Mit dem diesjährigen Karl-Scheel-Preis würdigt die Physikalische Gesellschaft zu Berlin die Arbeiten von Daniela Rupp vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie auf dem Gebiet der Wechselwirkung höchstintensiver Röntgenpulse mit Materie sowie der Abbildung einzelner Nanoteilchen und deren ultraschneller Dynamik.
Die Untersuchung der Wechselwirkung von intensiven, kurzwelligen Lichtpulsen mit Materie hat sich in den letzten Jahren zu einem sehr aktuellen, interdisziplinären Forschungsgebiet entwickelt. Dank der sehr kurzen Dauer der Lichtpulse von Freien-Elektronen-Lasern kann im fokussierten Lichtstrahl im Röntgenbereich erstmals eine extreme Leistungsdichte erzielt werden. Die Kombination der extremen Leistungsdichte und kurzer Wellenlänge verspricht eine einzigartige Anwendung: die Abbildung von einzelnen Nanoteilchen und Makromolekülen. Das Verfahren beruht darauf, eine Aufnahme so kurz zu belichten, dass sich die Schädigung der Probe nicht zeigt, weil sie verzögert eintritt. Welche Auflösung sich erzielen lässt, hängt daher entscheidend davon ab, wie stark die Probe durch den intensiven Lichtstrahl geschädigt wird, so dass ein fundamentales Verständnis der lichtinduzierten Dynamiken von zentralem Interesse ist.
Zwei neue experimentelle Methoden sind besonders erwähnenswert. Zum einen hat Frau Rupp einen neuen Ansatz realisiert, der eine Lösung für ein zentrales Problem bei der Abbildung der Dynamik von Nanoteilchen liefert. Nanoteilchen sind in der Regel nie identisch, doch die klassische Methode, die Veränderung mit Anrege-Abtast-Methoden abzubilden, liefert nur ein Bild des veränderten Zustands; der Ausgangszustand ist unbestimmt. Frau Rupp hat mit ihrem Team eine Apparatur aufgebaut, die den Lichtstrahl in zwei Teilstrahlen aufteilt und gegeneinander verzögert, so dass dann auf zwei verschiedenen Detektoren jeweils ein Bild des ursprünglichen Teilchens und, zeitlich verzögert, ein zweites Bild aufgenommen werden können. Nimmt man eine Vielzahl von Bildpaaren bei verschiedenen Verzögerungen auf und sortiert die Aufnahmen anschließend nach identischen Ausgangsbildern, gewinnt man so eine Art Film der zeitlichen Veränderung.
Zum anderen war die Abbildung von einzelnen Nanopartikeln bisher nur mit Freie-Elektronen-Lasern möglich. Mit einem internationalen Forscherteam ist es nun Frau Rupp erstmals gelungen, einzelne Nanopartikel mit einer Laborquelle abzubilden. Durch die geschickte Wahl von Parametern und Helium-Nanotröpfchen als geeigneter Probe, gelang es ihr, nicht nur aus technischer Sicht ein Pionierexperiment durchzuführen, sondern damit auch ein wissenschaftlich hochinteressantes Ergebnis zu erzielen. Sie konnte mit ihrem Team zeigen, dass schnell rotierende Tröpfchen, statt einer oblaten, wagenradähnlichen Form, eher prolate, zigarrenförmige Formen annehmen. Mit dem sehr erfolgreichen Experiment eröffnen sich ganz neue Forschungsfelder, denn Quellen auf der Basis von höheren Harmonischen liefern im Vergleich zu Freie-Elektronen-Lasern recht schwache, dafür aber sehr viel kürzere Pulse, bis hin zu Attosekunden, so dass erstmals die Elektronenbewegung direkt abgebildet werden kann. Dieses richtungsweisende Experiment war sicherlich auch ein wesentlicher Grund dafür, dass es ihr gelang, am Max-Born-Institut eine Leibniz-Nachwuchsgruppe einzuwerben.
Thomas Möller vom Institut für Optik und Atomare Physik der Technischen Universität Berlin betont: „Frau Rupp hat gezeigt, dass sie eine hervorragende Nachwuchswissenschaftlerin ist. Sie hat in den letzten Jahren sehr originelle Ideen entwickelt und bewiesen, dass sie ein Forschungsteam sehr erfolgreich führen kann, indem es ihr gelang, die Ideen in erfolgreichen Experimente umzusetzen. Sie zeigt eine besondere Kombination von exzellenter wissenschaftlicher Qualifikation, der Begeisterung für die Physik und der Fähigkeit zum Motivieren, Fordern und Fördern. Sie ist inzwischen in der universitären und außeruniversitären Welt gleichermaßen zu Hause und plant, sich in Kürze zu habilitieren.“
Daniela Rupp arbeitet seit September 2017 im Bereich A: Attosekundenphysik am Max-Born-Institut in Berlin. Nach dem Abschluss ihrer Promotion an der Technischen Universität Berlin im Mai 2013 war Frau Rupp fast 4,5 Jahre als Wissenschaftlerin mit Teamleitung in der Arbeitsgruppe von Möller an der Technischen Universität Berlin tätig. In dieser Zeit führte sie eine Reihe von Projekten durch, deren Ergebnisse das Verständnis der Abbildung und Wechselwirkung von Nanoteilchen mit intensiven Röntgenpulsen vorangebracht haben. So zeigte sich in den Arbeiten an freien Nanopartikeln, dass es möglich ist, aus einem einzigen Streubild die dreidimensionale Struktur und Orientierung einer Nanostruktur zu erhalten, wenn genügend Streusignal in hohen Streuwinkeln aufgenommen werden kann.
In Frau Rupps Experimenten wurden neben den Ionenspektren einzelner Cluster auch die Streubilder aufgenommen und so konnten die Clustergröße und die Laserintensität in jedem Ereignis abgelesen werden. In den nach diesen Größen sortierten Daten konnte sie einen bislang unbekannten Plasma-Heizprozess nachweisen. Mit ihren heutigen Kollegen am Max-Born-Institut gelang es ihr erstmalig, freie Nanoteilchen mit einer hochintensiven Laserquelle in einem Laborexperiment direkt abzubilden.
Der Karl-Scheel-Preis wird seit mehr als fünfzig Jahren für eine herausragende, in der Regel nach der Promotion entstandene wissenschaftliche Arbeit eines Mitgliedes der Gesellschaft vergeben. Dem Vermächtnis Karl Scheels folgend wird der Preisträgerin oder dem Preisträger anlässlich eines Festkolloquiums (Karl-Scheel-Sitzung) die Karl-Scheel-Medaille sowie ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro überreicht.
DPG / DE