Datenbank für topologische Materialien
Rund 700 Substanzen zeigen potenziell exotische Quanteneigenschaften.
Die weltweit erste Datenbank von Flachbandmaterialien könnte die Suche nach neuen Materialien mit exotischen Quanteneigenschaften wie Magnetismus und Supraleitung erleichtern, die in Speichergeräten oder bei der verlustfreien Energieübertragung über große Entfernungen eingesetzt werden können. Dank einer internationalen Zusammenarbeit unter der Leitung von Andrei Bernevig und Nicolas Regnault von der Princeton University sowie unter Beteiligung von Luis Elcoro von der Universität des Baskenlandes und der beiden Max Planck Institute Mikrostrukturphysik und Chemische Physik fester Stoffe könnte die Entwicklung solcher Materialien von nun an gezielter erfolgen.

Das Team führte eine systematische Suche nach potenziellen Kandidaten in einem riesigen Heuhaufen von 55.000 Materialien durch. Der Eliminierungsprozess begann mit der Identifizierung der Flachbandmaterialien, etwa elektronischer Zustände mit konstanter kinetischer Energie. In einem flachen Band wird das Verhalten der Elektronen hauptsächlich durch die Wechselwirkungen mit anderen Elektronen bestimmt. Die Forscher erkannten jedoch, dass Flachheit nicht die einzige Voraussetzung ist. Denn wenn die Elektronen zu eng an die Atome gebunden sind, können sie sich auch in einem flachen Band nicht bewegen und interessante Materiezustände erzeugen.
„Man möchte, dass sich die Elektronen gegenseitig sehen können, was man erreichen kann, indem man dafür sorgt, dass sie sich im Raum ausdehnen. Das ist genau das, was topologische Bänder bieten“, sagt Nicolas Regnault. Die Topologie spielt in der modernen Physik der kondensierten Materie eine entscheidende Rolle. Sie erzwingt die Erweiterung einiger Quantenwellenfunktionen und macht sie unempfindlich gegenüber lokalen Störungen wie Verunreinigungen. Dies könnte dazu führen, dass einige physikalische Eigenschaften, wie etwa ein Widerstand, quantisiert werden oder die Materialien perfekt leitende Oberflächenzustände besitzen. Glücklicherweise ist das Team führend bei der Charakterisierung der topologischen Eigenschaften von Bändern durch seinen Ansatz, der als "topologische Quantenchemie" bekannt ist, und verfügt damit über eine große Materialdatenbank sowie über die theoretischen Werkzeuge, um nach topologischen flachen Bändern zu suchen.
Durch den Einsatz von Werkzeugen, die von analytischen Methoden bis hin zu Brute-Force-Suchen reichen, fand das Team alle derzeit in der Natur bekannten Flachbandmaterialien. Diese Datenbank von Flachbandmaterialien ist online verfügbar mit einer eigenen Suchmaschine. „Die wissenschaftliche Gemeinschaft kann nun nach flachen topologischen Bändern in Materialien suchen. Wir haben von 55.000 Materialien etwa 700 gefunden, die potenziell interessante flache Bänder aufweisen“, sagt Yuanfeng Xu von der Princeton University und dem Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik. „Wir haben sichergestellt, dass die von uns geförderten Materialien vielversprechende Kandidaten für die chemische Synthese sind“, betont Leslie Schoop aus Princeton. Das Team hat die topologischen Eigenschaften dieser Bänder weiter klassifiziert und herausgefunden, welche Art von delokalisierten Elektronen sie beherbergen.
Nach Fertigstellung dieser umfangreichen Datenbank wird das Team nun damit beginnen, die vorhergesagten Materialien zu züchten, um die potenziell unzähligen neuen Wechselwirkungszustände experimentell zu entdecken. „Jetzt, da wir wissen, wo wir suchen müssen, müssen wir diese Materialien als Einkristalle herstellen“, sagt Claudia Felser vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe. „Wir haben ein Dream-Team von Experimentatoren, die mit uns zusammenarbeiten. Sie sind begierig darauf, die physikalischen Eigenschaften dieser Kandidaten zu messen und zu sehen, welche aufregenden Quantenphänomene sich zeigen werden.“
„Viele Leute und viele Förderinstitutionen und Universitäten, denen wir das Projekt vorstellten, sagten, dies sei zu schwierig und könne niemals verwirklicht werden. Es hat uns einige Jahre gekostet, aber wir haben es geschafft“, so Andrei Bernevig. Die Veröffentlichung dieser Datenbank wird nicht nur die Zufälligkeit bei der Suche nach neuen Materialien verringern, sondern auch eine umfangreiche Suche nach Verbindungen mit exotischen Eigenschaften wie Magnetismus und Supraleitfähigkeit ermöglichen, die in Speichergeräten oder bei der verlustfreien Energieübertragung über große Entfernungen eingesetzt werden können.
MPI CPfS / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
N. Regnault et al.: Catalogue of flat-band stoichiometric materials, Nature 603, 824 (2022); DOI: 10.1038/s41586-022-04519-1 - Festkörperchemie (C. Felser), Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden
- Materials Flatband Database, Ecole Normale Supérieure, Paris