Atomare Wechselwirkung nach Wunsch
Zeit- und ortsabhängig Kräfte zwischen Atomen durch optische Feshbach-Resonanzen.
Ob ultrakalte Atome in einer optischen Falle einander anziehen oder abstoßen und wie stark die dabei auftretenden Kräfte sind, kann man mit magnetischen Feshbach-Resonanzen regulieren. Mit optischen Feshbach-Resonanzen haben Forscher in Chicago diese Kräfte zeit- und ortsabhängig gemacht und damit die experimentellen Möglichkeiten erheblich erweitert.
Eine Feshbach-Resonanz tritt auf, wenn der „Streuzustand“ von zwei ungebundenen Atomen, die miteinander kollidieren, nahezu dieselbe Energie hat wie das aus den Atomen gebildete Molekül. Besitzen der Streu- und der Molekülzustand unterschiedliche magnetische Momente, so lässt sich ihre Energiedifferenz mit einem Magnetfeld variieren. In der Nähe der Resonanz mischen die beiden Zustände stark, sodass sich die Stärke und das Vorzeichen der Kraft zwischen den kollidieren Atomen durch das Magnetfeld regulieren lassen.
Abb.: Die Energien der Atome und der Moleküle sind im Zentrum des Laserstrahls nahezu entartet, sodass es hier zu einer Feshbach-Resonanz kommt und zwischen den Atomen besonders starke anziehende- oder abstoßende Kräfte wirken. (Bild: L. W. Clark et al., APS)
Auf diese Weise hatte man zum Beispiel durch Veränderung der Kräfte zwischen fermionischen Atomen den Übergang von einem Supraleiter aus locker gebundenen atomaren Cooper-Paaren zu einer Supraflüssigkeit aus bosonischen Molekülen experimentell verwirklicht. Die Kräfte konnten dabei allerdings nur langsam verändert werden und waren auch nicht ortsabhängig.
Doch mit optischen Feshbach-Resonanzen haben Cheng Chin und seine Mitarbeiter von der University of Chicago jetzt die zwischen ultrakalten Cäsiumatomen wirkenden Kräfte zeit- und ortsabhängig gemacht. Sie konnten die Kräfte innerhalb von 10 ns verändern und im Innern eines 20 μm großen Bereichs anziehend wirken lassen, während sich die Atome außerhalb des Bereichs abstießen.
Die Forscher nutzten dabei aus, dass die Energiedifferenz der Streu- und Molekülzustände nicht nur von der Stärke des Magnetfelds abhängig war, in dem sich die Atome befanden, sondern auch von der Intensität des Laserlichts, mit dem diese bestrahlt wurden. So konnte auch Laserlicht eine Feshbach-Resonanz hervorrufen. Dabei trat jedoch zunächst ein Problem auf. Da die Energie der Atome normalerweise von der Lichtintensität abhing, waren sie optisch polarisierbar und verspürten in einem inhomogenen Lichtfeld eine Kraft. Sie setzte die Atome in unerwünschte Bewegung und beeinträchtigte die optische Dipolfalle.
Chin und seine Kollegen haben dieses Problem gelöst, indem sie die Atome mit Laserlicht einer „magischen“ Wellenlänge von 869,7 nm bestrahlten, bei der die Atome nicht polarisierbar waren und ihre Energie von der Lichtintensität unbeeinflusst blieb. Die Energie der Moleküle hing jedoch von der Lichtintensität ab, sodass sich mit hinreichend intensivem Laserlicht weiterhin eine Feshbach-Resonanz hervorriefen ließ. Da intensives Laserlicht die Atome jedoch zu stark erwärmt hätte, erreichten die Forscher eine Feshbach-Resonanz, indem sie ein starkes Magnetfeld mit einem schwachen „magischen“ Laserstrahl kombinierten.
Eine Orts- und Zeitabhängigkeit der Laserstrahlintensität hatte zur Folge, dass die Atome an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten mehr oder weniger stark dem Einfluss der Feshbach-Resonanz ausgesetzt waren. Deshalb wirkten zwischen den Atomen orts- und zeitabhängige Kräfte. Die Forscher demonstrierten dies an einem Bose-Einstein-Kondensat aus 12.000 Cäsiumatomen in einer optischen Dipolfalle. Auf die Kondensatwolke richteten sie einen Laserstrahl mit magischer Wellenlänge.
Erhöhten sie die Intensität des Strahls stetig, so verringerte sich die abstoßende Kraft zwischen den Atomen und die Kondensatwolke schrumpfte. Da die Intensität des Strahls zum Rand hin abfiel, stießen die Atome am Rand des Kondensats einander stärker ab als in der Mitte. Mit der richtigen Magnetfeldstärke und Strahlintensität erreichten es die Forscher sogar, dass die Atome im Zentrum des Kondensats einander anzogen, während die weiter außen befindlichen Atome einander abstießen. Das ließ das Kondensat im Zentrum kollabieren. Dabei traten nach innen laufende solitonenförmige Dichtewellen auf.
Indem die Forscher die Intensität des Laserstrahls mit Frequenzen von 100 Hz bis 10 MHz modulierten, konnten sie die zwischen den Atomen im Kondensat wirkenden Kräfte auf Zeitskalen von Millisekunden bis etwa 10 ns verändern. Dabei beobachteten sie eine Reihe von Resonanzen, die sie unter anderem den Anregungen in der Dipolfalle, der Bildung von locker gebundenen Feshbach-Moleküle und – auf der kürzesten Zeitskale – dem Auftreten von stark gebundenen Van-der-Waals-Molekülen zuordneten. Dies ermöglicht eine völlig neue Spektroskopie.
Durch optische Feshbach-Resonanzen lässt sich der Zustand von atomaren Quantengasen viel besser und umfassender kontrollieren als dies bisher mit magnetischen Feshbach-Resonanzen möglich war, die ja schon die Erforschung von ultrakalten Atomgasen revolutioniert haben. Entsprechend groß sind die Erwartungen, die Chin und seine Kollegen an ihr neues optisches Verfahren knüpfen.
Rainer Scharf
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