03.07.2015

Bach unter Beschuss

Mutmaßliche Bach-Bilder im Teilchenbeschleuniger-Ring DELTA auf deren präzise Datierung untersucht.

Am 19. Juni traf sich eine Gruppe aus Kunst­sammlern und Physikern am Dort­munder Teil­chen­beschleu­niger DELTA, um drei mutmaß­liche Portraits des Kompo­nisten Johann Sebas­tian Bach zu unter­suchen. Dabei stellten sie fest, dass eines wohl nicht ganz korrekt datiert ist, und planen nun weitere Analysen am verdäch­tigen Bild.

Alex von Bohlen ist bekannt für seine Analysen von Kunst­werken: Er hat schon uralte Tische auf ihre Echtheit über­prüft, Münzen als Fälschungen entlarvt und den Lack der berühmten Stradivari-Geigen unter­sucht. Dabei ist er kein Kunst­historiker, sondern Physiker, und für seine Analysen benutzt er vorzugs­weise Röntgen­spektro­skopie – das Fach­gebiet, auf dem er schon seit Jahrzehnten forscht. Für seine Arbeiten hat er im letzten Jahr sogar einen Preis für sein Lebens­werk erhalten.

Abb.: Eines der Portraits wird am Dortmunder Beschleuniger DELTA mittels Röntgenfluoreszenz analysiert. (Bild: ISAS, A. von Bohlen)

Deshalb wurde der Wissenschaftler, der seit fast dreißig Jahren am Leibniz-Institut für Analy­tische Wissen­schaften ISAS in Dortmund arbeitet, am 19. Juni als Experte hinzugezogen: An der TU sollte er drei Portraits von Johann Sebas­tian Bach unter­suchen. Eines davon gehört einem Sammler aus Dortmund, die beiden anderen steuerte das Bach-Haus Eisenach bei. Die Besitzer wollten wissen, ob ihre Bilder echt sind und die Datierung stimmt. Deshalb wurden die Portraits am Dort­munder Teil­chen­beschleu­niger DELTA auf ihre Zusammen­setzung hin unter­sucht, um festzu­stellen, ob die Pigmente der verwendeten Farb­stoffe in die jeweilige Epoche passen. Ergebnis: Die Farb­zusammen­setzung der beiden Eise­nacher Bilder deutet auf deren Entstehung im 18. bezie­hungs­weise 19. Jahr­hundert hin, die Bilder sind also wohl richtig datiert.

Spannender wird es mit dem Bild, das der Dortmunder Sammler dabei hatte: Hier fanden von Bohlen und seine Kollegen größere Anteile von Pigmenten, die nicht so richtig zu Farben aus dem 18. Jahrhundert passen. Die Wissen­schaftler warnen jedoch vor vor­eiligen Schlüssen: Das Portrait könnte einfach an einigen Stellen restauriert worden sein. Deshalb wollen sie es nun groß­flächig analy­sieren.

Der Hauptverdächtige im „Fall Bach“ ist das Pigment Litho­pone, eine Verbindung aus Barium­sulfat und Zink­sulfid, die im 18. Jahr­hundert noch nicht verwendet wurde. Wenn das Portrait tatsächlich zu Bachs Leb­zeiten ent­standen ist, wie das Aussehen vermuten lässt, sollte es weitgehend frei von diesem Pigment sein. Bei der ersten Analyse tauchten im Röntgen-Spektrum nun aber die Elemente Barium und Zink auf und weckten den Verdacht auf eine nicht ganz korrekte Datierung. Doch die reine Anwesen­heit von einzelnen Elementen beweise noch nicht, dass auch das Pigment vorhanden sei, erklärt von Bohlen: „Wenn wir Barium, Schwefel und Zink finden, wissen wir erst mal nur, dass an einer Stelle des Bildes Barium, Schwefel und Zink in der Farbe sind. Ob die drei Elemente aber auch als Barium­sulfat- und Zink­sulfid-Verbindung vorliegen, können wir nur spekulieren.“

Abb.: Dr. Michael Paulus positioniert das Dortmunder Bach-Bild an der Strahl­quelle des DELTA-Teilchen­beschleunigers. (Bild: TU Dortmund)

Deshalb hat der Wissenschaftler schon eine Strategie für die weiter­gehende Analyse erdacht: Im nächsten Schritt soll das Bild von hinten mit Synchrotron­strahlung „gescannt“ und dabei von vorne mit zwei Methoden gleich­zeitig analysiert werden. Da es sich um ein Pergament in einem Kassetten­rahmen handelt, kann die Strahlung das Portrait problemlos durch­leuchten. Vorne werden die Strahlen dann sowohl einer Röntgen­fluoreszenz-Analyse als auch einer Röntgen-Beugungs­analyse unter­worfen. „Die beiden Methoden ergänzen sich“, erklärt der Wissen­schaftler. „Mit der Röntgen­fluoreszenz können wir die Elemente bestimmen, und anhand der Beugung finden wir etwas über die Kristall­struktur der Farbschicht heraus. Erst dann können wir sicher sagen, dass ein bestimmtes Pigment in der Farbe steckt – und durch die Flächen­analyse erfahren wir auch, an welchen Stellen es sich befindet.“

Um die Untersuchung des Bildes abzurunden, planen die Wissen­schaftler sogar noch eine weitere Unter­suchung: Auf der abnehm­baren Holz­rückwand des Rahmens steht eine Inschrift, bei der ein seltsam geschriebener Buchstabe die Experten stutzig macht. Alex von Bohlen wüsste deshalb gerne, ob die Inschrift mit Eisen­gallus­tinte verfasst wurde. Diese dokumenten­echte Tinte wurde im Mittel­alter fast überall benutzt, heute verwendet man sie aber praktisch nur noch zur Unter­zeichnung von Verträgen. Sollte die Inschrift mit dieser „altmo­dischen“ Tinte verfasst worden sein, wäre das zumindest ein kleiner Hinweis auf das Alter des Bilds.

ISAS / CT

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