11.11.2021

Der Ladungsträgerdynamik auf der Spur

Oldenburger Nachwuchsforschungsgruppe will Mechanismen im Nanokosmos per Photoemissions-Elektronenmikroskopie aufdecken.

Der Oldenburger Physiker Jan Vogelsang ist in das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) aufgenommen worden. Vogelsang kann somit eine eigene Nachwuchs­forschungsgruppe aufbauen, die die DFG mit bis zu 2,5 Millionen Euro fördert. Mit seinem Projekt „Attosekunden-Ladungs­trägerdynamik an nanoskaligen Grenzflächen“ macht er Prozesse sichtbar, die zu klein sind und zu schnell ablaufen, um für das menschliche Auge erkennbar zu sein.

 

Abb.: Jan Vogelsang ist in das Emmy-Noether-Programm aufgenommen worden. (Bild:...
Abb.: Jan Vogelsang ist in das Emmy-Noether-Programm aufgenommen worden. (Bild: M. Hibbeler / U. Oldenburg)

„Unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchs­wissenschaftler gezielt und individuell zu fördern, ist ein zentrales Anliegen unserer Universität. Jan Vogelsang ist ein herausragender Forscher, seine Aufnahme in das Emmy-Noether-Programm eine hohe Anerkennung seiner Leistungen“, sagt Ralph Bruder, Präsident der Universität Oldenburg. „Jan Vogelsang ist sehr neugierig, gut strukturiert und sehr zielstrebig“, sagt Christoph Lienau, in dessen Arbeitsgruppe „Ultraschnelle Nano-Optik“ Vogelsang promovierte.

Ob Smartphone-Display, Leuchtdiode oder Glasfaser­anschluss: Die Umwandlung von elektrischer Energie in Licht – und umgekehrt die Umwandlung von Licht in Solarstrom – kommt ohne optoelektronische Bauelemente nicht aus. Sie sind die Schnittstelle zwischen elektrischen und optischen Komponenten, und sie werden immer kleiner. Mit den Prozessen, die in solchen Bauteilen ablaufen, befasst sich Vogelsang: Der Forscher arbeitet daran, die physikalischen Mechanismen im Nanobereich sichtbar zu machen.

Mit seiner Nachwuchsforschungs­gruppe will er jetzt untersuchen, welchen Weg Elektronen wählen, nachdem sie durch einen kurzen Laserimpuls angeregt wurden. Mit den experimentellen Mitteln, die Vogelsang bisher zur Verfügung standen, konnte er bereits die Bewegungsrichtung dieser Teilchen erfassen. Es fehlte aber die Möglichkeit, ihren Aufenthaltsort genau zu bestimmen.

Bei seinem neuen Verfahren setzt Vogelsang einen zweiten, nur wenige Attosekunden langen Laserimpuls ein. Dieser zweite Impuls löst die angeregten Elektronen aus der untersuchten Materie heraus, zum Beispiel aus dem Leitungsband eines Halbleiters. „Gerade diese Elektronen tragen die Informationen, die wir benötigen, und wir werden sie nun mit unserem neuen Elektronen­mikroskop genauestens untersuchen“, erklärt Vogelsang. Die Laserblitze sind so kurz, dass die Elektronen im Moment der Belichtung stillzustehen scheinen, so dass Vogelsang sich mit diesem Verfahren quasi an die Fersen der gleichzeitig extrem schnellen und kleinen Ladungsträger heften kann. Das Verfahren ermöglicht außerdem, diese Bewegungen nicht nur zu beobachten, sondern wie in einem Film sichtbar zu machen.

Ermöglicht wird die Forschung auch durch neue Geräte, die Vogelsang dank der Förderung beschaffen kann. Herzstück der Arbeit seiner Forschungsgruppe wird ein Photo­emissions-Elektronen­mikroskop sein. Dieses Gerät ermöglicht es, die beschriebenen Aufenthaltsorte von Elektronen mit einer Auflösung besser als fünfzig Nanometer abzubilden. Ergänzt durch Laser, die wie beschrieben dafür sorgen, mit der Schnelligkeit der Elektronen mithalten zu können, und ein Flugzeitspektrometer, mit dem die Bewegungs­energie der Elektronen bestimmt werden kann, entsteht ein Versuchsaufbau im Wert von rund 750.000 Euro.

Vogelsang nimmt an, dass sein Verfahren perspektivisch Kollegen ganz unterschiedlicher Forschungs­gebiete dabei helfen kann, Antworten auf Fragen zu finden, die sie bisher nur durch Ausprobieren lösen konnten. Angewendet werden könnte seine Methode beispielsweise bei Ladungs­transfer­prozessen in Solarzellen, um den winzigen Elektronen auf ihrem Weg über Materialgrenzen hinweg zu folgen. Mit diesen Einblicken in die Nanowelt kann die Wissenschaft dann Stromerzeugung gezielt dort optimieren, wo sie ihren Anfang nimmt.

Vogelsang studierte Physik in Oldenburg und München und promovierte an der Universität Oldenburg. In der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Nano-Optik unter Leitung von Christoph Lienau entwickelte er ein neuartiges Elektronenmikroskop, das die Ausbreitung einer Wolke aus Ladungsträgern mit einer bis dahin unerreichten Auflösung aufnehmen kann. Hierfür erhielt er den Friedrich-Hirzebruch-Promotionspreis der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie den „Preis für herausragende Promotion“ der Universitätsgesellschaft Oldenburg e.V. Ende 2020 erhielt Vogelsang ein „Carl von Ossietzky Young Researchers‘ Fellowship“ der Universität und kehrte damit nach einem dreijährigen, von der Europäischen Union geförderten Forschungsaufenthalt in Lund, Schweden, nach Oldenburg zurück.

U. Oldenburg / DE

 

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