Auf dem Weg zum skalierbaren Festkörper-Quantencomputer
EU-Projekt SPINUS entwickelt experimentelle Plattformen auf der Grundlage von Festkörper-Spin-Qubits.
Im Januar startete ein neues EU-Projekt, das die Forschung auf dem Gebiet des festkörper-basierten Quantencomputings bedeutend voranbringen soll. Das Projekt „Spinus“ zielt darauf ab, experimentelle Plattformen auf der Grundlage von Festkörper-Spin-Qubits für Quantensimulationen und Quantencomputer zu schaffen. Das Projekt adressiert die kritischen Aspekte dieser Plattformen und zeichnet sich durch seinen umfassenden Ansatz aus, der sich auf Materialdesign, Kontrolltechniken und Auslesetechnologie sowie auf maßgeschneiderte Quantenalgorithmen konzentriert.
In den letzten zehn Jahren wurden verschiedene Systemarchitekturen für Quantensimulationen entwickelt, die auf einem breiten Spektrum von Ansätzen basieren, darunter ultrakalte neutrale Atome, Ionenfallen, Rydberg-Atome, photonische Systeme und supraleitende Schaltungen. Obwohl in allen Bereichen bedeutende Fortschritte erzielt wurden, bleibt eine grundlegende Herausforderung bestehen: Es ist weiterhin nicht möglich, groß angelegte Quantensimulatoren zu schaffen, die effektiv entwickelt, initialisiert und kontrolliert werden können, um komplizierte Aspekte der Quantenvielteilchendynamik zu erforschen.
Ein vielversprechender Ansatz im Quantencomputing ist die Nutzung von Stickstoffvakanzzentren (NV) in Diamant. Ihre einzigartigen Eigenschaften – stabile und kontrollierbare Quantenzustände bei Raumtemperatur – sind in bahnbrechenden Experimenten nachgewiesen worden. Um dieses Potenzial zu nutzen, baut das Projekt Spinus auf den jüngsten Entwicklungen im Bereich der elektronischen und nuklearen Spin-Netzwerke, der Festkörper-Quantensimulatoren sowie -computer auf, um diesen technologischen Ansatz in Richtung skalierbarer Festkörper-Systeme voranzutreiben. Martin Koppenhöfer, Projektkoordinator am Fraunhofer IAF, sagt: „Die Möglichkeit, NV-Zentren bei Raumtemperatur zu betreiben, unterscheidet sie von anderen Quantencomputer-Architekturen. Wir freuen uns darauf, diese Plattform technologisch weiterzuentwickeln und Quantensimulationen und Quantenberechnungen auf größeren Skalen zu demonstrieren.“
Was „Spinus“ außerdem auszeichnet, ist sein umfassender und kooperativer Projektansatz sowie seine innovativen Konzepte und Ansätze. Das Projekt zielt darauf ab, Durchbrüche im Bereich der Quantentechnologien zu fördern und bestehende Einrichtungen auf diesem Gebiet zu ergänzen, indem es eng mit assoziierten Start-ups und anderen Forschungsprojekten im Quantencomputing-Ökosystem zusammenarbeitet. „Wir wollen das Feld der Quantentechnologien nachhaltig beeinflussen und zur Entwicklung großer Quantensysteme in Europa beitragen, indem wir die Grenzen des derzeit Machbaren verschieben“, sagt Daniel Hähnel, Abteilungsleiter Quantentechnologien am Fraunhofer IAF.
Um ausgereifte Hardware-Plattformen für die Quantensimulation zu entwickeln, die die Vorteile der Quantenphysik in einem breiten Spektrum von Anwendungsfällen nutzen können, sind Verbesserungen bei der Systemgröße, der Steuerbarkeit und der Programmierbarkeit unerlässlich. Die Forscher werden auf der Grundlage von drei verschiedenen Arten von Quantensimulator-Prototypen in all diesen Bereichen über den Stand der Technik hinausgehen: 3D-Kern-Spin-Simulator, 3D-Elektronen-Spin-Simulator, 2D-Kern-Spin-Simulator. Ziel ist es, experimentelle Plattformen für Quantensimulationen mit mehr als fünfzig Quanteneinheiten zu entwickeln. Alle Simulatoren basieren auf der gleichen Prämisse: kontrollierbare, interagierende Spin-Netzwerke in Diamant und Siliziumkarbid (SiC), die mittels optisch aktiven Defekten genutzt werden. Jeder Simulator verwendet unterschiedliche Konfigurationen von Spins, um den Simulator auf spezifische Anwendungen zuzuschneiden.
„Spinus“ zielt darauf ab, Quantencomputerplattformen auf der Grundlage von NV-Zentren zu verbessern, indem die Anzahl der nutzbaren Qubits von Quantencomputern auf über zehn Qubits erhöht wird. Zu diesem Zweck wird das Konsortium gekoppelte Arrays von NV-Zentren realisieren und dabei die Güte des Quantengatters von mehr als 99,9 Prozent beibehalten und verbessern. Die Forscher werden auch an der Entwicklung einer photoelektrischen Detektion von magnetischen NV-Resonanzen (PDMR) und einer selektiven Auslesetechnologie arbeiten, um den derzeitigen Engpass der selektiven Adressierbarkeit für eine höhere Anzahl von Qubits im Vergleich zu optischen Techniken zu überwinden.
Die daraus resultierenden Plattformen sollen eine universelle Quantenrechnung auf der Grundlage von Zwei-Qubit-Gate-Operationen ermöglichen, die durch kontrollierbare dipolare Kopplungen zwischen benachbarten NV-Zentren erleichtert werden. Zusätzlich zu den technischen Herausforderungen bei der Skalierung von NV-basierten Quantencomputern ist die Entwicklung der erforderlichen Hardware- und Software-Infrastruktur erforderlich. Dazu gehört die Entwicklung verbesserter Methoden für die Kontrolle und das Auslesen des Quantenzustands der Qubits, was für die Erzielung von Gattern mit hoher Güte und genauen Messungen entscheidend ist.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Leistungsfähigkeit von Quantenalgorithmen für verschiedene Anwendungsfälle, sowohl auf algorithmischer Ebene als auch hinsichtlich ihrer Implementierung auf der spinbasierten Rechenplattform. Während die einzelnen Konsortialpartner individuell bereits beträchtliche Forschungsanstrengungen in diese Richtung unternommen haben, wird sich das Projekt gemeinsam den Herausforderungen in den Bereichen Materialdesign, Steuerung, Auslesen, Gerätecharakterisierung und Quantenalgorithmen stellen, um Quantencomputerplattformen auf der Basis von NV-Zentren voranzubringen.
Fh.-IAF / JOL