06.10.2020 • NobelpreiseAstronomieAstrophysik

Die Existenz der Schwarzen Löcher

Der Physik-Nobelpreis 2020 zeichnet Arbeiten aus, welche entscheidend für den Nachweis der Existenz Schwarzer Löcher waren.

In diesem Jahr dreht sich beim Physik-Nobelpreis alles um „das dunkelste Geheimnis der Milchstraße“, nämlich um Schwarze Löcher. Der britische mathematische Physiker Roger Penrose von der Universität Oxford erhält eine Hälfte des Preises für „seine Entdeckung, dass die Entstehung Schwarzer Löcher eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist“.

Die andere Hälfte teilen sich der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching und die US-amerikanische Astronomin Andrea Ghez von der University of California in Los Angeles für „ihre Entdeckung eines supermassiven Objekts im Zentrum der Milchstraße“.

Abb.: Den Physik-Nobelpreis 2020 erhalten Roger Penrose (links), Reinhard...
Abb.: Den Physik-Nobelpreis 2020 erhalten Roger Penrose (links), Reinhard Genzel (Mitte) und Andrea Ghez. (Bild: Cirone-Musi, Festival della Scienza / MPE / UCLA / Christopher Dibble, CC BY-SA 2.0)

Roger Penrose (geb. 1931) zählt sicher zu den bedeutendsten lebenden Theoretikern der modernen Physik. Seine Arbeiten befassen sich insbesondere mit den mathematischen Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie und Kosmologie sowie ihren Folgerungen für die Kosmologie.

Er hat aber auch grundlegende geometrische Beiträge zur Theorie der später entdeckten Quasikristalle geleistet. In seinen späteren Arbeiten hat er sich mit Problemen der Vereinigung von Quanten- und Gravitationstheorie und der Frage nach der Bedeutung der Quantenmechanik für das menschliche Bewusstsein beschäftigt.

Penrose studierte zunächst Mathematik in London. Er promovierte 1958 an der Universität Cambridge mit einer Arbeit zu „Tensormethoden der algebraischen Geometrie“. Der Kontakt mit dem Kosmologen Dennis Sciama, bei dem Stephen Hawking 1966 promovierte, lenkte Penroses Interesse auf die Folgerungen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie für astrophysikalische und kosmologische Fragestellungen. Seine Twistor-Theorie war ein Versuch, Gravitation und Quantenmechanik zu vereinheitlichen.

Eine seiner zentralen Arbeit, für die er den diesjährigen Nobelpreis erhält, erschien 1965 unter dem „Titel „Gravitational collapse and space-time singularities“. Darin zeigte er, dass bei der Implosion von Sternen am Ende ihrer Lebenszeit ein Punkt überschritten werden kann, bei dem nichts mehr der Schwerkraft entgegenwirkt und eine Singularität entsteht. Mit Hilfe topologischer Methoden bewies er, dass dies für reale und nicht nur idealisierte Sterne gilt. Diese Erkenntnis stellte sich auch als fruchtbar für Überlegungen zum Urknall heraus, die er zusammen mit Stephen Hawking anstellte.

Ebenso schwierig wie die Theorie erwies sich der Nachweis Schwarzen Löcher, die keinerlei Strahlung emittieren und sich nur durch ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar machen. Bereits vor vierzig Jahren deutete die Infrarot-Beobachtung von ionisiertem Gas um das Zentrum der Milchstraße darauf hin, dass sich dort ein enorm massereiches Objekt befindet, möglicherweise ein gigantisches Schwarzes Loch.

Die besondere Schwierigkeit der Beobachtung von Sternen nahe des galaktischen Zentrums besteht darin, dass dort interstellarer Staub und Gas die sichtbare, ultraviolette sowie weiche Röntgen-Strahlung fast vollständig absorbieren. Beobachtungen sind also nur bei großen Wellenlängen – im Infrarot- und Radiobereich – und bei sehr kleinen Wellenlängen – im harten Röntgen- und im Gammabereich – möglich.

Reinhard Genzel und Andrea Ghez gelang mit es mit ihren Arbeitsgruppen unabhängig voneinander, die Bewegung von Sternen nahe des galaktischen Zentrums zu messen und daraus auf die Existenz eines massenreichen Schwarzen Loches von über vier Millionen Sonnenmassen zu schließen.

Möglich wurde dies ab Mitte der 1980er-Jahre durch verbesserte Messtechnik, mit der sich dank abbildender Detektoren die Empfindlichkeit und Winkelauflösung enorm steigern ließ. Hier spielt insbesondere die Entwicklung der „adaptiven“ Optik eine wichtige Rolle, welche die Auswirkungen der störenden Luftunruhe minimiert.

Reinhard Genzel (Jahrgang 1952) ist seit 1986 Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik sowie Professor an der LMU München und an der University of California in Berkeley. Für seine Forschungen wurde er bereits vielfach ausgezeichnet. 2003 erhielt er mit der Stern-Gerlach-Medaille die höchste Auszeichnung der DPG für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der experimentellen Physik.

Die amerikanische Astronomin Andrea Ghez (Jahrgang 1965) ist Professorin an der University of California in Los Angeles. Auch sie erhielt bereits zahlreiche Forschungspreise, darunter den Newton-Lacy-Pierce-Preis der American Astronomical Society (1998), den Sackler-Preis für Physik (2006) und ein MacArthur Fellowship (2008).

Reinhard Genzel und Andrea Ghez sind für ihren Forschungen 2012 gemeinsam mit dem Crafoord-Preis in Astronomie der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet worden. Beide erforschen bis heute das galaktische Zentrum, um die Entstehung und Entwicklung von Galaxien und ihrer zentralen Schwarzen Löcher besser zu verstehen.

Mit dem Event Horizon Telescope, einem weltweiten Verbund von Radioteleskopen,war es 2019 gelungen, den „Schatten“ des Schwarzen Loches im Zentrum der Galaxie M87 abzubilden. Dieses ist mit rund 6,6 Milliarden Sonnenmassen über tausend Mal massereicher als das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.

Bedingt durch die Corona-Pandemie wird in diesem Jahr auch die Nobelpreis-Zeremonie am 10. Dezember anders verlaufen. Die Medaillen und Urkunden erhalten die Preisträgerinnen und Preisträger in ihrem Heimatland. Statt der traditionellen Veranstaltung im Konserthuset Stockholm wird es eine im Wesentlichen digitale Zeremonie geben, die in der Stadthalle von Stockholm vor kleinem Publikum stattfinden soll.

Alexander Pawlak

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