene Weber und Hermann Schäfer, rechts Adolf Schönfelder und Jean Stock.
Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-D00022155 / Munker, Georg

„Nach den unendlich leidvollen Erfahrungen des Nationalsozialismus bietet das Grundgesetz der Bundesrepublik seit nunmehr 75 Jahren einen verlässlichen Rahmen, der Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit garantiert. Zugleich gewährleisten Grundrechte, dass sich Wissenschaft hierzulande frei entfalten kann“, erklärte der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Lambert T. Koch, zum bevorstehenden Verfassungstag.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erließ der Alliierte Kontrollrat die sogenannten Kontrollratsgesetze, welche in den Jahren 1945 bis 1948 die Besatzungsrechte der vier Siegermächte regelten. Das Ende April erlassene Kontrollratsgesetz Nr. 25 diente der „Regelung und Überwachung der naturwissenschaftlichen Forschung“. Aufgrund des Missbrauchs der Forschung im Dritten Reich unterlag diese nicht zuletzt im Hinblick auf militärische Anwendungsmöglichkeiten weitreichenden Beschränkungen. Zur verbotenen angewandten naturwissenschaftlichen Forschung zählten unter anderem angewandte Kernphysik, Aerodynamik und Hydrodynamik. Mit der staatlichen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesrepublik am 5. Mai 1955 wurden diese Verbote außer Wirkung gesetzt.

Das Grundgesetz räumt über Artikel 5 Absatz 3 das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit ein, das es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, selbstbestimmt zu lehren und zu forschen. Was wissenschaftlich trägt und überzeugt, beurteilt ausschließlich die Scientific Community entlang methodisch-fachlicher Maßstäbe.

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„Gerade deshalb sollten wir uns an diesem Jubiläum bewusst machen, dass Wissenschaftsfreiheit alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist – im Gegenteil. Laut aktuellem ‚Academic Freedom Index‘ lebt derzeit nur noch jede dritte Person in einem Land, in dem die Wissenschaftsfreiheit gut bis sehr gut geschützt ist“, betont Lambert T. Koch.

Das gestörte Verhältnis zu Wissenschaft und Faktentreue unter der Regierung von US-Präsident Donald Trump zeigt, dass die Wissenschaftsfreiheit auch in westlichen Demokratien gefährdet sein kann. Dies führte zu weltweiten Demonstrationen für die Wissenschaft („March of Science“), auch in Deutschland.

In diesem Zusammenhang ist es auch bedenklich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermehrt Anfeindungen ausgesetzt sind, insbesondere im Nachgang der Corona-Pandemie. Das belegt eine erste bundesweite repräsentative Studie, die am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung unter insgesamt 2600 Wissenschaftler:innen durchgeführt wurde.

Dass sich die DPG und ihre Mitglieder satzungsgemäß verpflichten, „für Freiheit, Toleranz, Wahrhaftigkeit und Würde in der Wissenschaft einzutreten“, spiegelt die enge Verwobenheit von Wissenschaftsfreiheit und dem Eintreten für die Werte des Grundgesetzes wider. Dazu gehören nicht zuletzt auch die Bemühungen um die Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Zusammen mit anderen naturwissenschaftlich-mathematischen Fachgesellschaften wehrte sich die DPG im Februar mit einer Erklärung gegen nationalistische und antidemokratische Bestrebungen aller Art. Sie setzten damit ein Signal für Forschungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Weltoffenheit und internationale Zusammenarbeit. Diese Punkte seien Voraussetzungen für das wissenschaftliche, wirtschaftliche und soziale Wohlergehen unseres Landes.

Aufeinander bezogen und miteinander verwoben, leben Demokratie und eine freiheitliche Wissenschaft von konstruktivem Streit und der Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Wenn die Debattenkultur zusehends verroht und an die Stelle argumentativer Auseinandersetzungen Verunglimpfung, Hetze oder gar Gewalt treten, ist dies wichtiger denn je.

„Gerade Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer tragen zur Demokratiebildung maßgeblich bei, indem sie ihre Studierenden zum eigenständigen Denken motivieren und ihnen dabei einen gleichermaßen respektvollen wie kritischen Umgang mit konträren Positionen vorleben und vermitteln. Seit 75 Jahren ist dies ein Auftrag, dem wir uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verpflichtet fühlen", betont DHV-Präsident Lambert T. Koch angesichts aktueller Herausforderungen

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