08.02.2024

Die größte je in einem Fusionsexperiment erzeugte Energiemenge

0,2 Milligramm Brennstoff ersetzen zwei Kilogramm Braunkohle.

Am Joint European Torus (JET) in Großbritannien gelang es einem europäischen Forschungsteam, 69 Megajoule Energie aus 0,2 Milligramm Brennstoff zu erzeugen. Es handelt sich um die größte Energiemenge, die je in einem Fusionsexperiment erreicht wurde.

JET Innenraum mit darübergelegter Plasmaaufnahme.
Abb.: JET Innenraum mit darübergelegter Plasmaaufnahme.
Quelle: United Kingdom Atomic Energy Authority (UKAEA)

Fusions­kraftwerke sollen nach dem Vorbild der Sonne leichte Atom­kerne ver­schmelzen, um damit aus sehr geringen Brenn­stoff­mengen gewaltige Energie­mengen für die Menschheit nutzbar zu machen. Das europäische Forschungs­konsortium EUROfusion verfolgt dabei das Konzept Magnetfusion, das unter Experten als das am weitesten fortgeschrittene gilt. Mit den Groß­experimenten ASDEX Upgrade und Wendelstein 7-X treibt das Max-Planck-Institut für Plasma­physik (IPP) die Forschung dafür in Deutschland voran.
 
Für Experimente mit dem Brenn­stoff späterer Kraftwerke (Deuterium und Tritium) betrieben Europas Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler gemeinsam mit der britischen Atom­energie­behörde UKAEA die Forschung­sanlage JET bei Oxford. Dort gelang am 3. Oktober 2023 ein neuer Welt­rekord: 69 Megajoule Fusions­energie wurden während einer 5,2 Sekunden andauernden Plasma­entladung in Form schneller Neutronen freigesetzt. 0,2 Milligramm Brennstoff waren dafür erforderlich. Für die gleiche Energie­menge hätte es etwa 2 Kilogramm Braun­kohle gebraucht – also rund zehn Millionen Mal soviel. Damit steigerte JET seinen eigenen Rekord aus dem Jahr 2021 (59 Megajoule in 5 Sekunden) noch einmal.
 
„Dieser Weltrekord ist eigentlich ein Nebenprodukt. Er war nicht aktiv geplant, aber wir haben darauf gehofft“, erklärt IPP-Wissen­schaftlerin Dr. Athina Kappatou, die bei JET als eine von neun Task Force Leaders arbeitete. „In dieser experi­mentellen Kampagne ging es hauptsächlich darum, die verschiedenen Bedingungen zu erreichen, die für ein späteres Kraftwerk notwendig sind, und so realis­tische Szenarien zu testen. Ein positiver Aspekt war aber, dass auch die Experimente von vor zwei Jahren erfolg­reich reproduziert und sogar über­troffen werden konnten." Letzteres war bei dem Rekord­experiment der Fall. Die gesamte Kampagne ist essen­tiell für den späteren Betrieb der inter­nationalen Fusions­anlage ITER, die derzeit in Süd­frankreich gebaut wird sowie für das geplante europäische Demons­trations­kraftwerk DEMO. Über 300 Wissen­schaftler und Ingenieure von EURO­fusion haben zu diesen bahn­brechenden Experi­menten beigetragen.
 
Bei dem JET-Rekord wurde keine positive Energie­bilanz erreicht – es musste also mehr – in diesem Fall etwa dreimal so viel – Heiz­energie ins Plasma investiert werden als an Fusions­energie erzeugt werden. Tatsächlich ist ein „Energie­gewinn“ physikalisch mit JET und allen anderen der­zeitigen Magnet­fusions­experimenten weltweit nicht möglich. Denn für eine positive Energie­bilanz müssen diese Fusions­anlagen eine bestimmte Größe überschreiten, was bei ITER der Fall sein wird.
 
Das Rekord­experiment (JET-Plasma­entladung Nummer 104.522) vom Herbst war eines der letzten bei JET überhaupt. Nach vier Jahr­zehnten wurde der Betrieb Ende 2023 planmäßig beendet. Während die JET-Arbeits­gruppen weiterhin ihre Daten auswerten und veröffentlichen, werden Teile von JET in anderen Fusions­anlagen genutzt und das gewonnene Wissen fließt in Fusions­experimente rund um den Erdball ein.
 

IPP / LK

 

 

 


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