14.09.2021 • Materialwissenschaften

Dreieckige Honigwaben aus Indium

Quantenphysiker designen ein neues Zukunftsmaterial.

Forscher des Würzburg-Dresdner Exzellenz­clusters „ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter“ haben ein neues Quanten­material erfunden und hergestellt. Dieses „Indenen“ besteht aus einer einzelnen Atomlage des chemischen Elements Indium und gehört zur Materialklasse der topo­logischen Isolatoren. Sein maßge­schneidertes Struktur-Design als dreieckiges Atomgitter ist für solche Materialien nicht nur vollkommen neu, sondern bietet auch wesentliche Vorteile für zukünftige Anwendungen. Topo­logische Isolatoren gelten seit ihrem ersten Nachweis als Zukunfts­material für Quanten­computer und die Entwicklung kleinster elektronischer Bauteile.

Abb.: In der Über­lagerung von ge­messener Elektronen­ver­teilung (links)...
Abb.: In der Über­lagerung von ge­messener Elektronen­ver­teilung (links) und drei­eckiger Atom­struktur (rechts) wird deut­lich, dass die Elek­tronen (gelb) nicht auf den grauen Indium Atomen sitzen, sondern sich in den leeren Regionen (rot und blau) sammeln. (Bild: ct.qmat)

Topologische Isolatoren versprechen eine effi­zientere und nach­haltigere Halb­leiter­techno­logie. Anders als bei herkömm­lichen Isolatoren bewegen sich Elektronen nur auf dem Rand des Materials, ganz ohne gestreut zu werden. Bei der Suche nach neuen topo­logischen Isolatoren sind bisher alle Theoretiker davon ausgegangen, dass die Anordnung der Atome in einem zwei­dimen­sio­nalen Honig­waben­gitter besonders viel­ver­sprechend ist – wie bei Graphen, einer einzelnen Lage aus Graphit. Nicht so das Würz­burger Forscher­team. Die Wissen­schaftler um Projekt­leiter Giorgio Sangio­vanni haben eine alter­native Atom­struktur vorge­schlagen: das Dreieck.

Mit modernster Molekular­strahl­techno­logie haben die Forscher der Arbeits­gruppe von Ralph Claessen diese Idee praktisch umgesetzt und eine einzelne Schicht Indiumatome als Dreiecks­gitter auf dem Träger­material Silizium­karbid aufgebaut – so entstand Indenen. Durch diese neuartige Material­kombination halten sich die Elektronen nicht direkt bei den Indium­atomen selbst, sondern bevorzugt im Raum zwischen ihnen auf. Aus der Sicht des Elektrons ergibt sich als „Negativ“ des Dreiecks­gitters ein Honig­waben­gitter – versteckt in den Leer­räumen der Atom­struktur.

Projektleiter Giorgio Sangiovanni erklärt das mit der quanten­mecha­nischen Wellen­natur von Teilchen: „Man kann sich die Indium-Elektronen als Wellen vorstellen, die sich auf den Zwischen­positionen des Dreiecks­gitters über­lagern. Dadurch sitzen die Elektronen nicht auf den Dreiecks­positionen der Indium Atome, sondern sammeln sich in den leeren Regionen dazwischen. Interes­santer­weise führt die sich daraus ergebende versteckte Honig­waben-Struktur zu einem robusteren topo­logischen Isolator als Graphen es ist.“

Die einzigartige Kombination aus Atom­gitter und Material hat entscheidende Vorteile für zukünftige elektronische Bauteile: Anders als Graphen benötigt Indenen keine Abkühlung auf ultratiefe Temperaturen, um seine Eigen­schaften als topo­logischer Isolator nutzbar zu machen. Zudem erlaubt das einfache Dreiecks­gitters die Herstellung großer zusammen­hängender Bereiche – eine Hürde, an der andere topo­logische Isolatoren bisweilen gescheitert sind.

„Wir waren schon verblüfft, dass eine so einfache Atom­struktur topo­logische Eigen­schaften zeigen kann. Das ist ein wesent­licher Vorteil für die Erzeugung perfekter Indenen-Filme, wie man sie zur Nano­pro­duktion elektro­nischer Bauteile benötigt. Hinzu kommt, dass uns die Verwendung von Silizium­karbid als Träger­material eine direkte Anknüpfung an bewährte Halb­leiter­techno­logien erlaubt“, bewertet Claessen das Forschungs­ergebnis.

Die einfache Struktur von Indenen ist jedoch gleich­zeitig sein Problem: Sobald die einzelne Indium-Atomlage mit Luft in Kontakt kommt, verliert das Material seine außer­ge­wöhn­lichen Eigen­schaften. Daher entwickeln die Forscher derzeit geeignete Schutz­schichten, um das Indenen vor Ver­unrei­ni­gungen im Produktions­prozess zu schützen. Sobald diese techno­logische Heraus­forderung gelöst ist, steht der Nutzung dieses viel­ver­sprechenden topo­logischen Quanten­materials nichts mehr im Weg.

JMU / RK

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