Das Jahr 2013, optisch und bei anderen Wellenlängen
Das zurückliegende Jahr hat auf vielen Gebieten der Optik und Photonik überraschende Neuigkeiten gebracht, ein Rückblick.
Kohärente und ultraschnelle Photonenpulse
Das vergangene Jahr hat eine sehr kohärente Entwicklung auf dem Gebiet der Laserphysik gezeigt, und zwar bei ganz unterschiedlichen Anwendungen. So können Forscher mittlerweile nicht nur komplexe dreidimensionale Strukturen mit Hilfe von direct laser writing erzeugen. Mit Hilfe von Femtosekundenlasern lassen sich sogar Strukturen schaffen, die deutlich kleiner als die Wellenlänge der Strahlung sind. Quantenkaskadenlaser haben inzwischen solche Leistungsstärken erreicht, dass sie sich zur Analyse von Trinkwasser im laufenden Betrieb eignen.
Als eine neue Art von energiesparender Lasertechnologie könnte sich außerdem der Polariton-Laser etablieren, auch wenn diese bislang nur bei tiefen Temperaturen funktionieren. Auf der anderen Seite der Temperaturskala hingegen können ultrakurze Laserpulse dünne Nanostäbchen bei so hohen Temperaturen verdampfen, wie sie im Sonnenplasma vorliegen. Nanodrähte und Laserlicht lassen sich aber auch nicht-destruktiv in Kontakt bringen: Als winzige Quellen von Laserlicht könnten sich Nanodrahtlaser erweisen, die bei Raumtemperatur technisch verwertbare Strahlung aussenden.
Abb.: Schema des elektrisch betriebenen Polariton-Lasers. (Bild: A. Rahimi-Iman, Techn. Phys., U. Würzburg)
Mit kohärenten Photonen lässt sich sogar Tennis spielen: Einem Forscherteam gelang es, einen Femtosekundenpuls von Infrarotlaserstrahlung auf eine relativistische Schicht von Elektronen zu schießen, an denen die Photonen reflektiert wurden. Durch diesen Effekt erhöhte sich die Energie der Photonen bis in das Ultraviolette. Hier stellt sich natürlich die Frage, bis hin zu wie vielen Schlägen sich dieses auf wenige Femtosekunden abgestimmte Ping-Pong-Spiel fortsetzen ließe.
Das Wort Laserpistole klingt zwar noch ein wenig nach Hollywood: Raman-Laserpistolen hingegen sollen die Gesundheit schützen und sind nicht zum Einsatz gegen lebende Ziele gedacht: Sie können Pferdefleisch in Sekundenschnelle von anderen Fleischsorten unterscheiden und damit bei der Aufdeckung von Lebensmittelskandalen hilfreich sein. Auch in der Medizinphysik sind Lasertechnologien auf dem Vormarsch, wie die dreidimensionale Laser-Raster-Tomografie. Sie erlaubt hochaufgelöste Abbildungen, etwa von einzelnen Alveolen in Lungengewebe.
Biophotonik und medizinische Diagnostik
Aber nicht nur Laserstrahlung, auch andere biophotonische Verfahren lassen tief ins Gewebe blicken. Multiphotonen-Mikroskopie etwa ermöglicht die Untersuchung von Kollagenfasern und anderen Strukturen in Arterien und Gefäßwänden. Für hohe Auflösungen prädestiniert ist die STED-Mikroskopie (STimulated Emission Depletion), die auf Fluoreszenz basiert. Ein neues System konnte hier die Handhabung stark vereinfachen. Die STED-Mikroskopie lässt sich sogar mit der Raster-Bild-Korrelationsspektroskopie kombinieren. Damit konnten Forscher der Dynamik schneller Molekülbewegungen auf den Grund gehen. Wichtig für die medizinische Bildgebung sind außerdem multimodale Hochleistungsfasern, die bei der Endoskopie je nach zu untersuchendem Gewebe unterschiedliche Wellenlängen unterstützen.
Aber nicht nur bei Photonen, auch beim etablierten Ultraschall benötigen Mediziner möglichst hohe Auflösungen. Eine aus der Nahfeldmikroskopie bekannte Methode, Bilder unterhalb des Diffraktionslimits zu erzeugen, konnten Wissenschaftler mit Hilfe von Schall reflektierenden Mikroblasen auf Ultraschallverfahren übertragen.
Eine neue Technik erlaubt die gleichzeitige Aufnahme eines optischen Bildes lebender Zellen und des Magnetfeldes ihrer Organellen. Dazu kombinierten Forscher eine konventionelle Optik mit dünnen Stickstoff-Fehlstellen-Diamantplättchen.
