Die Physik geht leer aus
Erstmals seit 24 Jahren gibt es keinen Ig Nobel-Preis für Physik.
Die Nobelpreis-Saison kündigt sich durch sein lustiges Pendant an. Bevor Anfang Oktober das Preis-Komitee in Stockholm seine Preisträgerinnen und Preisträger verkündet, steigt in Harvard im September seit 1991 die ausgeflippte Zeremonie für die Verleihung der Ig Nobel-Preise. Diese würdigen Forschungen, die erst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen. Im vergangenen Jahr erhielt der Franzose Marc-Antoine Fardin den Ig Nobel-Preis für Physik für seine rheologischen Untersuchungen an Katzen, die klären sollten, ob Stubentiger einen flüssigen oder festen Aggregatzustand einnehmen.
Die 28. Ig Nobel-Zeremonie am 13. September 2018
In diesem Jahr fand die Ig Nobel-Zeremonie am 13. September im historischen Sanders-Theater der Universität Harvard vor 1100 Zuschauern statt, wie gewohnt begleitet von herumschwirrenden Papierfliegern und einer eigens komponierten „Mini-Oper“, die sich diesmal der Reparatur gebrochener Herzen widmete. Die Preise überreichten wie immer echte Nobelpreisträger, darunter erneut Wolfgang Ketterle (Physik, 2001).
Doch diesmal ging ausgerechnet die Physik leer aus, die bislang nur einmal und zwar im Jahr 1994 nicht berücksichtigt wurde. Die erste Ig Nobel-Preisverleihung 1991 zeichnete zwar auch keine physikalische Forschung aus, den Ig Nobel-Preis für Frieden erhielt aber ein renommierter Physiker, nämlich Edward Teller „der Vater der Wasserstoffbombe und erste Vorkämpfer für das ‚Star Wars‘-Waffensystem, für seine lebenslangen Bemühungen, die Bedeutung von Frieden, wie wir ihn kennen, zu verändern“.
Muss sich die Physik-Welt nun grämen? „Die Kategorien waren nie sehr wichtig, auch wenn es von außen gesehen oft entscheidend sein mag, wer wohl diesmal den Physikpreis gewinnt“, sagte Marc Abrahams, Begründer des Ig Nobel-Preises, bei seinem ersten Besuch in Deutschland Anfang März: „In der Regel wählen wir erst die Gewinner und dann die Kategorien aus.“
Ein klassisches Beispiel ist eine medizinische Arbeit, die mit insgesamt 973 Autoren hundertmal mehr Autoren als Seiten hatte und 1993 den Ig-Nobel-Preis für Literatur gewann. Zur Zeremonie wurde der Chefredakteur des Journals eingeladen. Darüber kann die Physik-Community nur müde lächeln: Die LHC-Kollaboration konnte 2015 mit einem 33-seitigen Paper aufwarten, das auf den ersten neun Seiten über 5000 Autoren aufführte.
Die diesjährigen Ig Nobel-Preisträgerinnen und -Preisträger haben aber wie üblich bedenkenswerte bis bedenkliche Forschungen vorzuweisen, beispielsweise in den beiden Kategorien, bei denen auch Forscher aus Deutschland ausgezeichnet wurden: Den Anthropologie-Preis gab es für die Erkenntnis, dass Schimpansen im Zoo die Menschen genauso oft nachahmen wie umgekehrt. In der Biologie wurde eine Arbeit ausgewählt, die zeigte, dass Weinexperten zuverlässig am Geruch erkennen können, ob sich eine Fliege im Weinglas befindet.
Wie gewohnt mussten die Gewinner auf eigene Kosten nach Harvard reisen, doch die diesjährige Verleihung lockte erstmals auch mit Geld: Jedes Gewinnerteam erhielt eine Zehn-Milliarden-Dollar-Note aus Simbabwe. Diese sind zwar nichts wert, müssen aber wie das Preisgeld des Nobel-Preises nicht forschungsgebunden eingesetzt werden.
Mit steigender Popularität bewerben sich immer mehr Forscherinnen und Forscher selbst um einen Ig Nobel-Preis. „Die Gesamtzahl der Nominierungen ist gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es grob geschätzt 9000“, sagt Marc Abrahams: „Der Prozentsatz der Selbstnominierungen ist komischerweise gleichgeblieben und liegt grob zwischen 10 bis 20 Prozent. Selbstnominierungen gewinnen allerdings so gut wie nie.“
Zeremonienmeister Abrahams schloss den diesjährigen Ig Nobel-Abend mit den Worten: „Wenn Sie heute Abend keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben – und vor allem, wenn Sie es getan haben – mehr Glück im nächsten Jahr“. Das lässt hoffen, auch für die Physik.
Alexander Pawlak
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