Auftrieb für Europas Weltraumpläne
Die ESA-Ministerkonferenz bewilligt das bislang höchste europäische Weltraum-Budget. Deutschland ist dabei stärkster Beitragszahler.
Mit 14,4 Milliarden Euro für die nächsten Jahre erhält die Europäischen Weltraumorganisation ESA ihr bislang höchstes Budget. Auf diesem Gesamtbetrag einigten sich die Regierungsvertreter aus 22 ESA-Mitgliedsstaaten am 27. und 28. November 2019 im spanischen Sevilla. Damit lagen Sie noch über den geforderten 13,9 Milliarden Euro für die nächsten drei bis fünf Jahre, abhängig vom jeweiligen Programm.
Die Ministerratskonferenz ist das höchste politische Entscheidungsgremium, das alle zwei bis drei Jahre den inhaltlichen und finanziellen Rahmen für die Raumfahrtprogramme der ESA festgelegt. Zuletzt tagte die Ministerratskonferenz im Dezember 2016 in Luzern.
Deutschland beteiligt sich mit 3,3 Milliarden Euro an ESA-Programmen mit den Schwerpunkten Erdbeobachtung, Telekommunikation, Technologieförderung und Kommerzialisierung/New Space und ist mit 22,9 Prozent stärkster Beitragszahler der ESA. Es folgen Frankreich mit 2,66 (18,5 %), Italien mit 2,8 (15,9 %) und Großbritannien mit 1,65 Milliarden Euro (11,5 %).
Im Einzelnen zeichnete Deutschland rund eine Milliarde Euro für die so genannten ESA-Pflichtprogramme: Dazu zählen neben dem allgemeinen Haushalt das Wissenschaftsprogramm und der Europäische Weltraumbahnhof in Kourou. Rund 2,3 Milliarden Euro des deutschen Beitrags entfallen auf die „optionalen“ Programme: darunter rund 720 Millionen Euro für Erdbeobachtung, rund 330 für Telekommunikation, 160 für Technologieprogramme, 84 für Weltraumlage und Weltraumsicherheit, 490 für Raumtransport und -betrieb sowie 550 Millionen Euro für den Bereich astronautische Raumfahrt, Mikrogravitation und Exploration.
Der Löwenanteil des Rahmenprogramms für robotische und astronautische Aktivitäten zur Exploration (European Exploration Envelope Programme, E3P) entfällt weiterhin auf den Betrieb der Internationalen Raumstation, für den Deutschland 416 Millionen Euro bereitstellt. Die 55 Millionen Euro deutschen Mittel für eine europäische Mondmission nehmen sich da eher bescheiden aus.
Das ESA-Wissenschaftsprogramm finanziert den Start und Betrieb der Forschungssatelliten und trägt maßgeblich zum Aufbau und Erhalt von Europas Weltrauminfrastruktur bei. Die wissenschaftlichen Instrumente entwickeln die Mitgliedsstaaten selbst. Bis 2035 sollen elf neue Missionen zur Erkundung unseres Sonnensystems, der Milchstraße und des Universums starten. Dafür sind im ESA-Budget insgesamt rund 2,8 Milliarden Euro angesetzt, von denen Deutschland als größter Beitragszahler 578 Millionen Euro (20,7 %) trägt.
Große und mittlere Missionen mit maßgeblicher deutscher Beteiligung sind der Solar Orbiter für die Sonnenforschung (Start: Februar 2020), die Jupiter-Mission JUICE (geplanter Start: 2022), EUCLID zur Erforschung der Dunklen Energie und Dunklen Materie (2022), das Weltraumobservatorium PLATO zur Entdeckung von Exoplaneten (2026), das Röntgenobservatorium ATHENA (2031) und Gravitationswellen-Observatorium LISA (2034).
„Um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, hat Deutschland seine Investitionen für die Erdbeobachtung auf 720 Millionen erhöht“, betont Thomas Jarzombek. Mit rund 520 Millionen Euro behält die Bundesrepublik ihre Führungsrolle im operationellen europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, das insgesamt mit rund 1,7 Milliarden Euro veranschlagt ist.
Dabei geht es konkret um Weiterentwicklung und Erweiterung des Systems um neue Satelliten (Sentinel 7 bis 12) und Dienste für Klimaüberwachung und Klimaschutz, Landwirtschaft, Mobilität, Sicherheit und Katastrophenvorsorge. In Deutschland entwickeltes Knowhow könnte dabei in die geplante Copernicus-Hyperspektralmission einfließen, die durch die gleichzeitige Beobachtung in mehreren Spektralbereichen noch differenziertere Analysen erlaubt.
Die Erdbeobachtung gehört sicher zu den Gewinnern im neuen ESA-Budget, denn hier wurden sechs Prozent mehr als beantragt bewilligt, während beispielsweise die Weltraumsicherheit mit 432 Millionen Euro deutlich gegenüber den geforderten 600 Millionen Euro zurückgeblieben ist. In diesen Bereich fällt die Hera-Mission, die zusammen mit der NASA-Mission DART untersuchen soll, wie Asteroiden von ihrer Flugbahn abgelenkt werden können, bei denen die Gefahr einer Kollision mit der Erde besteht.
Ein entscheidender Punkt im ESA-Budget ist die Ariane 6, die ab Ende 2020 als neuer europäischer Träger Nutzlasten ins All bringen soll. Deutschland beteiligt sich mit einem Anteil von rund 23 Prozent an den Gesamtkosten der Entwicklung, die bei insgesamt über drei Milliarden Euro liegt. Industrielle Hauptauftragnehmer sind ArianeGroup, in Deutschland mit Standorten in Bremen und Ottobrunn, sowie MT Aerospace in Augsburg und Bremen.
Alexander Pawlak
Korrektur (11.12.2019): Für das Budget des ESA-Wissenschaftsprogramms wurde fälschlicherweise rund 1,8 Milliarden Euro statt rund 2,8 Milliarden Euro angegeben. Der Tippfehler wurde korrigiert.
Weitere Infos
- European Space Agency ESA
- Vollständige Liste der Entscheidungen der Space19+-Konferenz (engl.): Resolution 1, Resolution 2, Resolution 3, Charts PDF
Weitere Beiträge
- A. Pawlak, ESA-Umfrage zur Weltraumforschung (Physik Journal Nachrichten, 15. März 2019)
- A. Pawlak, ESA: Mit Schwung zum Merkur, Physik Journal, Dezember 2018, S. 11 PDF
- K. Sonnabend, ESA und FAIR ziehen an einem Strang (Physik Journal Nachrichten, 14. Februar 2018)
- Raumflug-Finanzierung gesichert (pro-physik.de News, 6. Dezember 2016)
- K. Sonnabend, ESA: Datenautobahn im All, Physik Journal, März 2016, S. 7 PDF
Meist gelesen
Tote Fische schwimmen (fast) besser
Am Massachusetts Institute of Technology wurden die diesjährigen Ig Nobel Prizes verliehen.
Führungswechsel bei SmarAct
Michael Weigel-Jech steht an der Spitze des Unternehmens für Hochpräzisionspositioniertechnik.
Letztes Segment für den weltgrößten Teleskopspiegel gegossen
Wichtiges Modul für das Extremely Large Telescope in der Atacama-Wüste geht auf die Reise.
Wie weit ist die Kernfusionsforschung?
Neuer Report über den Status quo von den deutschen Wissenschaftsakademien.
Viel Bewegung in der Rangliste
Erstmals erreichen zwei deutsche Universitäten die Top 30 beim THE Ranking im Fachgebiet „Physik und Astronomie“.