Bach unter Beschuss
Mutmaßliche Bach-Bilder im Teilchenbeschleuniger-Ring DELTA auf deren präzise Datierung untersucht.
Am 19. Juni traf sich eine Gruppe aus Kunstsammlern und Physikern am Dortmunder Teilchenbeschleuniger DELTA, um drei mutmaßliche Portraits des Komponisten Johann Sebastian Bach zu untersuchen. Dabei stellten sie fest, dass eines wohl nicht ganz korrekt datiert ist, und planen nun weitere Analysen am verdächtigen Bild.
Alex von Bohlen ist bekannt für seine Analysen von Kunstwerken: Er hat schon uralte Tische auf ihre Echtheit überprüft, Münzen als Fälschungen entlarvt und den Lack der berühmten Stradivari-Geigen untersucht. Dabei ist er kein Kunsthistoriker, sondern Physiker, und für seine Analysen benutzt er vorzugsweise Röntgenspektroskopie – das Fachgebiet, auf dem er schon seit Jahrzehnten forscht. Für seine Arbeiten hat er im letzten Jahr sogar einen Preis für sein Lebenswerk erhalten.
Abb.: Eines der Portraits wird am Dortmunder Beschleuniger DELTA mittels Röntgenfluoreszenz analysiert. (Bild: ISAS, A. von Bohlen)
Deshalb wurde der Wissenschaftler, der seit fast dreißig Jahren am Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften ISAS in Dortmund arbeitet, am 19. Juni als Experte hinzugezogen: An der TU sollte er drei Portraits von Johann Sebastian Bach untersuchen. Eines davon gehört einem Sammler aus Dortmund, die beiden anderen steuerte das Bach-Haus Eisenach bei. Die Besitzer wollten wissen, ob ihre Bilder echt sind und die Datierung stimmt. Deshalb wurden die Portraits am Dortmunder Teilchenbeschleuniger DELTA auf ihre Zusammensetzung hin untersucht, um festzustellen, ob die Pigmente der verwendeten Farbstoffe in die jeweilige Epoche passen. Ergebnis: Die Farbzusammensetzung der beiden Eisenacher Bilder deutet auf deren Entstehung im 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert hin, die Bilder sind also wohl richtig datiert.
Spannender wird es mit dem Bild, das der Dortmunder Sammler dabei hatte: Hier fanden von Bohlen und seine Kollegen größere Anteile von Pigmenten, die nicht so richtig zu Farben aus dem 18. Jahrhundert passen. Die Wissenschaftler warnen jedoch vor voreiligen Schlüssen: Das Portrait könnte einfach an einigen Stellen restauriert worden sein. Deshalb wollen sie es nun großflächig analysieren.
Der Hauptverdächtige im „Fall Bach“ ist das Pigment Lithopone, eine Verbindung aus Bariumsulfat und Zinksulfid, die im 18. Jahrhundert noch nicht verwendet wurde. Wenn das Portrait tatsächlich zu Bachs Lebzeiten entstanden ist, wie das Aussehen vermuten lässt, sollte es weitgehend frei von diesem Pigment sein. Bei der ersten Analyse tauchten im Röntgen-Spektrum nun aber die Elemente Barium und Zink auf und weckten den Verdacht auf eine nicht ganz korrekte Datierung. Doch die reine Anwesenheit von einzelnen Elementen beweise noch nicht, dass auch das Pigment vorhanden sei, erklärt von Bohlen: „Wenn wir Barium, Schwefel und Zink finden, wissen wir erst mal nur, dass an einer Stelle des Bildes Barium, Schwefel und Zink in der Farbe sind. Ob die drei Elemente aber auch als Bariumsulfat- und Zinksulfid-Verbindung vorliegen, können wir nur spekulieren.“
Abb.: Dr. Michael Paulus positioniert das Dortmunder Bach-Bild an der Strahlquelle des DELTA-Teilchenbeschleunigers. (Bild: TU Dortmund)
Deshalb hat der Wissenschaftler schon eine Strategie für die weitergehende Analyse erdacht: Im nächsten Schritt soll das Bild von hinten mit Synchrotronstrahlung „gescannt“ und dabei von vorne mit zwei Methoden gleichzeitig analysiert werden. Da es sich um ein Pergament in einem Kassettenrahmen handelt, kann die Strahlung das Portrait problemlos durchleuchten. Vorne werden die Strahlen dann sowohl einer Röntgenfluoreszenz-Analyse als auch einer Röntgen-Beugungsanalyse unterworfen. „Die beiden Methoden ergänzen sich“, erklärt der Wissenschaftler. „Mit der Röntgenfluoreszenz können wir die Elemente bestimmen, und anhand der Beugung finden wir etwas über die Kristallstruktur der Farbschicht heraus. Erst dann können wir sicher sagen, dass ein bestimmtes Pigment in der Farbe steckt – und durch die Flächenanalyse erfahren wir auch, an welchen Stellen es sich befindet.“
Um die Untersuchung des Bildes abzurunden, planen die Wissenschaftler sogar noch eine weitere Untersuchung: Auf der abnehmbaren Holzrückwand des Rahmens steht eine Inschrift, bei der ein seltsam geschriebener Buchstabe die Experten stutzig macht. Alex von Bohlen wüsste deshalb gerne, ob die Inschrift mit Eisengallustinte verfasst wurde. Diese dokumentenechte Tinte wurde im Mittelalter fast überall benutzt, heute verwendet man sie aber praktisch nur noch zur Unterzeichnung von Verträgen. Sollte die Inschrift mit dieser „altmodischen“ Tinte verfasst worden sein, wäre das zumindest ein kleiner Hinweis auf das Alter des Bilds.
ISAS / CT