Eine wichtige Fähigkeit medizinphysikalischer Diagnostik wird angesichts einer alternden Gesellschaft das zuverlässige Identifizieren von Tumoren und ihren Metastasen sein. Vor allem letztere sind für die hohe Letalität einiger Krebsarten verantwortlich. Die Fourier-Transformation-Infrarot-Spektroskopie ist nicht nur schneller als herkömmliche Methoden, sondern erreicht mittlerweile Trefferquoten von über fünfzig Prozent. Damit könnte sie sich in Zukunft als wertvolles Diagnoseverfahren erweisen. Und nicht nur bei der Brustkrebsdiagnose ist es hilfreich, möglichst präzise Bilder zu haben. Indem sie nicht nur die Röntgenstrahlung, die durch das Gewebe trat, sondern auch die Informationen der gestreuten Photonen nutzten, konnten Forscher deutlich schärfere Mammografien erstellen.
Feiner, kürzer, kleiner: Röntgenstrahlen
Nicht nur in der Medizin, sondern auch in der biochemischen Strukturaufklärung und in der Materialforschung sind Röntgenstrahlen nicht mehr wegzudenken. Besondere Fortschritte erhoffen sich viele von der Röntgenstrahlung an Freie-Elektronen-Lasern. Forscher konnten einen solchen Röntgenlaserstrahl auf nur 100 Nanometer fokussieren.
Ein begehrtes Ziel sind vor allem voll durchstimmbare Femtosekundenpulse im weichen Röntgenbereich. Mit einem Seed-Laser niedriger Frequenz, die dann zu einer höheren „hochgeschaltet“ wurde, erreichten Forscher Röntgenpulse mit einer Wellenlänge von nur 4,3 Nanometern. Alternativ zu Freie-Elektronen-Lasern könnten sich Kielfeld-beschleunigte Elektronen als kompakte Synchrotron-Röntgenstrahlungsquellen erweisen. Röntgenphotonen aus solchen Minibeschleunigern könnten bis zu zehn Megaelektronenvolt erreichen.
Von der Sonne in die Steckdose
Auch wenn die Solarbranche angesichts schwieriger Rahmenbedingungen mit international unterschiedlichen Subventionspolitiken und schwankender Förderung wirtschaftlich zum Teil etwas wackelig dasteht, so bezweifelt doch niemand, dass sie in der künftigen Energieversorgung eines der wichtigen Standbeine sein wird. Das Zauberwort, von dem viele andere Erwägungen abhängen, heißt natürlich Wirkungsgrad. Mit Hilfe von Mehrfach-Kompositsystemen rücken Wirkungsgrade von fünfzig Prozent unter konzentriertem Licht nun in den Bereich des Möglichen.
Abb.: Weltrekordsolarzelle mit 44,7 Prozent Wirkungsgrad, bestehend aus vier Teilsolarzellen auf Basis von III-V Halbleitern, für die Anwendung in der Konzentrator-Photovoltaik (Bild: Fh.-ISE)
Im Gegensatz zu Siliziumsolarzellen können Farbstoffsolarzellen bislang nur mit geringeren Wirkungsgraden prahlen. Dank einfacher Fertigungsverfahren sind sie trotzdem interessante Alternativen. Auch hier konnten Forscher neue Wirkungsgradrekorde erzielen. Möglicherweise lässt sich mit fotoelektrochemischen Zellen sogar Wasserstoff zu geringen Kosten produzieren. Eine andere neue Technologie könnte herkömmlichen Solarzellen auf die Sprünge helfen: Die Spaltung von angeregten Singlett-Exzitonen-Zuständen erlaubt zwar bislang noch keine hohen Wirkungsgrade, besitzt aber eine hohe interne Quanteneffizienz.
Terahertz-Wellen und Tarnkappen
Ein Gebiet, dessen Entwicklung erst in jüngerer Vergangenheit richtig Fahrt aufgenommen hat, ist die Terahertz-Technologie. Mittlerweile gibt es neue Methoden, Terahertzwellen nicht nur zu steuern, sondern auch zu fokussieren. Und mit ultrakurzen Laserpulsen lassen sich Terahertzquellen sogar optisch lenken.
Wem es bei der Vorstellung, mit Terahertz-Strahlen durch seine Kleidung hindurch abgescannt zu werden, kalt den Rücken hinunter läuft, der kann sich mit ebendieser Strahlung zum Aufwärmen immerhin einen mikroskopischen Tee kochen – und zwar extrem schnell: Mit theoretisch nur einer halben Pikosekunde bis zum Kochen wäre dies der schnellste Wasserkocher der Welt. Aber auch für die drahtlose Hochleistungs-Datenübertragung eignen sich Terahertz-Wellen.
