20.10.2020 • Medizinphysik

Baubeginn des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin in Erlangen

Symbolischer erster Spatenstich für ein „Leuchtturmprojekt mit bundesweiter Strahlkraft“.

Eine Idee nimmt Gestalt an: Nach Jahren der Vorbereitung und Planung startet jetzt der Bau des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin, kurz MPZPM, in Erlangen. Bis 2024 entsteht auf dem Gelände des Universitäts­klinikums an der Schwabach­anlage ein Gebäude mit Laboren und Büros auf fünf Etagen für rund 180 Beschäftigte. Forscher aus Physik, Mathematik, Biologie und Medizin werden hier gemeinsam nach neuen Wegen suchen, Krankheiten wie Krebs oder Querschnitts­lähmung zu behandeln. Sie wollen dazu die Stärken der verschiedenen Wissenschafts­disziplinen nutzen, genauso wie die Kompetenzen der beteiligten Institutionen. Initiatoren des Projekts sind das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und das Universitäts­klinikum Erlangen. Der Freistaat Bayern investiert in das Vorhaben etwa 57 Millionen Euro.

Abb.: Prof. Dr. Günter Leugering (FAU), Dr. Florian Janik (OB Erlangen), Prof....
Abb.: Prof. Dr. Günter Leugering (FAU), Dr. Florian Janik (OB Erlangen), Prof. Dr. Vahid Sandoghdar (MPL) und Prof. Dr. Heinrich Iro (UK) beim ­ ersten Spatenstich für das neue Forschungs­zentrum. (Bild: S. Minx, MPZPM)

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik betonte beim symbolischen ersten Spatenstich am Dienstag auf der Baustelle, dass die hervor­ragende medizinischen Versorgung, von der die Bürger dank des Universitäts­klinikums profitierten, eng verwoben sei mit exzellenten Forschungs­möglich­keiten für Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler. „Es geht darum, mit dem MPZPM einen Ort zu schaffen, an dem Forschung geleistet wird, die am Schluss unsere Gesellschaft voranbringt.“

„Wir alle am MPZPM engagieren uns mit viel Leiden­schaft und Energie für die Forschungs­einrichtung“, erklärte bei seiner Ansprache Jochen Guck, Direktor am MPI für die Physik des Lichts und einer der Mitglieder des Scientific Boards, dem Leitungs­gremium des neuen Zentrums. „Es hat das Zeug dazu, ein Leuchtturm zu werden, der weit über Erlangen und Deutschland hinaus strahlt.“ Er hob hervor, welche Bedeutung das MPZPM nicht nur für den Forschungs­standort Erlangen hat, sondern auch für die Wirtschaft der Region.

„Hier geht es nicht um Nischen­wissen­schaft, hier geht es um einen Paradigmen­wechsel in Richtung trans­disziplinäre Zukunfts­forschung an der Schnittstelle von Medizin, Physik und den anderen Natur­wissen­schaften“, sagte Günter Leugering, Vize­präsident Research der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Im Zentrum werden laut Leugering drei mit Humboldt-Professuren ausgezeichnete Forscher gemeinsam mit ihren Kollegen daran arbeiten, wissen­schaft­liche Theorie in „für Patienten relevante Praxis“ zu überführen.

Auch wenn die Wissenschaftler das neue Gebäude erst Anfang 2024 beziehen werden, arbeiten sie bereits heute eng zusammen – noch sind ihre Büros und Labore allerdings über die Stadt verteilt. Zu den führenden Köpfen des MPZPM zählt MPL-Direktor Vahid Sandoghdar, Leiter der Abteilung Nanooptik. Er hatte bereits 2013 die Idee entwickelt, in einem eigenen Zentrum die modernen Methoden der Physik für die Medizin nutzbar zu machen. Ein Teil seiner Arbeits­gruppe wird in den Neubau ziehen. „Meine Vision ist, dass die vielen Physiker, Mathematiker und medizinischen Forscher hier im Gebäude in jeder Ecke rege diskutieren und dass ich dabei auch mitdiskutieren kann“, so Sandoghdar.

Fast komplett wechselt MPL-Direktor Jochen Guck mit seiner Abteilung Biologische Optomechanik in das Gebäude. Von der FAU wird Kristian Franze dazu stoßen, den die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vergangenes Jahr mit einer Humboldt-Professur ausgezeichnet hat. Ihn hat die Uni gerade von der britischen University of Cambridge nach Erlangen als Direktor des Instituts für medizinische Physik und Mikro­gewebe­technik berufen. Ebenfalls von der FAU kommt Vasily Zaburdaev, Inhaber des Lehrstuhls für Mathematik in den Lebens­wissen­schaften. Daneben sind weitere unabhängige Forschungs­gruppen Teil des MPZPM.

Bereits heute arbeiten die Forscher an brennenden medizinischen Problemen. So hat beispielsweise Sandoghdar gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe ein neuartiges Mikroskop gebaut. Mit dessen Hilfe lassen sich kleinste biologische Strukturen sichtbar machen. Es erlaubt, in höchster räumlicher und zeitlicher Auflösung zu unter­suchen, wie beispiels­weise SARS-CoV-2 – das neue Corona-Virus – lebende Zellen befällt. Die Versuche dazu finden gerade in enger Kooperation mit dem Universitäts­klinikum statt.

Die Wissenschaftler um Guck haben wiederum eine neuartige Methode entwickelt, um in hohem Durchsatz die krank­haften Veränderungen von Zellen – im Wortsinne – zu ertasten. Sie können bis zu tausend Blutzellen pro Sekunde vermessen und so feststellen, ob der Körper eine Infektion durchläuft. Gerade in Zeiten von Corona ist es wichtig, Virus­infektionen schnell und eindeutig zu diagnos­ti­zieren.

Franze erforscht, wie mechanische Kräfte das Wachstum von Nerven­zellen beeinflussen. Seine Hoffnung: Erkenntnisse zu gewinnen, um durch­trennte Nerven­bahnen im Rückenmark dazu zu bringen, wieder zusammen­zu­wachsen. Zaburdaev schließlich beschreibt mit seinem mathematischen Methoden­kasten, wie Gonokokken Kolonien bilden und sich diese Erreger von Geschlechts­krank­heiten im Körper verbreiten. Da diese Bakterien zunehmend resistent gegen Antibiotika werden, hoffen er und sein Team, Anstöße für neue Therapie­konzepte liefern zu können.

„All die Beispiele zeigen, wie fruchtbar es ist, Werkzeuge der Physik und Mathematik zu nutzen, um Krankheiten besser zu verstehen“, erklärte Guck in seiner Ansprache während des Spatenstichs. „Und noch viel weiter­gedacht: Um genauer beschreiben zu können, was Leben eigentlich ist.“

MPL / RK

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