19.01.2017

Adhäsion mit UV-Licht schalten

Kompositmaterial legt Grundlage für schaltbare Haftgreifer für Roboter.

Mit zahlreichen bionischen Ansätzen versuchen Wissen­schaftler, die Haft­eigenschaf­ten von Gecko­füßen mit mikro­strukturierten Materialien nachzuahmen. Eine inter­diziplinäre Forscher­gruppe an der Univer­sität Kiel kam den Ziel, die Hafteigen­schaften kontrol­liert zu steuern, nun sehr nah. Sie entwickelten ein Komposit­material, dessen Adhäsions­kräfte sich mit ultra­violetten Licht­pulsen signi­fikant verringern ließ. Dieses Material hat ein großes Potenzial, beispiels­weise in viel­seitigen Labor­robotern eingesetzt zu werden.

Abb.: Neues mikrostrukturiertes Haftmaterial, dessen Haftkräfte sich über UV-Lichtpulse kontrollieren lassen. (Bild: E. Kizilkan et al., Univ. Kiel)

„Wir kombi­nierten zwei intel­ligente Materia­lien in unserem Prototyp“, sagt Emre Kizilkan vom Zoolo­gischen Institut der Univer­sität Kiel. Gemeinsam mit seinen Kollegen verknüpfte er einen Silikon-Kunst­stoff mit einem licht­aktiven flüssig-kristal­linen Elas­tomer. Der damit gefertigte Proto­typ eines Haft­greifers bestand aus drei Schichten: Aus dem Silikon-Kunst­stoff Poly­dimethyl­siloxan (PDMS) fertigten sie eine etwa 100 Mikrometer dünne Schicht, die auf einer Seite zahl­reiche kleine, konisch geformte Säulen aufwies.

Diese Säulen standen auf einer etwa 35 Mikrometer durch­messenden Basis, zur Spitze nahm der Durch­messer auf 45 Mikro­meter zu. Auf der Rückseite dieser mikro­strurierten, 100 µm dicken Schicht depo­nierten sie eine Lage aus einem licht­aktiven Material mit der orga­nischen Verbindung Azo­benzol als wich­tigstem Bestand­teil. Auf dieses Sandwich folgte eine weitere schützende Lage aus Poly­dimethyl­siloxan.

Mit den fili­granen Silikon­säulen haftete dieses Komposit­material auf glatten Flächen und dreidimen­sionalen Objekten mit gewölbten Ober­flächen. Sowohl auf Glas als auch auf Kunststoff hafteten die Silikon-Säulen auf etwa der Hälfte der kompletten Kontakt­fläche. Über Adhäsions­kräfte von knapp einem Milli­newton konnten diese Objekte angehoben werden. Mit ultra­violettem Licht (320 – 380 Nanometer Wellen­länge) bestrahlt, verformte sich die mittlere Schicht aus dem Azo­benzol-haltigen, flüssig-kristal­linen Elastomer. Dadurch krümmte sich auch die Silikon­schicht. Dabei lösten sich die Silikon­säulen etwas ab, die Adhäsions­kräfte gingen drastisch auf etwa ein Drittel zurück und das zuvor anhaftende Objekt löste sich wieder.

Abb.: Haftmaterial nach dem Vorbild von Geckofüßen: Die Grafik zeigt den Schalteffekt mit UV-Licht. (Bild: J. Strueben, E. Kizilkan et al., Univ. Kiel)

Ohne UV-Licht nahm das Material schnell wieder seine ursprüng­liche Form an. Versuche mit ersten Test­greifern verliefen erfolg­reich. Kizilkan und Kollegen konnten so etwa kleine Glas­kügelchen, Deckgläser für Mikroskop­proben und sogar kleine Pipetten aus Plastik aufnehmen, trans­portieren und auf Wunsch wieder absetzen. Bei diesen Vorgängen reagierte das Material relativ schnell innerhalb weniger Sekunden.

Auch andere Forscher­gruppen konzi­pierten bereits schaltbare Haft­materialien nach Vorbild der fein struk­turierten Geckofüße. Doch für dessen Kontrolle mussten sie abwechselnd erhitzt und gekühlt werden oder verlangten nach einer komplexen elek­tronischen Steuerung. Die Kieler Entwicklung lässt sich mit UV-Licht einfache, schnellerr und zuver­lässiger kontrol­lieren und besteht zudem auf gut verfüg­baren und relativ günstigen Substanzen. So könnten bald schalt­bare Haft­greifer entwickelt werden, mit denen beispiels­weise Labor­automaten oder auch größere Roboter ausge­stattet werden könnten.

Jan Oliver Löfken

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