Der Uhrmacher der Astronomie
Vor 200 Jahren wurde der französische Physiker Léon Foucault geboren.
Spätestens seit dem Roman von Umberto Eco ist der Foucaultsche Pendelversuch nicht nur Eingeweihten bekannt. Die historische Vorführung am 3. Februar 1851 im Pariser Pantheon war auch im Leben Jean Bernard Léon Foucaults (1819 – 1868) ein wichtiger Moment. Denn der Mann mit abgebrochenem Medizinstudium hatte sich einige Jahre zuvor ohne universitäre Ausbildung der Physik zugewandt. Nun waren alle Pariser Wissenschaftler von Rang und Namen versammelt, um zu sehen, wie die an einer Klaviersaite von der Kuppel hängende, 28 Kilogramm schwere Messingkugel über den Boden schwang, während die Erde langsam unter ihr hinweg rotierte.
Das Experiment brachte Léon Foucault nicht nur zahlreiche Ehrungen ein, unter anderem den Orden der Ehrenlegion, sondern auch den Beinamen „Uhrmacher der Astronomie“. Seine neue Popularität mag dazu beigetragen haben, dass er zwei Jahre nach dem Pendelversuch promoviert wurde – mit einem Thema, das für die Physik noch wichtiger war: die Messung der Lichtgeschwindigkeit. Foucault war bereits 36 Jahre alt und hatte bis zu diesem Zeitpunkt vorwiegend zu Hause in seinem Privatlabor experimentiert.
Der Sohn eines Pariser Verlegers, geboren am 18. September 1819, war ein schüchternes und kränkliches Kind. Sein Vater starb, als Léon neun Jahre alt war, und danach setzte die Mutter alles daran, ihm eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Als die Schule ihren Sohn wegen mangelnden Arbeitseifers heimschickte, bezahlte sie ihm Privatlehrer. Sie bemerkte auch die Geschicklichkeit des Teenagers, der zum Teil komplizierte Apparate wie eine Dampfmaschine oder einen Telegrafen baute.
So schlug Léon Foucaults Mutter ein Medizinstudium vor, das er 1839 begann. Unter der Aufsicht des Bakteriologen und Direktors der Pariser Charité, Alfred Donné, machte der Student zunächst gute Fortschritte. Die ersten praktischen Erfahrungen mit Patienten sowie im Seziersaal schreckten ihn jedoch so ab, dass er das Medizinstudium aufgab.
Doch stellte Donné Foucault bald als Assistenten ein, denn der junge Tüftler arbeitete zu dieser Zeit mit seinem Schulfreund Hippolyte Fizeau (1819 – 1896) daran, die fotografische Methode Daguerres zu verbessern. Die beiden Freunde waren fast gleich alt, sodass Fizeaus 200. Geburtstag am 23. September zu feiern ist.
Als Bakteriologe hatte Donné großes Interesse daran, mikroskopische Objekte zu fotografieren. Foucault gelang es, Fotografien durch das Mikroskop zu machen, nachdem er eine leistungsfähige Lichtquelle konstruiert hatte. Gemeinsam mit Fizeau konnte er die Belichtungszeit von 10 Minuten auf 10 Sekunden reduzieren. In den folgenden drei Jahren fotografierte Foucault zahlreiche Präparate von Donné und gab mit ihm 1845 einen Band mit 80 Mikrofotografien heraus.
Donné war es auch, der Foucault zu seinem Nachfolger beim „Journal des Débats“ bestimmte. Die Zeitung richtete sich an einflussreiche Männer in Industrie und Wirtschaft. Ein bis zweimal im Monat brachte sie im Feuilleton Nachrichten aus der Pariser Akademie der Wissenschaften, die bis dahin Donné verfasst hatte. Foucault erwies sich als kompetenter und begeisterter Wissenschaftsjournalist, der mit großer Sicherheit über ein breites Themenspektrum von der Physik und Astronomie über die Chemie, Biologie und Medizin bis hin zu Technik und Verkehr schrieb. Von 1845 bis 1862 verfasste Foucault einige Hundert Artikel, in denen er auch eigene Arbeiten zitierte und Meinungsverschiedenheiten mit Kollegen austrug.
Durch die Publikation der Mikrofotografien wurde der Physiker und Astronom François Arago auf Léon Foucault aufmerksam. Über Fizeau, den Arago persönlich kannte, schlug er den beiden Freunden vor, Fotografien der Sonne zu machen. In den frühen 1840er-Jahren hatten Foucault und Fizeau bereits einige Versuche zur Helligkeit der Sonne gemacht, indem sie diese mit einer elektrischen Bogenlampe verglichen. Die erste Aufnahme der Sonne, auf der die Sonnenflecken deutlich zu erkennen waren, veröffentlichten die beiden am 2. April 1845.
