07.10.2015

Atomare Wechselwirkung nach Wunsch

Zeit- und ortsabhängig Kräfte zwischen Atomen durch optische Feshbach-Resonanzen.

Ob ultrakalte Atome in einer optischen Falle einander anziehen oder abstoßen und wie stark die dabei auftre­tenden Kräfte sind, kann man mit magne­tischen Feshbach-Resonanzen regulieren. Mit optischen Feshbach-Resonanzen haben Forscher in Chicago diese Kräfte zeit- und ortsab­hängig gemacht und damit die experi­mentellen Möglichkeiten erheblich erweitert.

Eine Feshbach-Resonanz tritt auf, wenn der „Streu­zustand“ von zwei ungebun­denen Atomen, die mitein­ander kolli­dieren, nahezu dieselbe Energie hat wie das aus den Atomen gebildete Molekül. Besitzen der Streu- und der Molekül­zustand unter­schiedliche magnetische Momente, so lässt sich ihre Energie­differenz mit einem Magnet­feld variieren. In der Nähe der Resonanz mischen die beiden Zustände stark, sodass sich die Stärke und das Vorzeichen der Kraft zwischen den kollidieren Atomen durch das Magnet­feld regulieren lassen.

Abb.: Die Energien der Atome und der Moleküle sind im Zentrum des Laser­strahls nahezu entartet, sodass es hier zu einer Feshbach-Resonanz kommt und zwischen den Atomen besonders starke anzie­hende- oder absto­ßende Kräfte wirken. (Bild: L. W. Clark et al., APS)

Auf diese Weise hatte man zum Beispiel durch Verän­derung der Kräfte zwischen fermio­nischen Atomen den Übergang von einem Supra­leiter aus locker gebundenen atomaren Cooper-Paaren zu einer Supra­flüssig­keit aus bosonischen Molekülen experi­mentell verwirklicht. Die Kräfte konnten dabei allerdings nur langsam verändert werden und waren auch nicht orts­abhängig.

Doch mit optischen Feshbach-Resonanzen haben Cheng Chin und seine Mitarbeiter von der University of Chicago jetzt die zwischen ultra­kalten Cäsium­atomen wirkenden Kräfte zeit- und ortsab­hängig gemacht. Sie konnten die Kräfte innerhalb von 10 ns verändern und im Innern eines 20 μm großen Bereichs anziehend wirken lassen, während sich die Atome außerhalb des Bereichs abstießen.

Die Forscher nutzten dabei aus, dass die Energie­differenz der Streu- und Molekül­zustände nicht nur von der Stärke des Magnet­felds abhängig war, in dem sich die Atome befanden, sondern auch von der Intensität des Laser­lichts, mit dem diese bestrahlt wurden. So konnte auch Laserlicht eine Feshbach-Resonanz hervorrufen. Dabei trat jedoch zunächst ein Problem auf. Da die Energie der Atome normaler­weise von der Licht­intensität abhing, waren sie optisch polari­sierbar und verspürten in einem inhomo­genen Licht­feld eine Kraft. Sie setzte die Atome in unerwünschte Bewegung und beein­trächtigte die optische Dipolfalle.

Chin und seine Kollegen haben dieses Problem gelöst, indem sie die Atome mit Laserlicht einer „magischen“ Wellenlänge von 869,7 nm bestrahlten, bei der die Atome nicht polari­sierbar waren und ihre Energie von der Licht­intensität unbeeinflusst blieb. Die Energie der Moleküle hing jedoch von der Lichtintensität ab, sodass sich mit hin­reichend intensivem Laser­licht weiterhin eine Feshbach-Resonanz hervorriefen ließ. Da intensives Laserlicht die Atome jedoch zu stark erwärmt hätte, erreichten die Forscher eine Feshbach-Resonanz, indem sie ein starkes Magnetfeld mit einem schwachen „magischen“ Laserstrahl kombinierten.

Eine Orts- und Zeitabhängigkeit der Laserstrahl­intensität hatte zur Folge, dass die Atome an unter­schied­lichen Orten und zu unter­schied­lichen Zeiten mehr oder weniger stark dem Einfluss der Feshbach-Resonanz ausgesetzt waren. Deshalb wirkten zwischen den Atomen orts- und zeit­abhängige Kräfte. Die Forscher demons­trierten dies an einem Bose-Einstein-Kondensat aus 12.000 Cäsium­atomen in einer optischen Dipolfalle. Auf die Konden­sat­wolke richteten sie einen Laserstrahl mit magischer Wellen­länge.

Erhöhten sie die Intensität des Strahls stetig, so verringerte sich die abstoßende Kraft zwischen den Atomen und die Konden­sat­wolke schrumpfte. Da die Intensität des Strahls zum Rand hin abfiel, stießen die Atome am Rand des Kondensats einander stärker ab als in der Mitte. Mit der richtigen Magnet­feld­stärke und Strahl­intensität erreichten es die Forscher sogar, dass die Atome im Zentrum des Kondensats einander anzogen, während die weiter außen befindlichen Atome einander abstießen. Das ließ das Kondensat im Zentrum kollabieren. Dabei traten nach innen laufende solitonen­förmige Dichtewellen auf.

Indem die Forscher die Intensität des Laserstrahls mit Frequenzen von 100 Hz bis 10 MHz modulierten, konnten sie die zwischen den Atomen im Kondensat wirkenden Kräfte auf Zeitskalen von Millisekunden bis etwa 10 ns verändern. Dabei beobachteten sie eine Reihe von Resonanzen, die sie unter anderem den Anregungen in der Dipolfalle, der Bildung von locker gebundenen Feshbach-Moleküle und – auf der kürzesten Zeitskale – dem Auftreten von stark gebundenen Van-der-Waals-Molekülen zuordneten. Dies ermöglicht eine völlig neue Spektroskopie.

Durch optische Feshbach-Resonanzen lässt sich der Zustand von atomaren Quanten­gasen viel besser und umfas­sender kontrol­lieren als dies bisher mit magne­tischen Feshbach-Resonanzen möglich war, die ja schon die Erfor­schung von ultra­kalten Atomgasen revolu­tioniert haben. Entspre­chend groß sind die Erwartungen, die Chin und seine Kollegen an ihr neues optisches Verfahren knüpfen.

Rainer Scharf

OD

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