Der Leidenfrost-Motor
Verdampfende Wassertropfen treiben sich auf einer heißen Oberfläche selbstständig an.
Bereits vor mehr als 250 Jahren beschrieb Johann Gottlob Leidenfrost aus Duisburg den wirren Tanz von Wassertropfen auf eine heißen Herdplatte. Bis heute lassen sich im Leidenfrost-Effekt neue Details zur Dynamik der auf einem Dampfkissen schwebenden Tropfen entdecken. Französische Physiker analysierten nun die genauen Ursachen für einen eigenständigen Antrieb der tanzenden Wassertropfen. Auf dieser Basis könnte der thermische Levitationseffekt für eine gerichtete und kontrollierbare Bewegung von Tropfen auf heißen Flächen genutzt werden.
Abb.: Leidenfrost-Effekt im Detail: Wassertropfen auf einer heißen Platte treiben sich durch eine Rotation des Wassers im Innern selbstständig an. (Bild: A. Bouillant, C. Boutilier & D. Quéré)
David Quéré und seine Kollegen von der École Supérieure de Physique et de Chimie Industrielles ESPCI in Paris ließen für ihre Versuche aberhunderte Wassertropfen auf eine glatte, 350 Grad Celsius heiße Siliziumscheibe fallen. Die Bewegungen der Tropfen verfolgten die Wissenschaftler mit einer Hochgeschwindigkeitskamera mit bis zu 4000 Bildern pro Sekunde. Zusätzlich konnten sie die Dynamik im Innern der Tropfen über den Zusatz knapp zwölf Mikrometer durchmessenden Glaskügelchen sichtbar machen. Gerade diese Methode – die Teilchenbildgeschwindigkeitsmessung oder Particle Image Velocimetry – offenbarte die Bildung von Konvektionszellen in den Tropfen.
Die Physiker entdeckten bei ihren Experimenten, dass nur annähernd kugelförmige Tropfen mit einem Durchmesser von etwa einem Millimeter sich selbst effektiv antreiben konnten. Nach dem Auftreffen auf die heiße Fläche bewegten sie sich mit einer Beschleunigung von bis zu knapp neun Zentimetern pro Quadratsekunde etwa gleichverteilt in beliebige Richtungen. Größere Tropfen dagegen zeigten diese Dynamik nicht, verfügten folglich über keinen messbaren inneren Antrieb. Dieser Effekt lässt sich auch auf der eigenen Herdplatte beobachten: Größere Wassertropfen tendieren eher als kleinere dazu, an einer Position zu verharren.
Die Ursache für dieses Verhalten offenbarte sich den Forschern bei der Analyse der Strömungen im Innern der Tropfen. In den kleineren Wassertropfen bildete sich unter der Hitze der Siliziumscheibe eine einzige Konvektionszelle. Das etwas heißere Wasser im unteren Teil des Tropfens stieg auf, etwas kälteres Wasser im oberen Teil fiel herab, so dass das Wasser im Tropfen in Rotation versetzt wurde. Diese Rotation diente nicht nur als Antrieb, sondern verursachte auch einen winzigen Druckunterschied innerhalb des Tropfens.
Das hatte zur Folge, dass die Kontaktzone aus Wasserdampf nicht mehr exakt horizontal, sondern um etwa ein Fünftel Grad verkippt war: Auf einer Seite war das Wasserdampf-Kissen also etwas dünner als auf der gegenüberliegenden. Durch die innere Rotation angetrieben bewegte sich nun der Tropfen in die Richtung, in der das Wasserdampf-Kissen etwas dünner war. Größere Tropfen ab etwa zwei Millimeter Durchmesser zeigten diesen Antrieb jedoch nicht. Denn sie waren groß genug, dass sich zwei Konvektionszellen im Innern ausbilden konnten. Die Antriebskräfte der inneren Rotation in den Konvektionszellen hoben sich gegenseitig auf.
In weiteren Versuchen wollen Quéré und Kollegen diesen Eigenantrieb der Tropfen noch näher untersuchen und die Randbedingungen ihrer Experimente weiter variieren. So wollen sie verstehen, wie sich die Dynamik beim Zusammenprall mehrerer Tropfen verändert und wie sich eine gefurchte Heizplatte auf die Bewegungen aufwirkt. Ein Ziel dabei ist es, die Richtung der sich selbst antreibenden Tropfen besser kontrollieren zu können.
Jan Oliver Löfken
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