Begeistert von dem Erfolg regte Arago ein weiteres Experiment an, das er wegen seines nachlassenden Augenlichts nicht mehr selbst machen konnte: Fizeau und Foucault sollten die Lichtgeschwindigkeit in der Luft mit derjenigen in Wasser vergleichen. Dieses Experiment sollte Argumente für die Wellentheorie des Lichts liefern, der Arago selbst anhing, und mit der von Newton vertretenen Korpuskulartheorie des Lichts aufräumen. Von Arago stammte auch der Vorschlag, einen Lichtstrahl an einem schnell rotierenden Drehspiegel zu reflektieren. Mit einem solchen Drehspiegel hatte der Engländer Charles Wheatstone 1834 die Geschwindigkeit des elektrischen Stroms ermittelt.
Nach zwei Jahren des gemeinsamen Experimentierens zerstritten sich die beiden Schulfreunde, sodass sie ab 1847 getrennte Wege gingen. 1849 konnte Fizeau als erster einen Erfolg bei der Präzisionsmessung der Lichtgeschwindigkeit vermelden, die er ermittelt hatte, indem er den Lichtstrahl durch einen gezahnten rotierenden Spiegel unterbrach. Foucault konnte hingegen 1850 als erster nachweisen, dass die Lichtgeschwindigkeit in Wasser geringer ist als in der Luft. Seine Ergebnisse reichte er 1853 als Doktorarbeit ein. Ein knappes Jahrzehnt später ermittelte er den absoluten Wert der Lichtgeschwindigkeit mit einem verbesserten Apparat zu 298.000 Kilometer pro Sekunde.
Foucault erwies sich als einer der erfinderischsten Köpfe seiner Zeit. So entwickelte er einen Regler für Lichtbogenlampen, untersuchte Wirbelströme in Metallen, erfand den Kreiselkompass und verbesserte die Spiegelteleskope des Pariser Observatoriums, an dem er nach dem Staatsstreich von Charles Louis Napoléon Bonaparte seine erste bezahlte Stelle als Physiker erhalten hatte. Als Liebhaber der Wissenschaften hatte Napoleon III. die Stelle eigens für Léon Foucault einrichten lassen.
1860 kam Foucault auch zu internationalem Ruhm, nachdem er den Direktor des Observatoriums, Urbain Le Verrier nach Spanien begleitet hatte, um dort die Sonnenfinsternis am 18. Juli zu fotografieren. Foucault wurde in den folgenden Jahren in die Royal Society, die Leopoldina und schließlich auch in die Pariser Académie des Sciences aufgenommen.
Im Oktober bemerkte Foucault erstmals eine Taubheit in den Fingern. Die Krankheit, bei der es sich vermutlich um Multiple Sklerose handelte, nahm trotz der Bemühungen seiner Mutter, eine Kur für ihn zu finden, einen raschen Verlauf. Er starb am 11. Februar 1868 im Alter von 48 Jahren. Sein Name ist unter denjenigen der 72 Wissenschaftler und Ingenieure, die in den Eiffelturm eingraviert wurden. 2015 wurde nach der Renovierung des Panthéons eine Kopie seines historischen Pendels aufgehängt.
Anne Hardy
Weitere Infos
- J. J. O'Connor und E. F. Robertson: Jean Bernard Léon Foucault
- J. J. O'Connor and E. F. Robertson: Armand Hippolyte Louis Fizeau
- H. L. Burstyn: Foucault, Jean Bernard Léon, in: Dictionary of Scientific Biography PDF
- J. B. Gough: Fizeau, Armand-Hippolyte-Louis, in: Dictionary of Scientific Biography PDF
- Virtuelle Ausstellung zu Foucault anlässlich des 350. Geburtags des Pariser Observatoriums 2017
- Ch. M. Gariel und J. A. Lissajous (Hrsg.): Recueil des travaux scientifiques de Léon Foucault, Gauthier-Villars, Paris 1878 (Internet Archive)
- Video: Le pendule de Foucault au Panthéon (Paris – Forum des Images)
Weitere Beiträge
- A. Hardy, Pionier der angewandten Mathematik – zum 200. Geburtstag des britischen Mathematikers und Physikers George Gabriel Stokes (Physik Journal Nachrichten, 13. August 2019)
- A. Hardy, Webers Signale – zum 100. Geburtstag von Joseph Weber (Physik Journal Nachrichten, 16. Mai 2019)
- A. Hardy, Teilchen im Nebel – zum 150. Geburtstag von Charles Wilson (Physik Journal Nachrichten, 14. Februar 2019)
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