25.06.2018

Eine für alle

Eine Formel beschreibt alle Fälle totaler destruktiver Interferenz mehrerer Quantenteilchen.

Der Traum eines Wissenschaftlers, die komplexe Wirklichkeit in einer möglichst einfachen Gesetz­mäßigkeit auszudrücken, ist für den Doktoranden Christoph Dittel in Erfüllung gegangen. Er hat mit einem Team am Institut für Experimental­physik der Universität Innsbruck und Kollegen in Freiburg und Paris eine mathematische Formel gefunden, die alle Fälle von totaler destruktiver Interferenz mehrerer Quantenteilchen beschreibt.

Abb.: Christoph Dittel (Bild: U. Innsbruck)

Vor über drei Jahrzehnten haben Chung-Ki Hong, Zhe-Yu Ou und Leonard Mandel mit einem einfachen Experiment die nie zuvor beobachtete quanten­mechanische Interferenz zweier Licht­teilchen demonstriert. Der nach ihnen benannte Hong-Ou-Mandel-Effekt tritt auf, wenn zwei ununter­scheidbare Photonen auf je einen Eingang eines Strahl­teilers treffen. Die Photonen tauchen dabei immer an einem der beiden Ausgänge gemeinsam auf. Nie beobachtet wird hingegen, dass an beiden Ausgängen je ein Photon zu finden ist: totale destruktive Interferenz.

In den vergangenen Jahren wurde dieses Phänomen in anderen physikalischen Systemen und auch für mehr als zwei Teilchen nach­gewiesen. Es stellt heute ein Schlüssel­konzept für viele quanten­physikalische Experimente dar. So basiert etwa der Entwurf eines optischen Quanten­computers auf der Ausnutzung dieses Effekts. „Die totale destruktive Interferenz liefert uns einen wichtigen Bau­stein für viele theoretische Modelle und experimentelle Aufbauten“, sagt Christoph Dittel vom Institut für Experimental­physik der Universität Innsbruck. Was bis heute fehlte, war eine allgemeine mathematische Beschreibung dieses Phänomens für eine beliebige Teilchen­zahl in beliebig großen quanten­physikalischen Systemen.

Zahlreiche Beschreibungen von Einzelfällen und einige Versuche von Verallgemeinerungen hatte es bereits gegeben, als Christoph Dittel während seiner Doktor­arbeit in der Arbeits­gruppe des Photonikers Gregor Weihs begonnen hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der gelernte Zimmerer aus der Nähe von Bad Tölz, der im zweiten Bildungs­weg an der Universität Innsbruck Physik studierte, beschäftigte sich zunächst mit der Viel­teilchen­interferenz in Hyper­würfeln. Diese vieldimensionalen Würfel lenkten seinen Blick auf die Bedeutung der Symmetrie bei der Betrachtung von Interferenzen. Dies erwies sich schließlich auch als Schlüssel zu einer allgemein­gültigen Beschreibung der totalen destruktiven Interferenz von mehreren Quanten­teilchen. Während Christoph Dittel sich am Telefon mit seiner Mutter über das Wetter unterhielt, fiel ihm schließlich die Lösung ein, mit der alle möglichen Fälle beschrieben werden können. Er beendete das Gespräch rasch und brachte den formalen Zusammenhang auf Papier.

„Wir konnten zeigen, dass in der neuen Formel alle bisher gefundenen Spezial­lösungen enthalten sind“, erzählt der DOC-Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das Gesetz beschreibt nicht nur die Interferenz von einfachen Teilchen, sondern ist auf beliebige reine Quanten­zustände wie verschränkte, überlagerte oder kohärente Zustände anwendbar. Besonders interessant: „Aus den Symmetrien eines Systems lässt sich nun sehr einfach bestimmen, welche totalen destruktiven Interferenzen in dem jeweiligen System auftreten können.“ Dittel und sein Team konnten aus der Formel auch ableiten, dass entgegen der Annahme vieler Physiker solche Aus­löschungen auch in Systemen auftreten, die aus paar­weise ununter­scheidbaren Teilchen bestehen. „Es ist nur die Austausch­symmetrie der Teilchen, die hier gegeben sein muss“, sagt Christoph Dittel.

Mit der Formulierung dieses Gesetzes ist es dem Nachwuchs­wissenschaftler gelungen, einen komplexen Zusammen­hang mathematisch sehr einfach darzustellen. „Das hatten einige Leute schon seit über zehn Jahren versucht und bisher nur kleinere Fort­schritte für bestimmte Fälle erzielt“, zeigt sich Arbeits­gruppen­leiter Gregor Weihs erfreut. Für Christoph Dittel liegt die Schönheit gerade in der Einfachheit: „Analytische Gleichungen, die einen komplexen Zusammenhang sehr einfach beschreiben, haben etwas sehr Schönes. Das ist eigentlich der Grund, warum ich diese Arbeit mache.“ Mit der neuen Formel erleichtert er nicht nur vielen Experimental­physikern das Leben im Labor, sondern eröffnet auch den Weg zu einem besseren Verständnis von Viel­teilchen­interferenz.

U. Innsbruck / DE

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