Baubeginn des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen
Symbolischer erster Spatenstich für ein „Leuchtturmprojekt mit bundesweiter Strahlkraft“.
Eine Idee nimmt Gestalt an: Nach Jahren der Vorbereitung und Planung startet jetzt der Bau des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin, kurz MPZPM, in Erlangen. Bis 2024 entsteht auf dem Gelände des Universitätsklinikums an der Schwabachanlage ein Gebäude mit Laboren und Büros auf fünf Etagen für rund 180 Beschäftigte. Forscher aus Physik, Mathematik, Biologie und Medizin werden hier gemeinsam nach neuen Wegen suchen, Krankheiten wie Krebs oder Querschnittslähmung zu behandeln. Sie wollen dazu die Stärken der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen nutzen, genauso wie die Kompetenzen der beteiligten Institutionen. Initiatoren des Projekts sind das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und das Universitätsklinikum Erlangen. Der Freistaat Bayern investiert in das Vorhaben etwa 57 Millionen Euro.
Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik betonte beim symbolischen ersten Spatenstich am Dienstag auf der Baustelle, dass die hervorragende medizinischen Versorgung, von der die Bürger dank des Universitätsklinikums profitierten, eng verwoben sei mit exzellenten Forschungsmöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Es geht darum, mit dem MPZPM einen Ort zu schaffen, an dem Forschung geleistet wird, die am Schluss unsere Gesellschaft voranbringt.“
„Wir alle am MPZPM engagieren uns mit viel Leidenschaft und Energie für die Forschungseinrichtung“, erklärte bei seiner Ansprache Jochen Guck, Direktor am MPI für die Physik des Lichts und einer der Mitglieder des Scientific Boards, dem Leitungsgremium des neuen Zentrums. „Es hat das Zeug dazu, ein Leuchtturm zu werden, der weit über Erlangen und Deutschland hinaus strahlt.“ Er hob hervor, welche Bedeutung das MPZPM nicht nur für den Forschungsstandort Erlangen hat, sondern auch für die Wirtschaft der Region.
„Hier geht es nicht um Nischenwissenschaft, hier geht es um einen Paradigmenwechsel in Richtung transdisziplinäre Zukunftsforschung an der Schnittstelle von Medizin, Physik und den anderen Naturwissenschaften“, sagte Günter Leugering, Vizepräsident Research der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Im Zentrum werden laut Leugering drei mit Humboldt-Professuren ausgezeichnete Forscher gemeinsam mit ihren Kollegen daran arbeiten, wissenschaftliche Theorie in „für Patienten relevante Praxis“ zu überführen.
Auch wenn die Wissenschaftler das neue Gebäude erst Anfang 2024 beziehen werden, arbeiten sie bereits heute eng zusammen – noch sind ihre Büros und Labore allerdings über die Stadt verteilt. Zu den führenden Köpfen des MPZPM zählt MPL-Direktor Vahid Sandoghdar, Leiter der Abteilung Nanooptik. Er hatte bereits 2013 die Idee entwickelt, in einem eigenen Zentrum die modernen Methoden der Physik für die Medizin nutzbar zu machen. Ein Teil seiner Arbeitsgruppe wird in den Neubau ziehen. „Meine Vision ist, dass die vielen Physiker, Mathematiker und medizinischen Forscher hier im Gebäude in jeder Ecke rege diskutieren und dass ich dabei auch mitdiskutieren kann“, so Sandoghdar.
Fast komplett wechselt MPL-Direktor Jochen Guck mit seiner Abteilung Biologische Optomechanik in das Gebäude. Von der FAU wird Kristian Franze dazu stoßen, den die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vergangenes Jahr mit einer Humboldt-Professur ausgezeichnet hat. Ihn hat die Uni gerade von der britischen University of Cambridge nach Erlangen als Direktor des Instituts für medizinische Physik und Mikrogewebetechnik berufen. Ebenfalls von der FAU kommt Vasily Zaburdaev, Inhaber des Lehrstuhls für Mathematik in den Lebenswissenschaften. Daneben sind weitere unabhängige Forschungsgruppen Teil des MPZPM.
Bereits heute arbeiten die Forscher an brennenden medizinischen Problemen. So hat beispielsweise Sandoghdar gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe ein neuartiges Mikroskop gebaut. Mit dessen Hilfe lassen sich kleinste biologische Strukturen sichtbar machen. Es erlaubt, in höchster räumlicher und zeitlicher Auflösung zu untersuchen, wie beispielsweise SARS-CoV-2 – das neue Corona-Virus – lebende Zellen befällt. Die Versuche dazu finden gerade in enger Kooperation mit dem Universitätsklinikum statt.
Die Wissenschaftler um Guck haben wiederum eine neuartige Methode entwickelt, um in hohem Durchsatz die krankhaften Veränderungen von Zellen – im Wortsinne – zu ertasten. Sie können bis zu tausend Blutzellen pro Sekunde vermessen und so feststellen, ob der Körper eine Infektion durchläuft. Gerade in Zeiten von Corona ist es wichtig, Virusinfektionen schnell und eindeutig zu diagnostizieren.
Franze erforscht, wie mechanische Kräfte das Wachstum von Nervenzellen beeinflussen. Seine Hoffnung: Erkenntnisse zu gewinnen, um durchtrennte Nervenbahnen im Rückenmark dazu zu bringen, wieder zusammenzuwachsen. Zaburdaev schließlich beschreibt mit seinem mathematischen Methodenkasten, wie Gonokokken Kolonien bilden und sich diese Erreger von Geschlechtskrankheiten im Körper verbreiten. Da diese Bakterien zunehmend resistent gegen Antibiotika werden, hoffen er und sein Team, Anstöße für neue Therapiekonzepte liefern zu können.
„All die Beispiele zeigen, wie fruchtbar es ist, Werkzeuge der Physik und Mathematik zu nutzen, um Krankheiten besser zu verstehen“, erklärte Guck in seiner Ansprache während des Spatenstichs. „Und noch viel weitergedacht: Um genauer beschreiben zu können, was Leben eigentlich ist.“
MPL / RK
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