Adhäsion mit UV-Licht schalten
Kompositmaterial legt Grundlage für schaltbare Haftgreifer für Roboter.
Mit zahlreichen bionischen Ansätzen versuchen Wissenschaftler, die Hafteigenschaften von Geckofüßen mit mikrostrukturierten Materialien nachzuahmen. Eine interdiziplinäre Forschergruppe an der Universität Kiel kam den Ziel, die Hafteigenschaften kontrolliert zu steuern, nun sehr nah. Sie entwickelten ein Kompositmaterial, dessen Adhäsionskräfte sich mit ultravioletten Lichtpulsen signifikant verringern ließ. Dieses Material hat ein großes Potenzial, beispielsweise in vielseitigen Laborrobotern eingesetzt zu werden.
Abb.: Neues mikrostrukturiertes Haftmaterial, dessen Haftkräfte sich über UV-Lichtpulse kontrollieren lassen. (Bild: E. Kizilkan et al., Univ. Kiel)
„Wir kombinierten zwei intelligente Materialien in unserem Prototyp“, sagt Emre Kizilkan vom Zoologischen Institut der Universität Kiel. Gemeinsam mit seinen Kollegen verknüpfte er einen Silikon-Kunststoff mit einem lichtaktiven flüssig-kristallinen Elastomer. Der damit gefertigte Prototyp eines Haftgreifers bestand aus drei Schichten: Aus dem Silikon-Kunststoff Polydimethylsiloxan (PDMS) fertigten sie eine etwa 100 Mikrometer dünne Schicht, die auf einer Seite zahlreiche kleine, konisch geformte Säulen aufwies.
Diese Säulen standen auf einer etwa 35 Mikrometer durchmessenden Basis, zur Spitze nahm der Durchmesser auf 45 Mikrometer zu. Auf der Rückseite dieser mikrostrurierten, 100 µm dicken Schicht deponierten sie eine Lage aus einem lichtaktiven Material mit der organischen Verbindung Azobenzol als wichtigstem Bestandteil. Auf dieses Sandwich folgte eine weitere schützende Lage aus Polydimethylsiloxan.
Mit den filigranen Silikonsäulen haftete dieses Kompositmaterial auf glatten Flächen und dreidimensionalen Objekten mit gewölbten Oberflächen. Sowohl auf Glas als auch auf Kunststoff hafteten die Silikon-Säulen auf etwa der Hälfte der kompletten Kontaktfläche. Über Adhäsionskräfte von knapp einem Millinewton konnten diese Objekte angehoben werden. Mit ultraviolettem Licht (320 – 380 Nanometer Wellenlänge) bestrahlt, verformte sich die mittlere Schicht aus dem Azobenzol-haltigen, flüssig-kristallinen Elastomer. Dadurch krümmte sich auch die Silikonschicht. Dabei lösten sich die Silikonsäulen etwas ab, die Adhäsionskräfte gingen drastisch auf etwa ein Drittel zurück und das zuvor anhaftende Objekt löste sich wieder.
Abb.: Haftmaterial nach dem Vorbild von Geckofüßen: Die Grafik zeigt den Schalteffekt mit UV-Licht. (Bild: J. Strueben, E. Kizilkan et al., Univ. Kiel)
Ohne UV-Licht nahm das Material schnell wieder seine ursprüngliche Form an. Versuche mit ersten Testgreifern verliefen erfolgreich. Kizilkan und Kollegen konnten so etwa kleine Glaskügelchen, Deckgläser für Mikroskopproben und sogar kleine Pipetten aus Plastik aufnehmen, transportieren und auf Wunsch wieder absetzen. Bei diesen Vorgängen reagierte das Material relativ schnell innerhalb weniger Sekunden.
Auch andere Forschergruppen konzipierten bereits schaltbare Haftmaterialien nach Vorbild der fein strukturierten Geckofüße. Doch für dessen Kontrolle mussten sie abwechselnd erhitzt und gekühlt werden oder verlangten nach einer komplexen elektronischen Steuerung. Die Kieler Entwicklung lässt sich mit UV-Licht einfache, schnellerr und zuverlässiger kontrollieren und besteht zudem auf gut verfügbaren und relativ günstigen Substanzen. So könnten bald schaltbare Haftgreifer entwickelt werden, mit denen beispielsweise Laborautomaten oder auch größere Roboter ausgestattet werden könnten.
Jan Oliver Löfken
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