Ein unermüdlicher Kämpfer für die Forschung
Vor 75 Jahren starb Friedrich Paschen – er hatte großen Einfluss auf das Selbstverständnis der PTB als Institution der Wissenschaft.
Mehr fundierte Physik, weniger Dienstleistungen, weniger Verwaltungsdenken – so lässt sich das Bestreben des Physikers Friedrich Paschen zusammenfassen, der knapp zehn Jahre lang (1924 bis 1933) die Physikalisch-Technische Reichsanstalt, die unmittelbare Vorgängerin der heutigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, leitete. Von den Nazis aus dem Amt gedrängt, musste er am Ende seines Lebens befürchten, dass alles vergeblich war. Doch das stimmt nicht. Die wichtigen wissenschaftliche Erkenntnisse aus seiner Zeit bleiben ebenso bestehen wie die Überzeugung, dass physikalische Grundlagenforschung für die PTB als modernes Metrologieinstitut nichts weniger als die Basis ihrer gesamten Arbeit ist. Rechtzeitig zum 75. Todestag am 25. Februar bekommt Friedrich Paschen einen erneuerten Gedenkstein auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf bei Berlin.
Er nahm kein Blatt vor den Mund: „Die Herren aus der PTR sind keine Physiker“, stellte Paschen sarkastisch fest – sondern sie betrieben einfach nur Messungen, wenn auch mit höchster Präzision. Das reichte ihm nicht. Er war deshalb auch nur zögerlich zur PTR gekommen. In zwanzig Jahren an der Universität Tübingen war er zu einem der weltweit wichtigsten Spektroskopiker geworden. Er hatte als erster das Wiensche Strahlungsgesetz experimentell bestätigt. Er hatte die infraroten Serien des Wasserstoffspektrums entdeckt, die 1908 Paschen-Serie genannt wurden. Er hatte nachgewiesen, dass Spektrallinien sich in starken Magnetfeldern aufspalten – also den Paschen-Back-Effekt. Er hatte die Feinstruktur des Heliumspektrums untersucht und so eine experimentelle Bestätigung der Rydberg-Konstante geliefert, die zuvor nur theoretisch aus der Bohr-Sommerfeldschen Atomtheorie hergeleitet worden war. Somit bestätigte Paschen gleichzeitig diese Theorie. Diese Arbeiten aus dem Jahr 1916 sind ein besonders schönes Beispiel für die fruchtbare Zusammenarbeit von Experiment und Theorie, die Paschens Wirken kennzeichnet. Dieses Zusammenwirken sowie die Untersuchung von Naturkonstanten sind bis heute wichtige Aspekte der Arbeit der PTB.
Als präziser Experimentator und einfallsreicher Gerätekonstrukteur steigerte Paschen die Messgenauigkeit vieler Geräte und Methoden bis in den Bereich des theoretisch Möglichen. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde ihm die Präsidentschaft der PTR angetragen, die er schließlich nach einigem Zögern annahm. Am 1. November 1924 ging er von Tübingen nach Berlin und setzte in der PTR von Anfang an einen deutlichen Schwerpunkt in der Forschung. Das machte sich bemerkbar. Er konnte in gewisser Weise an die goldenen ersten Jahre der PTR – geprägt von Namen wie Hermann von Helmholtz, Max Planck und Willy Wien – anknüpfen. Er drehte das Rad, das inzwischen stark in Richtung Verwaltungs- und Technik-Orientierung geschwungen war, wieder zurück, errichtete neue Laboratorien für Spektroskopie, Photochemie und Kälteforschung.
In seine Zeit fallen einige bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse, etwa die Entdeckung des Elementes Rhenium, des Meißner-Ochsenfeld-Effekts und verschiedener Supraleiter. Er hatte gefordert: „Der Ruf der Anstalt als einer Forschungsanstalt ersten Ranges in der Welt muss uns erhalten werden.“ Und tatsächlich schaffte er es, durch die Intensivierung der Forschungstätigkeit – trotz Weltwirtschaftskrise und erstarkendem Nationalsozialismus –, den besonderen Charakter der PTR zu betonen und ihr Ansehen im In- und Ausland zu fördern.
Heute ist die PTB das zweitgrößte Metrologieinstitut der Welt und genießt einen herausragenden Ruf in der metrologischen Forschung. Dass es so kommen würde, ahnte Paschen nicht, als seine Amtszeit im März 1933 ein abruptes Ende nahm und er vom überzeugten Nationalsozialisten Johannes Stark eilig und würdelos aus dem Amt gedrängt wurde. Einer der Gründe dafür war sicherlich, dass Paschen am 8. März 1933 deutlich Stellung gegen die Nazis bezogen hatte: Er hatte die nach dem Wahlerfolg der Nationalsozialisten auf dem Gelände der PTR gehisste Fahne sofort wieder einziehen lassen.
Paschen zog sich verbittert und enttäuscht ins Privatleben zurück. Sein privates Laboratorium wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Paschen starb am 25. Februar 1947. Er wurde auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf, nahe Berlin, beigesetzt, wo Grab und Gedenkstein leider über die Jahre verfielen. Pünktlich zu seinem 75. Todestages wurde jetzt der Gedenkstein saniert und an einen angemesseneren Ort auf dem Friedhof umgesetzt. Damit lohnt sich ein Besuch dieses großen, international bekannten Waldfriedhofs umso mehr. Außer dem Grab von Friedrich Paschen finden sich dort auch die Ruhestätten von Theodor Fontane, Heinrich Zille, Walter Gropius, PTB-Gründungsvater Werner von Siemens und vielen mehr.
PTB / RK
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