07.04.2022

Datenbank für topologische Materialien

Rund 700 Substanzen zeigen potenziell exotische Quanteneigenschaften.

Die weltweit erste Datenbank von Flachband­materialien könnte die Suche nach neuen Materialien mit exotischen Quanten­eigenschaften wie Magnetismus und Supraleitung erleichtern, die in Speichergeräten oder bei der verlustfreien Energie­übertragung über große Entfernungen eingesetzt werden können. Dank einer internationalen Zusammen­arbeit unter der Leitung von Andrei Bernevig und Nicolas Regnault von der Princeton University sowie unter Beteiligung von Luis Elcoro von der Universität des Baskenlandes und der beiden Max Planck Institute Mikrostruktur­physik und Chemische Physik fester Stoffe könnte die Entwicklung solcher Materialien von nun an gezielter erfolgen.

Abb.: Illustration der Band­dispersionen für ein bestimmtes Material. (Bild:...
Abb.: Illustration der Band­dispersionen für ein bestimmtes Material. (Bild: MPI CPfS)

Das Team führte eine systema­tische Suche nach potenziellen Kandidaten in einem riesigen Heuhaufen von 55.000 Materialien durch. Der Eliminierungs­prozess begann mit der Identi­fizierung der Flachband­materialien, etwa elektronischer Zustände mit konstanter kinetischer Energie. In einem flachen Band wird das Verhalten der Elektronen hauptsächlich durch die Wechsel­wirkungen mit anderen Elektronen bestimmt. Die Forscher erkannten jedoch, dass Flachheit nicht die einzige Voraussetzung ist. Denn wenn die Elektronen zu eng an die Atome gebunden sind, können sie sich auch in einem flachen Band nicht bewegen und interessante Materie­zustände erzeugen.

„Man möchte, dass sich die Elektronen gegenseitig sehen können, was man erreichen kann, indem man dafür sorgt, dass sie sich im Raum ausdehnen. Das ist genau das, was topo­logische Bänder bieten“, sagt Nicolas Regnault. Die Topologie spielt in der modernen Physik der kondensierten Materie eine entscheidende Rolle. Sie erzwingt die Erweiterung einiger Quantenwellen­funktionen und macht sie unempfindlich gegenüber lokalen Störungen wie Verun­reinigungen. Dies könnte dazu führen, dass einige physikalische Eigen­schaften, wie etwa ein Widerstand, quantisiert werden oder die Materialien perfekt leitende Oberflächenzustände besitzen. Glücklicher­weise ist das Team führend bei der Charakterisierung der topo­logischen Eigenschaften von Bändern durch seinen Ansatz, der als "topo­logische Quantenchemie" bekannt ist, und verfügt damit über eine große Material­datenbank sowie über die theoretischen Werkzeuge, um nach topo­logischen flachen Bändern zu suchen.

Durch den Einsatz von Werkzeugen, die von analytischen Methoden bis hin zu Brute-Force-Suchen reichen, fand das Team alle derzeit in der Natur bekannten Flachband­materialien. Diese Datenbank von Flachband­materialien ist online verfügbar mit einer eigenen Suchmaschine. „Die wissen­schaftliche Gemeinschaft kann nun nach flachen topologischen Bändern in Materialien suchen. Wir haben von 55.000 Materialien etwa 700 gefunden, die potenziell interessante flache Bänder aufweisen“, sagt Yuanfeng Xu von der Princeton University und dem Max-Planck-Institut für Mikrostruktur­physik. „Wir haben sichergestellt, dass die von uns geförderten Materialien vielver­sprechende Kandidaten für die chemische Synthese sind“, betont Leslie Schoop aus Princeton. Das Team hat die topo­logischen Eigenschaften dieser Bänder weiter klassifiziert und herausgefunden, welche Art von delokali­sierten Elektronen sie beherbergen.

Nach Fertigstellung dieser umfangreichen Datenbank wird das Team nun damit beginnen, die vorher­gesagten Materialien zu züchten, um die potenziell unzähligen neuen Wechselwirkungs­zustände experimentell zu entdecken. „Jetzt, da wir wissen, wo wir suchen müssen, müssen wir diese Materialien als Ein­kristalle herstellen“, sagt Claudia Felser vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe. „Wir haben ein Dream-Team von Experimen­tatoren, die mit uns zusammenarbeiten. Sie sind begierig darauf, die physikalischen Eigenschaften dieser Kandidaten zu messen und zu sehen, welche aufregenden Quanten­phänomene sich zeigen werden.“

„Viele Leute und viele Förder­institutionen und Universitäten, denen wir das Projekt vorstellten, sagten, dies sei zu schwierig und könne niemals verwirklicht werden. Es hat uns einige Jahre gekostet, aber wir haben es geschafft“, so Andrei Bernevig. Die Veröffent­lichung dieser Datenbank wird nicht nur die Zufälligkeit bei der Suche nach neuen Materialien verringern, sondern auch eine umfangreiche Suche nach Verbindungen mit exotischen Eigenschaften wie Magnetismus und Supraleit­fähigkeit ermöglichen, die in Speichergeräten oder bei der verlustfreien Energie­übertragung über große Entfernungen eingesetzt werden können.

MPI CPfS / JOL

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