04.09.2019

Ein Born der modernen Physik

Das ehemalige physikalische Institut der Universität Frankfurt wurde von der Europäischen Physikalischen Gesellschaft als „EPS Historic Site“ ausgezeichnet.

Das Arthur-von-Weinberg-Haus in Frankfurt, das seit 2012 der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung gehört, hat eine besondere Bedeutung für die Geschichte der Physik. Dort befand sich das ehemalige Physikalische Institut der 1914 gegründeten Universität Frankfurt. Heute ist dort noch der Sitz des bereits seit 1824 bestehenden Physikalischen Vereins Frankfurt zu finden.

Erster Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik war Max von Laue, der 1919 an die Universität Berlin wechselte. Sein Nachfolger wurde Max Born, der sich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit schwindenden Mitteln aufgrund der anziehenden Inflation konfrontiert sah. Durch die Eintrittsgelder für populäre Vorträge, die er über Relativitätstheorie hielt, konnte er die finanzielle Lage des Instituts verbessern.

Das kam insbesondere den Experimenten von Otto Stern zugute, der hier die Molekularstrahlmethode entwickelte. Diese war entscheidend für den Nachweis der von Sommerfeld und Debye vorhergesagten Richtungsquantelung, der Stern zusammen mit Walther Gerlach 1922 gelang. Otto Stern erhielt für diese Leistungen den Physik-Nobelpreis für 1943.

Enthüllung der Plakette (von links): Andreas Mulch, stellvertretender...
Enthüllung der Plakette (von links): Andreas Mulch, stellvertretender Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft, Wolfgang Grünbein, Präsident des Physikalischen Vereins, Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt, EPS-Präsidentin Petra Rudolf und DPG-Präsident Dieter Meschede. (Foto: Rainer Rüffer)

An diese und weitere Leistungen der Frankfurter Physik erinnert nun die „Historic Site“-Plakette der Europäischen Physikalischen Gesellschaft. Die Plakette wurde am 3. September im Rahmen einer Feierstunde in der historischen Aula des Jügel-Hauses enthüllt, dem früheren Hauptgebäude der Goethe-Universität auf dem Campus Bockenheim.

„Jeder kennt Goethe, aber der Nobelpreisträger Otto Stern ist noch weitgehend unbekannt“, sagte Universitätspräsidentin Birgitta Wolff bei der Feierstunde: „Die Universität hat vor einigen Jahren ihr neues Hörsaalzentrum auf dem Campus Riedberg nach Otto Stern benannt. Es freut mich, dass nun auch eine Historic Site Plakette den Ort kennzeichnet, an dem Otto Stern seine bahnbrechenden Experimente glückten.“

„Das Jahr 2019 bietet gleich zwei Anlässe, an den Pionier der Quantenphysik und Nobelpreisträger Otto Stern zu erinnern“, erklärt der Physiker Horst Schmidt-Böcking, ausgewiesener Experte für Leben und Werk von Otto Stern. Dieser hatte seine Molekularstrahlmethode 1919 entwickelt, also vor 100 Jahren. „Gleichzeitig gedenken wir des 50. Todestages von Otto Stern, der 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft in die Emigration gezwungen wurde“, so Schmidt-Böcking.

Otto Stern ließ sich zuerst in Pittsburgh und dann ab 1945 in Berkeley nieder. Anders als viele Emigranten nutzte er nach dem Zweiten Weltkrieg jede Gelegenheit, um in Europa zu sein und seine Freunde und Kollegen bei Konferenzen zu treffen. Schmidt-Böcking hat in den vergangenen Jahren den Kontakt zu den Nachfahren Otto Sterns in den Vereinigten Staaten hergestellt und sie an die alte Wirkungsstätte ihres Onkels eingeladen. Stern hatte selbst keine Kinder.

„Die Historic Site-Plakette erinnert auch an andere wichtige Entdeckungen am Physik-Institut“, erklärt Petra Rudolf, Präsidentin der European Physical Society: „1920 maßen Max Born und Elisabeth Bormann erstmals die freie Weglänge von Atomen in Gasen und die Größe von Molekülen. Der Theoretiker Alfred Landé postulierte 1921 erstmals die Drehimpulskopplung als die Grundlage der inneratomaren Elektronendynamik.“

DPG-Präsident Dieter Meschede lobte die „Historic Sites“-Initiative der EPS und besonders die Bemühungen von Horst Schmidt-Böcking um diese Auszeichnung für Frankfurt, das die fünfte Stadt mit „EPS Historic Site“ in Deutschland ist, nach Berlin, München und Heidelberg. „Diese Auszeichnung kommt auch gerade richtig im diesjährigen Internationalen Jahr des Periodensystems“, betonte Meschede. Der Stern-Gerlach-Versuch war Grundlage für die Entdeckung des Elektronenspins und die Formulierung des Paulischen Ausschließungsprinzips, das maßgeblich den Aufbau der chemischen Elemente bestimmt.

Die Enthüllung der Plakette fand während einer internationalen Tagung zum Gedenken an Otto Stern statt, dem Wilhelm und Else Heraeus-Seminar „Otto Stern’s Molecular Beam Research and its Impact on Science“. Zu den Teilnehmern zählte neben den Nobelpreisträgern Theodor Hänsch und Dudley Herschbach auch Sterns Großnichte Diana Templeton-Killen und sein Großneffe Allen Templeton. Sobald die Genehmigung des Denkmalamts erteilt ist, wird die Plakette am Gebäude der ehemaligen Physik in der Robert-Mayer-Straße 2 angebracht.

Alexander Pawlak

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Anmerkung (11. September 2019):
In der Meldung wurde fälschlicherweise angegeben, dass Max Born bereits 1914/15 an der Frankfurter Universität war. Des Weiteren wurden die Jahreszahlen für den Nachweis der Richtungsquantelung und den Nobelpreis für Otto Stern korrigiert. Ich bedauere die Fehler und danke Horst Schmidt-Böcking für die hilfreichen Hinweise. (AP)

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