Wichtiger Schritt zum Fusionsreaktor
Sebastijan Brezinsek erhält den Nuclear Fusion Award der IAEA.
Die internationale Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency, IAEA) vergibt jährlich seit 2006 den „Nuclear Fusion Award“ für die Veröffentlichung, die in den vergangenen vier Jahren den größten wissenschaftlichen Einfluss in der Fusionsforschung hatte. Rückwirkend für das Jahr 2022 erhält den Preis Sebastijan Brezinsek, Physikprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und Wissenschaftler am Institut für Energie- und Klimaforschung des Forschungszentrums Jülich (FZJ). Das ausgezeichnete Paper befasst sich mit dem Verhalten von Wolfram auf Prallplatten am Plasmaexperiment JET.
Die Fusion leichter Atomkerne zu schwereren Teilchen setzt große Mengen Energie frei – mehr als in jedem anderen physikalischen Prozess. Die Kernfusion ist die Energiequelle der Sterne. Sie ist auch eine vielversprechende Option für die zukünftige Energieversorgung, an der seit mehr als siebzig Jahren Physiker und Ingenieure arbeiten.
Sebastijan Brezinsek forscht im EUROfusion-Verbund unter anderem am Plasmaforschungsreaktor JET (Joint European Torus) im britischen Culham zu der Frage, was passiert, wenn hochenergetische Plasmateilchen die Wand eines Fusionsreaktors treffen. Einerseits ist dies wichtig, um Energie aus einem Reaktor zu gewinnen. Andererseits können dabei aber auch Teilchen aus der Wand herausgelöst werden und das Plasma verschmutzen, was die Fusionsreaktion stört.
Im Jahr 2019 veröffentlichten Brezinsek und Kollegen dazu in der vom „Institute of Physics“ (IOP) betreuten Zeitschrift „Nuclear Fusion“ die viel beachtete Studie „Erosion, screening, and migration of tungsten in the JET divertor“. Sie wird nun von der IAEA mit dem „Nuclear Fusion Award“ ausgezeichnet.
Das Forschungsteam beschreibt in dem Paper die Zerstäubung von Wolfram durch das Bombardement mit Wasserstoffionen an den Prallplatten im Divertor des JET. Der Divertor dient zur Beseitigung des Fusionsprodukts Helium und anderer Verunreinigung im Reaktor. Die Prallplatten in ihm sind für die Leistungs- und Teilchenauskopplung verantwortlich und bestimmen damit die Verfügbarkeit der Anlage. Die Autoren der Studie beschreiben, wie Wolfram freigesetzt wird, wie viel davon in die Plasmabrennkammer kommt – was das heiße Plasma verunreinigt – und wie die Wolframionen letztendlich abtransportiert werden.
Brezinsek sagt: „JET und die zugehörige Simulation der Plasma-Wand-Wechselwirkung gelten als Referenz für das Verhalten der Wolframprallplatten in dem zukünftigen Fusionstestreaktor ITER. Das langfristige Ziel der Experimente am JET ist, die besten Bauteile und Betriebsparameter für ITER zu finden, um dann die Optionen für eine Energieversorgung durch Kernfusion final zu evaluieren.“
Die physikalischen und technischen Herausforderungen auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk sind gewaltig. Um eine Fusionsreaktion auszulösen, müssen leichte Atomkerne mit hoher Energie und damit hohen Temperaturen von vielen Millionen Grad Celsius miteinander kollidieren. Eine der seit Jahrzehnten verfolgten Technologien sind die Tokamaks: ringförmige Plasmareaktoren, in denen durch starke Magnetfelder ein verdünntes, ionisiertes Wasserstoffgas in Form eines Torus gezwungen wird. Darin wird es extrem erhitzt, um die Verschmelzung der Wasserstoff- zu Heliumkernen zu erreichen.
Experimente wie der JET in Culham werden von internationalen Kollaborationen betrieben. Sie sollen diverse Teilprobleme lösen, um schließlich das aktuell im französischen Cadarache im Bau befindliche Fusionsexperiment ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) realisieren zu können. ITER soll schließlich den Bau des ersten Fusionsreaktors DEMO (DEMOnstration Power Plant) ermöglichen.
U. Düsseldorf / DE