Abb.: Terahertz-Quantenkaskadenlaser auf Saphir-Zwischenträger und Kupfer-Kühlkörper. (Bild: FBH)
Während die einen Dinge sichtbar machen wollen, versuchen andere, Dinge zu verbergen. Schon in den letzten Jahren zeigte sich, wie effektiv Tarnkappen aus Metamaterialien etwa Mikrowellen um ein Objekt herumlenken können. Bei kürzeren Wellenlängen wird dies jedoch zunehmend schwieriger. Ein anderes und sehr überraschendes Konzept ist deshalb die temporale Tarnkappe, die Ereignisse in einem Zeitloch verstecken kann. Noch ist allerdings unklar, wie sich diese Grundlagenforschung für die Sicherheitstechnik nutzen ließe.
Aber nicht nur für Photonen, auch für Wärme gibt es inzwischen Tarnkappen. Mit einer geschickten Anordnung von Kupfer und Silikon konnten Forscher den Wärmefluss so um ein Objekt herumleiten, als wäre dieses nicht existent.
Photonisches Allerlei
Es ist von der Theorie her zwar schon altbekannt, dass auch der Drehimpuls ein unabhängiger Freiheitsgrad von Photonen ist. Aber erst seit jüngerem interessiert sich die Technik für die entsprechenden Anwendungen – vielleicht weil der zunehmende internationale Datenverkehr nach immer höheren Übertragungsraten verlangt und jeder mögliche Freiheitsgrad einen zusätzlichen Faktor an Übertragungsgeschwindigkeit bedeutet. Herkömmliche Glasfasern verzerren diese Signale, neue Typen erlauben jedoch Drehimpuls-Multiplexing.
Aber auch in der Grundlagenforschung könnten drehende Photonen neue spektroskopische Möglichkeiten bieten. Mit Hilfe spezieller Undulatoren an einer Synchrotronstrahlungsquelle konnten Forscher hochenergetische Photonen mit Bahndrehimpuls erzeugen. In Lichtquellen der nächsten Generation werden solche Photonen unter normalen Betriebsbedingungen zur Verfügung stehen.
Es gab dieses Jahr aber auch einige andere ausgefallene elektromagnetische Phänomene zu bestaunen. Forscher konnten erstmals ein „photonisches Rad“ erzeugen: Licht mit rein transversalem Drehimpuls. Besonders stark mit Licht wechselwirkende Rydberg-Atome ermöglichten es den Photonen, aufeinander Anziehungskraft auszuüben. Damit konnten Wissenschaftler „Licht-Moleküle“ erschaffen. Die sogenannte Erstphotonenbildsynthese erlaubt es, auch bei extrem schwacher Beleuchtung dreidimensionale Bilder zu rekonstruieren. Die nichtlineare Abbe-Theorie könnte das Auflösungsvermögen weiter verbessern. Und nach Science Fiction klingt der „diametrale Antrieb“. Bei diesem verhalten sich Photonen in speziellen Medien wie Körper mit negativer und positiver Masse, so dass sie sich immer weiter gegenseitig beschleunigen können.
Abb.: Beim optischen diametralen Antrieb beschleunigen der linke Pulszug mit positiver effektiver Masse und der rechte mit negativer Masse durch eine Umkehr des dritten Newtonschen Gesetzes in die gleiche Richtung. (Bild: FAU)
Eine Ionenfalle mit rotierenden elektrischen Feldern ermöglicht es, polare Moleküle dauerhaft einzusperren und trotzdem entlang ihrer Polarisationsrichtung auszurichten. Damit konnten Forscher solche Moleküle präzisionsspektroskopisch untersuchen.
Aber auch im Alltag werden fortschrittliche photonische Technologien immer wichtiger. LEDs erweisen sich zunehmend als Energie sparende Beleuchtung. Eine Untersuchung in Museen ergab nun, dass von LED-Licht dank seines niedrigen UV-Anteils keine Gefahren für die Farben in alten Gemälden ausgehen.
Und wem all diese lichten Momente zu kurzlebig oder die Photonen zu flüchtig sind, der kann die Lichtteilchen nun mit hoher Güte einsperren: Ein photonischer Kristall eignet sich dank seiner vorzüglichen Reflektivität als neuartiger Photonenkäfig. Die Domestizierung elektromagnetischer Wellen schreitet voran.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
CT