30.11.2007

Der Vater von «Columbus»

Seit 1993 ist Günther Brandt bei EADS für die Entwicklung und den Bau des europäischen Weltraumlabors «Columbus» zuständig und hat es vom Reißbrett bis zum NASA-Startplatz verfolgt.

Der Vater von «Columbus»

Bremen (dpa) - In seiner Freizeit schaut Günther Brandt gerne rückwärts: Im schnellen Ruderboot zieht er auf der Weser in Bremen seine Bahn, der Blick zum gurgelnden Kielwasser, der Körper folgt strengen, exakten Bewegungen. Mit 64 Jahren ist der Ingenieur noch bei Wettkämpfen aktiv - und beweist sich auch im Job als zäher Kämpfer mit Weitblick. Als «Vater» des europäischen Weltraumlabors «Columbus» hat er in der fast 15-jährigen Projektgeschichte bei EADS Astrium in der Hansestadt schon viele Klippen umschifft.

Der größte Rückschlag trifft Brandt unvorbereitet: Am 1. Februar 2003 hört er im Autoradio, dass der Funkkontakt zwischen der NASA und dem US-Shuttle «Columbia» abreißt. «Mir war sofort klar: Die Raumfähre ist verloren», erinnert er sich. Neben dem tragischen Tod von sieben Astronauten hat der Absturz massive Folgen für die Weltraumpläne der Europäer. Sie wollten sich mit ihrem eigenen Labor die Eintrittskarte für die Internationale Raumstation ISS sichern. Doch «Columbus» passt wegen seiner Größe nicht auf eine Ariane-5- Trägerrakete und ist daher auf die Shuttle-Transporter der Amerikaner angewiesen. Als deren Flugpläne völlig durcheinandergeraten, scheinen mit dem «Columbus»-Starttermin im Oktober 2004 auch die europäischen Träume vom Höhenflug ins All vorerst geplatzt.

Brandt und vielen anderen beteiligten Technikern schwante Böses: «Für jeden Ingenieur ist es eine Schreckensvision, etwas zu entwickeln ­ und dann landet es doch nur im Museum.» Doch der gebürtige Bremer und seine Mitstreiter treiben das Projekt weiter voran. «Ich habe immer fest an den Erfolg geglaubt.» Statt zwei gab es sogar drei Jahre Verzögerung. Seine «Tonne», wie Brandt die zylinderförmige Röhre nennt, wurde in der Zeit immer wieder getestet, modernisiert und ausgebaut.

Seit 1993 ist Brandt bei EADS für die Entwicklung und den Bau des europäischen Vorzeigelabors zuständig und hat es vom Reißbrett bis zum NASA-Startplatz verfolgt. Zwischendurch gibt es immer wieder kleinere Turbulenzen, die Brandt mit hanseatischer Zurückhaltung fast beiläufig erwähnt: «Ein reines Industrieprojekt steckt in einem engen Rahmen: Zeit, Kosten und Qualität. Doch hier war die genaue Abstimmung zwischen den europäischen Partnern ein großes Thema.»

Dahinter steckte ein kompliziertes Gerangel der Politik um Prestige, Einfluss und Geld. Zunächst musste «Columbus» bis zur letzten Schraube an die hochkomplexen Systeme der ISS passen. Und außerdem wollten 41 Unterauftragnehmer in zehn europäischen Ländern ­ abhängig von ihrem Beitrag an Europas Weltraumorganisation ESA ­ ein Stückchen von dem 880 Millionen-Euro-«Kuchen» abbekommen. Fantasie, Improvisation und viel Organisationsgeschick waren gefragt, um etwa den 0,1 Prozentanteil der Schweden zu aller Zufriedenheit abzustecken.

Am Ende passte alles zusammen, und «Columbus» wartet nach harten Tests auf der Erde auf die Bewährungsprobe im All. «Jetzt kann ich nichts mehr machen - außer mich auf die Party nach dem Start zu freuen», sagt Brandt. Durch das Weltraumlabor könnten Forscher einen Blick in die Zukunft werfen ­ zum Beispiel die Chancen für Reisen zum Mond und zum Mars erkunden.

Hans-Christian Wöste, dpa

Stichwort «Columbus»

Das Weltraumlabor «Columbus» gilt als Europas «Eintrittskarte» zur Internationalen Raumstation ISS. Diese ist seit dem Jahr 2000 ständig mit Raumfahrern und Ingenieuren besetzt und umkreist die Erde in rund 400 Kilometer Höhe. Wenn das acht Meter lange «Columbus»-Labor dort angedockt ist, bietet es Astronauten eine komfortable Umgebung für wissenschaftliche Forschungen. Viele der geplanten Experimente sind unter Schwerkraft-Bedingungen auf der Erde nicht machbar.

An Bord von «Columbus» sind zehn Experimentierschränke. Die wichtigsten Einrichtungen: - Im Biolab sind Versuche mit Zellen, Gewebekulturen, Mikroorganismen, kleinen Pflanzen und wirbellosen Tieren möglich. - Im European Physiology Module (EPM) werden Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus untersucht. - Im Fluid Science Lab (FSL) kann das Verhalten von Flüssigkeiten beobachtet werden. - Ein Mehrzweckschrank bietet Platz für kleinere Nutzlasten und hat Anschlüsse für Daten- und Videoübertragung. - Zwei «Balkone» mit außen angebrachten Messinstrumenten dienen zur Sonnenbeobachtung und für biologische Versuche.

Die ersten Experimente im Biolab behandeln unter anderem den Einfluss der Schwerkraft auf Zellen und Pflanzen. Mediziner interessiert der Zusammenhang zwischen Ernährung, Salz-Haushalt und dem Herz-Kreislauf-System sowie Phänomene wie Knochenschwund und Veränderungen des Immunsystems. Beim Geoflow-Experiment der Technischen Universität Cottbus wird ein künstliches Schwerkraftfeld erzeugt, um geophysikalische Vorgänge im Erdinneren wie Veränderungen des Magnetfeldes nachzuvollziehen.

«Columbus» wurde für 880 Millionen Euro für die europäische Weltraumagentur ESA federführend bei EADS in Bremen gebaut. Deutschland war und ist maßgeblich am Bau, dem Betrieb und der Nutzung beteiligt. Das Kontrollzentrum steht in Oberpfaffenhofen.

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