Cosmic Kiss: Leidenschaft für den All-Tag
Matthias Maurer ist bereit für seine erste Mission zur Internationalen Raumstation. Sein Kollege Thomas Pesquet wird demnächst ISS-Kommandant.
Nach dem promovierten Geophysiker Alexander Gerst soll am 31. Oktober der promovierte Werkstoffwissenschaftler Matthias Maurer zu seiner ersten ISS-Mission „Cosmic Kiss“ starten. Anders als Gerst, der von Kasachstan aus mit einer russischen Rakete an Bord einer Sojus-Kapsel zur ISS flog, wird Maurer mit der kommerziellen Crew Dragon-Kapsel vom NASA-Raumflughafen Cape Canaveral (Florida) dorthin gelangen.
Der gebürtige Saarländer hat sechs Jahre Grundausbildung absolviert und sich ab April dieses Jahres intensiv auf seine erste Weltraummission „Cosmic Kiss“ vorbereitet. Mit 51 Jahren ist er der bislang älteste ESA-Astronaut beim Erstflug ins All. Der Missionsname ist eine Art Liebeserklärung an das Weltall und an die Raumstation, die als Bindeglied zwischen Menschheit und Kosmos gedacht ist. Für das Missionslogo standen neben der Himmelscheibe von Nebra auch die Datenträger der Raumsonden Pioneer und Voyager Pate.
Maurer fliegt gemeinsam mit den NASA-Astronauten Raja Chari, Thomas H. Marshburn und Kayla Barron zur Internationalen Raumstation. Seine Trainingseinheiten absolvierte er unter anderem im Astronautenzentrum der ESA in Köln, am Johnson Space Center der NASA in Houston, im sogenannten SpaceX-Crew-Dragon-Cockpit in Kalifornien sowie bei den weiteren ISS-Partnern in Russland, Japan und Kanada.
Als erster ESA-Astronaut soll Matthias Maurer einen Außeneinsatz in einem russischen Raumanzug am russischen Modul absolvieren. Geplant ist, den Europäischen Roboterarm (ERA) zu montieren, mit dem sich unter anderem Experimente aus dem Inneren der Raumstation nach außen bringen lassen.
Sein wissenschaftliches Programm während der sechs Monate an Bord der ISS umfasst über 100 Experimente. 36 davon stammen aus Deutschland, mehrheitlich aus Physik und Materialwissenschaften (9), Lebenswissenschaften (7) und Technologie (6). Neun Experimente haben von Schülerinnen und Schülern beigesteuert: Sie sollen junge Menschen nicht nur für die Raumfahrt, sondern für die MINT-Fächer begeistern. Als ausgebildeter Werkstoffwissenschaftler freut sich Maurer besonders auf die Versuche mit neuen Materialien, die „wir dann hoffentlich in ein paar Jahren im Erdalltag wiederfinden werden.“
Über die Experimente in Schwerelosigkeit hat Maurer auch zukünftige Missionen zum Mond und auch Mars im Blick. Vor dem Start des Missionstrainings im April 2020 war er als Projektleiter für die Entwicklung der zukünftigen ESA-Mondsimulationsanlage Luna, einem Gemeinschaftsprojekt von ESA und DLR, in Köln tätig. Außerdem hat er an mehreren geologischen Feldübungen im Zusammenhang mit der zukünftigen Monderkundung teilgenommen. 2016 war er Teil der Crew der NASA-Analog-Mission NEEMO 21. Dafür verbrachte er insgesamt 16 Tage unter Wasser und testete Erkundungsstrategien und Werkzeuge für zukünftige Mars-Missionen.
An Bord der ISS wird er einen speziellen Trainingsanzug zur Muskelstimulation auf der Basis von Elektro-Muskel-Stimulation (EMS) testen. Das soll in Verbindung mit normalen Trainingsmethoden noch wirkungsvoller den Muskelabbau bei langen Weltraummissionen verhindern.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist in vielfältiger Weise in Maurers Mission eingebunden: Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Sitz in Bonn ist für die Auswahl und Koordination der Experimente und Beiträge deutscher Universitäten und Hochschulen sowie aus der Industrie verantwortlich. Ebenso führen DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler eigene Experimente durch. Das Columbus-Kontrollzentrum der ESA, beheimatet im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen, ist zuständig für die Planung und Durchführung der Experimente, die im europäischen Columbus-Modul auf der ISS stattfinden.
Matthias Maurer trifft auf der ISS seinen französischen Kollegen Thomas Pesquet, der demnächst auch Kommandant der Raumstation wird. Beide Astronauten haben mit der ESA am 9. September den Großen Deutsch-Französischen Medienpreis 2021 erhalten. Zur Begründung sagten der bisherige Vorstandsvorsitzende des Preises, Thomas Kleist, und sein Nachfolger, der Intendant des Saarländischen Rundfunks (SR), Martin Grasmück, man wolle auf diese Weise ein Zeichen für die internationale Zusammenarbeit und die Bedeutung von Wissenschaft für den gesellschaftlichen Dialog setzen: „Die Corona-Pandemie hat uns allen einmal mehr gezeigt, wie zerbrechlich der Planet geworden ist und dass die großen Herausforderungen der Menschheit nicht mehr im nationalen Rahmen zu lösen sind.“
DLR / Alexander Pawlak
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