05.11.2018

Biosprit aus dem Wald

Mobile Produktionsmodule für Treibstoffe aus Holzabfällen und Baumrinden.

Mehr als vier Milliarden Tonnen Rohöl werden jedes Jahr gefördert. Strom aus Wind-, Solar- und Wasserkraft­werken reicht noch nicht aus, um fossile Energie­träger zu ersetzen. Damit lässt sich im günstigsten Fall der Energie­bedarf aller Elektro­autos decken und der Wasserstoff für Fahrzeuge mit Brennstoff­zellen herstellen. Doch dann fehlt immer noch Benzin für die Verbrennungs­motoren, die noch Jahrzehnte in Betrieb sein werden. Eine nach­haltige Mobilität ist nur möglich, wenn es gelingt, Benzin durch alter­native Treibstoffe zu ersetzen. Eine Tech­nologie zur Erzeugung eines solchen ökologisch unbe­denklichen Biosprits haben Wissen­schaftler am Fraun­hofer-Institut für Mikro­technik und Mikro­systeme IMM zusammen mit zwölf Forschungs­gruppen aus sieben Ländern im EU-Projekt BIOGO entwickelt.

Abb.: Prototyp eines mobilen Anlage für die Treibstoffgewinnung aus Holzabfällen. (Bild: T. Hang, Fh.-IMM)

Die Zutaten für den neuen Treibstoff kommen aus dem Wald: „Holz­abfälle und Baumr­inden sind europaweit in großen Mengen verfügbar, werden bisher aber kaum genutzt. Das macht sie zu einem idealen Rohstoff – man muss sie nicht extra anbauen und tritt daher auch nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittel­produktion“, erklärt Gunther Kolb vom Fraunhofer IMM, der das EU-Projekt koor­diniert hat. Die Nutzung der Holzabfälle ist zudem klima­neutral: Verwandelt man sie in einen Treibstoff und verbrennt diesen, so wird nur Kohlen­dioxid freigesetzt, das die Bäume der Atmosphäre zuvor beim Wachsen entzogen haben. Es gelangen daher keine zusätz­lichen Treibhaus­gase in die Atmo­sphäre. Und dann kann der Treibstoff aus Holz­abfällen überall hergestellt werden, wo Bäume wachsen. Man muss ihn nicht – wie Erdöl – von der Quelle erst zur Raffinerie und zu den Tankstellen trans­portieren. „Ein wichtiger Baustein des BIOGO-Konzepts ist eine dezentrale Produktion“, betont Kolb. „Um dies zu rea­lisieren, haben wir mobile Produktions­einheiten entwickelt, die sich in Containern unter­bringen und dort installieren lassen, wo sie gerade gebraucht werden.“

Der Prototyp der neuen Anlage zur Gewinnung von Biosprit steht auf dem Hof hinter dem Fraunhofer-Institut: In dem weißen Container werden Abfall­produkte der Holz­industrie in hochwertiges Benzin verwandelt. „Ziel des BIOGO-Projekts war es, eine Anlage zu entwickeln, die sich in einen Vierzig-Fuß-Container unter­bringen lässt, der alle Verfahrens- und Prozess­schritte beinhaltet“, erläutert Kolb das Ergebnis der vierjährigen inten­siven Forschungs- und Entwicklungs­arbeit. „Gleich­zeitig sollte das Herstellungs­verfahren möglichst ökologisch und ressourcen­schonend sein.“

In einer ersten Prozess­stufe erhitzt man die Holzreste bis sich ein dunkles, zäh­flüssiges Pyrolyseöl bildet. Dieses lässt sich in der mobilen Anlage weiter­verarbeiten. Der erste Mikro­reaktor verwandelt das Pyrolyseöl unter Zufuhr von Wärme, Luft und Wasserdampf in Synthesegas. Aus dem wird im zweiten Schritt Methanol gewonnen. Entzieht man diesem den Sauerstoff, entsteht synthe­tisches Benzin. „Die Heraus­forderung lag darin, den Prozess so zu optimieren, dass am Ende ein Treibstoff heraus­kommt, der sich chemisch nicht von Normal­benzin unter­scheidet“, berichtet Kolb. Für die nötigen Kata­lysatoren braucht man bisher große Mengen Edelmetall und seltene Erden. Im BIOGO-Projekt haben die Wissen­schaftler der Firma Teer Coatings eine Methode entwickelt, mit der sich winzige Cluster von kata­lytisch aktiven Substanzen auf Oberflächen aufbringen lassen. Auf diese Weise entstehen leistungs­fähige und ressourcen­schonende Nanokata­lysatoren.

Der letzte Schritt bei der Entwicklung der mobilen Produktions­anlage bestand darin, die gesamte Technik in einen Container zu integrieren, der alle Anfor­derungen an Sicherheit und Brandschutz erfüllt. Der Prototyp ist bereits so konzipiert, dass auch größere Reaktoren darin Platz finden. In den kommenden Jahren wollen die BIOGO-Teams die Anlage weiter­entwickeln. Ziel ist es, bis zu eintausend Liter Ökotreib­stoff am Tag zu produzieren. Gibt es Benzin also schon bald nicht mehr an der Tankstelle, sondern im Wald am Container? Kolb antwortet: „Das hängt von den poli­tischen Rahmen­bedingungen ab. Bei den derzeitigen Ölpreisen ist die neue Technik nicht konkurrenz­fähig. Entscheidend wird sein, ob wir in Europa wirklich von den fossilen Rohstoffen wegkommen möchten und dafür bereit sind, Ökotreib­stoffe von der Steuer zu befreien oder ihre Herstellung zu subven­tionieren.“

Das Wissen für die Gewinnung von nach­haltigem Treibstoff ist jedenfalls dank BIOGO vorhanden. Da der Holz-Sprit dieselben chemischen Eigen­schaften hat wie klassisches Benzin, kann man ihn zumischen oder nach und nach komplett auf den neuen Rohstoff umsteigen. Bis es so weit ist, möchten das Mainzer Forscherteam die dezentral und flexibel einsetz­baren Container auch für andere Anwen­dungen nutzen: Das Prinzip der Mini-Fabrik ist etwa für die chemische und die petro­chemische Industrie hochinteressant. So könnten Chemie­unternehmen Container nutzen, um ihre Prozesse zu flexi­bilisieren und schneller auf Kunden­wünsche zu reagieren.

Fh.-IMM / JOL

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