Blick ins Innere von Neutronensternen
Eine Photonenkamera für die Untersuchung komprimierter baryonischer Materie.
Wie verhalten sich Atomkerne unter den extremen Bedingungen, wie sie im Inneren von Neutronensternen herrschen? Gibt es neben dem Quark-Gluon-Plasma, welches entsteht, wenn Kernmaterie stark erhitzt wird, weitere Erscheinungsformen? Und wo liegen die Phasenübergänge zwischen diesen Zustandsformen? Das sind einige der Fragestellungen, die im Rahmen des im Aufbau befindlichen Experiments „Compressed Baryonic Matter“ CBM am zukünftigen Teilchenbeschleuniger FAIR in Darmstadt untersucht werden sollen.
Neutronensterne sind die Überreste von Supernovae. Bei einem Radius von nur zehn Kilometern beinhalten sie so viel Masse wie ein bis drei Sonnen. „Ein Fingerhut Neutronensternmaterie würde somit etwa so viel wiegen wie ein Eisenwürfel von siebenhundert Metern Kantenlänge. Welche Zustände und Materieformen hierbei vorherrschen, können wir bestenfalls erahnen“, erläutert Karl-Heinz Kampert von der Uni Wuppertal. „Diese unter kontrollierten Bedingungen nachzubilden und zu vermessen, ist ein Ziel des CBM-Experiments.“ Seine Arbeitsgruppe Astroteilchenphysik ist für den Aufbau einer zentralen Komponente des RICH-Detektors am CBM verantwortlich, einer Photonenkamera mit 70.000 Pixeln, die pro Sekunde bis zu zehn Millionen Kollisionen hochenergetischer Gold-Kerne aufzeichnen kann.
„In den vergangenen Jahren konnten alle wesentlichen Entwicklungsarbeiten für den Aufbau des Detektors erfolgreich abgeschlossen werden. Eine aktuelle Förderung durch das Bundesforschungsministerium in Höhe von 1,35 Millionen Euro ermöglicht uns nun, die Früchte der Arbeit der vergangenen Jahre zu ernten und den Detektor in den kommenden drei Jahren aufzubauen“, so Christian Pauly, Teilprojektleiter der Arbeitsgruppe.
Strategien zur Analyse der erwarteten Messdaten – beginnend von der Identifikation geeigneter Beobachtungsgrößen bis hin zum Vergleich mit theoretischen Vorhersagen – werden von Zoltan Fodor, Kalman Szabo und ihren Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Theoretische Teilchenphysik erarbeitet. Die grundlegende Theorie der einzelnen Nukleonen ist im Prinzip schon bekannt, wie die Arbeitsgruppe etwa durch die promillegenaue Berechnung der Masse des Protons und Neutrons durch Simulationen auf Höchstleistungsrechnern unter Beweis stellen konnte. Auch bei den extremen Temperaturen im Teilchenbeschleuniger hat sich die numerische Methodik bewährt, wie aus dem Vergleich mit Daten des Large Hadron Collider festgestellt werden konnte.
„Die größte Herausforderung ist nun die Verallgemeinerung der Lösungsstrategie für die Dichten, die im CBM-Experiment erreicht werden“, erläutert Fodor. Und Szabo ergänzt: „Die Zustandsgleichung bei hohen Dichten zu bestimmen ist eine der schwierigsten Aufgaben der Theorie. Kombiniert man diese Ergebnisse mit der allgemeinen Relativitätstheorie, können wir die Radien von Neutronensternen aufgrund ihrer Massen bestimmen und sogar die maximale Masse vorhersagen.“
Bis zum Start des CBM-Experiments und der Überprüfung der theoretischen Vorhersagen im Jahr 2024 wird es jedoch noch etwas dauern. Neben dem CBM-Experiment ist die Arbeitsgruppe von Kampert daher auch am bereits existierenden Vorläufer-Experiment HADES am GSI-Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung beteiligt und hier ebenfalls für den RICH-Photon-Detektor verantwortlich. Die in enger Zusammenarbeit mit der GSI durchgeführte Entwicklung und der Aufbau einer neuartigen FPGA-basierten elektronischen Auslesekette gemeinsam für beide Experimente eröffnen hierbei einzigartige Synergien und eine besonders effiziente Verwendung der bereitgestellten Forschungsmittel.
BU Wuppertal / RK
Weitere Infos
- Compressed Baryonic Matter, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Darmstadt
- AG Astroteilchenphysik (K.-H. Kampert), Fklt. für Mathematik und Naturwissenschaften, Bergische Universität Wuppertal
- AG Theoretische Teilchenphysik, Fklt. für Mathematik und Naturwissenschaften, Bergische Universität Wuppertal