03.02.2010

Ein weiterer Schritt zu atomaren Speichern

Wie Leitungselektronen zwischen atomaren Bits vermitteln.


Wie Leitungselektronen zwischen atomaren Bits vermitteln.

Wissenschaftlern der Universität Hamburg ist es unter Leitung von Roland Wiesendanger gelungen, die Richtungsabhängigkeit der magnetischen Kopplung zwischen einzelnen Atomen auf Oberflächen direkt zu vermessen. Die in Hamburg experimentell ermittelte Magnetisierungsausrichtung von atomaren Bits verschiedenen Abstands und verschiedener Orientierung stimmt dabei erstaunlich gut mit der magnetischen Kopplung überein, die von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich an einem Supercomputer mit einem aufwendigen Modell berechnet wurde. Dies stellt einen wichtigen Schritt in Richtung magnetischer atomarer Datenspeicher und neuartiger Spintronik-Bauelemente dar.

Abb. 1: Rastertunnelmikroskopische Auslesung des Magnetisierungs-zustands einzelner Kobaltatome (Kegel), die auf einer Platinoberfläche (blau) liegen. Die Farbe der Kobaltatome spiegelt dabei ihren Magnetisierungszustand wieder (nach oben: grün; nach unten: rot). Da ein Magnetfeld nach unten angelegt wurde, welchem die Magnetisierung folgt, erscheinen die meisten Atome rot. Nur das Linke der beiden Atome eines Paares mit einem Abstand von d = 0.7 nm ist entgegengesetzt zum Magnetfeld nach oben ausgerichtet. Dies liegt an der sogenannten RKKY-Kopplung zum Partner. (Bild: SPM-Gruppe von R. Wiesendanger)

Hervorgerufen durch die immer zunehmende Miniaturisierung elektronischer Geräte und die stetig wachsende Flut digitaler Daten wird beständig nach Möglichkeiten gesucht, den Platz für die kleinste Speichereinheit, ein Bit, zu reduzieren, um Datenspeicher mit immer höherer Kapazität herstellen zu können. Bei der magnetischen Speichertechnologie gibt es das ultimative Ziel, irgendwann einmal die Information eines Bits in der magnetischen Ausrichtung eines einzelnen Atoms speichern zu können. Allerdings gibt es auf dem Weg dorthin vor allem zwei grundlegende Probleme: erstens schalten die atomaren Bits bei Raumtemperatur in Bruchteilen einer Sekunde zwischen den zwei Zuständen (0) und (1), wodurch die gespeicherte Information verloren geht; zweitens koppeln bei zu kleinen Abständen (von wenigen Nanometern) benachbarte Bits, was ebenfalls zu einem Datenverlust führen kann.

Mittels der Methoden der modernen Oberflächenphysik lassen sich atomare Bits auf eine extrem flache Oberfläche eines Metalls aufbringen, die als Modellsystem eines atomaren Datenspeichers dienen. Wie die Hamburger Wissenschaftler schon früher demonstriert haben, kann das atomare Bit mit der magnetisch beschichteten Spitze eines Rastertunnelmikroskops ausgelesen werden (Abb. 1).

Bereits vor einem halben Jahrhundert schlugen die Theoretiker Ruderman, Kittel, Kasuya und Yosida eine neue Art der Kopplung zwischen solchen magnetischen Atomen vor, die neben dipolarer Kopplung und direktem magnetischen Austausch als dritte fundamentale Wechselwirkung den Magnetismus im Festkörper bestimmt. Kommt ein Leitungselektron in die Nähe eines magnetischen Atoms, richtet es seinen Spin nach diesem aus. Bewegt sich das Elektron nun weiter durch den Festkörper, kann die Spinpolarisation des Elektrons wiederum eine Ausrichtung des magnetischen Momentes eines der nächsten Atome bewirken. Dadurch wird eine magnetische Kopplung hervorgerufen, die je nach Abstand zu paralleler oder antiparalleler Ausrichtung benachbarter Bits führt. Die nach den vier Entdeckern benannte RKKY-Kopplung ist vor allem in Festkörpern, die eine geringe Menge magnetischer Atome enthalten, aber auch in Seltenerdmetallen, die dominierende der drei Wechselwirkungen.

Abb. 2: Stärke und Ausrichtung der von einem Atom in der Mitte des Bildes hervorgerufenen RKKY-Wechselwirkung als Funktion der Position des zweiten Atoms. A: Berechnete Wechselwirkung bei Annahme eines einfachen Leitungselektronensystems ohne Berücksichtigung einer Richtungsabhängigkeit. B: Die mittels aufwendiger Rechnungen vorhergesagte Wechselwirkung zeigt eine wesentlich stärkere Richtungsabhängigkeit und stimmt sehr gut mit der experimentell beobachteten magnetischen Wechselwirkung überein. (Bild: SPM-Gruppe von R. Wiesendanger)

Die Leitungselektronen als Vermittler der RKKY-Wechselwirkung bestimmen dabei die Stärke und Richtungsabhängigkeit der Kopplung. Bisher wurden vereinfachende theoretische Modelle benutzt, mit denen die Kopplungsstärke erfolgreich in Volumenmaterialien vorausgesagt werden konnte. Nach diesen Modellen ist die Kopplung nur vom Abstand der zwei magnetischen Atome, nicht aber von ihrer Lage relativ zu den Kristallrichtungen abhängig (Abb. 2 A). Obwohl eine Orientierungsabhängigkeit aufgrund der Kristallstruktur erwartet wurde, ist es experimentell bisher nicht gelungen, einen direkten Beweis dafür zu erbringen. Dies lag vor allem an der Unzulänglichkeit der bisher benutzten magnetischen Ausleseverfahren, die räumlich über einen großen Bereich und damit verschiedene Ausrichtungen mitteln.

Nun ist es in einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der Universität Hamburg und des Forschungszentrums Jülich gelungen, die Richtungsabhängigkeit der RKKY-Kopplung direkt zu vermessen und mit einem aufwendigen Modell zu vergleichen. Die in Hamburg experimentell ausgelesene Magnetisierungsausrichtung in Paaren von atomaren Bits verschiedenen Abstands und verschiedener Orientierung stimmt dabei erstaunlich gut mit der auf dem Supercomputer in Jülich gerechneten Kopplung überein (Abb. 2 B). Es zeigt sich eine starke Abhängigkeit der RKKY-Kopplung von der Ausrichtung der zwei Bits, die man anhand der einfacheren Modelle nicht beschreiben kann.

Diese Erkenntnisse haben schließlich auch einen großen praktischen Nutzen für die zukünftige Entwicklung von Nanostrukturen aus einer größeren Anzahl einzelner magnetischer Atome. Mittels der Spitze des Rastertunnelmikroskops lassen sich die magnetischen Atome in einer nahezu beliebigen Struktur zusammenschieben. Mithilfe der gewonnenen Karte der RKKY-Kopplung lässt sich daher eine Nanostruktur mit maßgeschneiderter magnetischer Kopplung entwerfen und verwirklichen. Solche Nanostrukturen könnten interessante Eigenschaften im Hinblick auf zukünftige spintronische Bauelemente haben. Eine andere vielversprechende Möglichkeit besteht in ihrer Anwendung als Modellsystem für neuartige Rechenverfahren, die die Quantennatur der Bits ausnutzen (z. B. in Quantencomputern).

Sonderforschungsbereich 668, Universität Hamburg

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