Bislang schwächste Gravitationskraft gemessen

Hochempfindliches Torsions-Pendel misst Schwerefeld einer zwei Millimeter großen Goldkugel.

Forschern der Universität Wien und der Öster­reichischen Akademie der Wissen­schaften um Markus Aspel­meyer ist es erstmals gelungen, mit Hilfe eines hoch­empfind­lichen Pendels das Schwere­feld einer lediglich zwei Millimeter großen Goldkugel zu vermessen – und damit die schwächste jemals gemessene Gravitations­kraft. Das Experiment eröffnet neue Möglich­keiten, die Gravitations­gesetze auf bisher unerreicht kleinen Skalen zu über­prüfen.

Abb.: Die verwendete Gold­kugel im Größen­ver­gleich mit einer...
Abb.: Die verwendete Gold­kugel im Größen­ver­gleich mit einer 1-Cent-Münze. Laut Einsteins All­ge­meiner Relati­vi­täts­theorie krümmt jede Masse die Raum­zeit. (Bild: T. West­phal, U. Wien / Arkitek Scientific)

Mithilfe einer elegante Pendel­vor­richtung gelang es Cavendish 1797, die Gravitations­kraft zu messen, die von einer dreißig Zenti­meter großen und 160 Kilogramm schweren Bleikugel erzeugt wird. Ein Torsions­pendel – zwei Massen an den Enden eines Stabs, der an einem dünnen Draht aufgehängt ist und frei rotieren kann – wird durch die Gravitations­kraft der Bleimasse messbar ausgelenkt. Im Laufe der Jahr­hunderte wurden diese Experi­mente weiter perfek­tio­niert, um Gravitations­kräfte immer genauer zu vermessen.

Aspelmeyer und seine Kollegen haben diese Idee auf­ge­griffen und eine Miniatur­variante des Cavendish-Experi­ments aufgebaut. Als gravitative Masse dient eine zwei Milli­meter große Goldkugel mit einem Gewicht von neunzig Milli­gramm. Das Torsions­pendel besteht aus einem vier Zenti­meter langen und einem halben Milli­meter dicken Glasstab, der an einer Glasfaser mit einem Durch­messer von ein paar Tausendstel Milli­meter aufgehängt ist. Am Ende des Stabs sind jeweils ähnlich große Goldkugeln befestigt.

„Wir bewegen die Goldkugel vor und zurück und erzeugen so ein Gravitations­feld, das sich mit der Zeit ändert“, erklärt Jeremias Pfaff, einer der am Experiment beteiligten Forscher. „Dadurch schwingt dann auch das Torsionspendel mit dieser bestimmten Anregungs­frequenz.“ Diese Bewegung, sie beträgt nur einige Millionstel Millimeter, kann dann mit Hilfe eines Lasers ausgelesen werden und lässt Rück­schlüsse auf die Kraft zu.

Die Schwierigkeit besteht darin, andere Einflüsse auf die Bewegung möglichst klein zu halten. „Der größte nicht-gravitative Effekt in unserem Experiment stammt von seismischen Schwingungen, die durch Fußgänger und den Straßen­bahn­verkehr rund um unser Labor in Wien erzeugt werden“, sagt Team-Mitglied Hans Hepach. „Die besten Mess­daten erhielten wir daher nachts und während der Weihnachts­feier­tage, als nur wenig Verkehr herrschte.“ Andere Effekte wie elektro­statische Anziehungs­kräfte konnten durch eine leitende Abschirmung zwischen den Gold­massen auf weit unter die Gravitations­kraft gedrückt werden. Als nächster Schritt ist geplant, die Gravitation von tausendmal leichteren Massen zu unter­suchen.

Die Möglichkeit, Gravitations­felder von kleinen Massen und bei kleinen Abständen zu vermessen, eröffnet neue Perspektiven zur Erforschung der Gravitations­physik: Im Verhalten der Schwerkraft könnten sich Spuren von dunkler Materie oder dunkler Energie finden, die für die Entstehung unseres jetzigen Universums maßgeblich verant­wort­lich sein könnten. Die Forscher um Aspel­meyer interes­siert vor allem die Schnitt­stelle zur Quanten­physik: Kann man die Masse klein genug machen, dass Quanten­effekte eine Rolle spielen? Das wird die Zukunft zeigen.

U. Wien / RK

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