Coronavirus-Proteine kommen in den Röntgenblick
Screening soll Fahndung nach einem Wirkstoff beschleunigen.
Bislang gibt es kein Mittel zur Behandlung der Infektion mit dem Coronavirus. Weltweit suchen Forschungsgruppen daher intensiv nach Ansatzpunkten für einen Wirkstoff gegen SARS-CoV-2. Eine am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY begonnene Versuchsreihe nimmt drei Schlüsselproteine des Erregers unter die Lupe und könnte bei Erfolg die Suche nach einem Medikament erheblich verkürzen.
Dabei werden rund 3700 bereits existierende und größtenteils schon zugelassene Wirkstoffe darauf geprüft, ob sie auch gegen das neue Coronavirus helfen. „Wir haben gerade das erste Plasmid bekommen, um ein erstes Protein herzustellen, das für den Reproduktionsprozess des Virus eine Rolle spielt“, berichtet DESY-Forscher Alke Meents. „Damit werden wir prüfen, welche Wirkstoffe an dieses Protein binden.“ Für die entsprechenden Röntgenmessungen fährt DESY seine Forschungslichtquelle PETRA III wieder hoch.
Viren können sich allein nicht vermehren. Sie kapern dazu Zellen ihres Wirts, schleusen ihr eigenes Erbgut in diese ein und bringen sie so dazu, neue Viren herzustellen. Bei allen diesen Schritten spielen Proteine eine wichtige Rolle. Gelingt es, ein entscheidendes Protein zu blockieren, lässt sich der Zyklus unter Umständen unterbrechen, das Virus kann sich nicht mehr vermehren, und die Infektion ist damit besiegt.
Die Wissenschaftler von DESY, den Universitäten Hamburg und Lübeck sowie vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) verfolgen bei ihrer Suche nach einem solchen Mittel den Ansatz der Strukturbiologie: Mit Röntgenlicht von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III lässt sich die dreidimensionale räumliche Struktur von Proteinen auf 0,1 Nanometer genau darstellen – eine Auflösung, die die Ansicht einzelner Atome gestattet.
„Wenn wir in der umfangreichen Datenbank mit bekannten Wirkstoffen einen Stoff finden, der besonders gut an eines der Schlüsselproteine bindet, werden Forscher an der Universität Lübeck im Labor untersuchen, ob er auch die Proteinaktivität hemmt“, berichtet Meents. In einem dritten Schritt testet das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin dann in Zellkulturen, ob der Stoff die Virusvermehrung ausbremst oder gar verhindert. Der auf diese Weise gefundene Kandidat zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 könnte erheblich schneller als eine neu entwickelte Verbindung in klinischen Studien eingesetzt werden.
Wann und ob überhaupt diese Suche von Erfolg gekrönt sein wird, lässt sich bei derartigen Studien nicht vorhersagen. „Normalerweise ist so ein Projekt auf etwa zwei Jahre angelegt. Wenn man das mit Nachdruck betreibt, geht es natürlich schneller“, berichtet Meents und hofft auf einem Glückstreffer am Anfang der Messreihen, der bereits nach einigen Wochen einen ersten möglichen Wirkstoffkandidaten liefert. Dieser könnte dann in Zellkulturen und später in Tiermodellen getestet werden. Gleichzeitig dämpft der Forscher aber auch die Hoffnung. Die Experimente stünden ganz am Anfang der Wirkstoffentwicklung, und es sei meistens ein langer Prozess bis zum fertigen Medikament.
DESY / LK
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