24.01.2012

Aerosole oder Artefakte?

Hat der Sonnenfleckenzyklus einen Einfluss auf das Klima? Zwei Forscher betrachten These und Antithese im neuen Licht.

Während eines meist elf Jahre dauernden Sonnenfleckenzyklus verändert die Sonne ihre Aktivität und dabei auch ihre mittlere Temperatur. Die Aktivitätsmaxima und –minima können von Zyklus zu Zyklus jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein. Wie stark beeinflussen Schwankungen der Sonnenaktivität das Klima auf unserer Erde? Diese Frage ist einer der Angelpunkte für eine kontroverse Diskussion zwischen Wissenschaftlern.

Abb.: Sonne mit Sonnenflecken. (Bild: H. Bernhard, gemeinfrei)


Auf der einen Seite steht Werner Weber. Der theoretische Physiker von der TU Dortmund hat langjährige Daten zur Sonneneinstrahlung ausgewertet und vermutet nun, dass die Sonnenaktivität die Aerosolbildung in der Atmosphäre und damit die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche beeinflusst. Die Trends, die der Forscher in früheren Solardaten des Smithsonian Astrophysical Observatory (SAO) fand – und insbesondere das vermutete Ausmaß des Einflusses der schwankenden Sonnenaktivität auf unser Klima –, können aber auch anders interpretiert werden. Andererseits hält Georg Feulner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) vulkanische Emissionen und lokale Aerosole für die Hauptursache der Effekte. Ein weiterer Anstieg der Temperaturen sei zu erwarten, eine Stagnation hält er für ausgeschlossen.

Satellitenmessungen am oberen Rand der Atmosphäre messen die Sonneneinstrahlung seit den 1970er Jahren, also bereits über mehrere Sonnenfleckenzyklen hinweg. Die Daten zeigen, dass sich die Einstrahlung der Sonne dort oben nur im Promille-Bereich ändert. Weber vermutet aber einen zusätzlichen indirekten Effekt durch Aerosolbildung. Diese habe einen deutlich stärkeren Einfluss auf die, Sonnenstrahlung, die auf der Erde ankommt.

Die Magnetfelder der Sonne lenken die Protonen und Alpha-Teilchen der kosmischen Strahlung ab und schirmen die Erde teilweise ab. Aber auch die solaren Magnetfelder schwanken im Zuge der Sonnenzyklen. In Phasen geringer Aktivität sind die Magnetfelder schwächer, sodass mehr kosmische Strahlen die Erde erreichen. Mehr kosmische Strahlung kann mehr Moleküle in der Atmosphäre ionisieren. Atmosphärische Ionen wirken als Kondensationskeime, sie scharen Wassermoleküle um sich, bis eine regelrechte Wasserhülle entsteht.

Hier setzt nun Webers Theorie ein: Er geht davon aus, dass diese Ionen in ihrer Wasserhülle in der Atmosphäre wesentlich länger stabil bleiben als bisher angenommen. Treffen sie aufeinander, vereinigen sie sich zu insgesamt neutralen Wassertröpfchen, die aber positiv und negativ geladene Ionen enthalten, deren Ladungen sich nicht gegenseitig auslöschen. Als Aerosole bleiben die Ionen so über lange Zeit in der Atmosphäre – und streuen und absorbieren einfallendes Sonnenlicht. Dadurch erreicht während Phasen schwacher Sonnenaktivität deutlich weniger Sonnenlicht die Erdoberfläche als während der solaren Maxima.

Eine Auswertung von Daten des Smithsonian Astrophysikalischen Observatoriums in Washington D.C. und des hawaiianischen Mauna Loa Observatoriums zur Sonneneinstrahlung der vergangenen 100 Jahre ließ Weber darauf schließen, dass das Ausmaß dieses Aerosol-bedingten Effekts bei circa einem Prozent liege. Damit wäre es etwa zehnmal so hoch wie die Änderung der direkten Sonnenabstrahlung.

Dementsprechend sei auch der Einfluss der Sonnenaktivitätsschwankungen auf unser Klima höher als zuvor angenommen: Da der letzte und der derzeitige Sonnenzyklus von einer vergleichsweisen geringen Sonnenaktivität geprägt waren, kann man nach diesem Modell annehmen, dass die globale Erwärmung in den kommenden Jahren stagnieren wird.

Feulner speiste die gleichen Daten zur solaren Einstrahlung in ein auf dem Energiehaushalt der Erdoberfläche basierendes Klimamodell ein, das u.a. auch die Treibhausgaskonzentration und den kühlenden Effekt von Schwefelsäuretröpfchen aus Vulkanausbrüchen berücksichtigt. Dann verglich er die berechneten Temperaturen mit solchen, die beispielsweise aus Eisbohrkernen und Baumringen des letzten Jahrtausends abgeschätzt wurden. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen der Sonnenaktivität auf das Klima relativ gering seien. Er erläutert, dass die von Weber berechnete Sonnenstrahlungs-Differenz von einem Prozent zwischen solaren Minima und Maxima zu wesentlich höheren Temperaturschwankungen hätte führen müssen, als real gemessen. Die Modellrechnungen sprächen dafür, dass die beobachteten Sonnenzyklus-bedingten globalen Temperaturvariationen fast ausschließlich durch Änderungen der Strahlung auf die Oberfläche der Atmosphäre erklärt werden könnten.

K. Mädefessel-Herrmann / PH

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