14.11.2017

Eine Schlange im Kosmos

Struktur einer fernen Galaxie aus mehreren kleinen Sternhaufen entschlüsselt.

Die Entstehung von Sternen in fernen Galaxien ist noch weitgehend uner­forscht. Astronomen der Universität Genf konnten nun erstmals ein sechs Milliarden Licht­jahre entferntes Sternen­system genauer beobachten und damit frühere Simu­lationen der Univer­sität Zürich stützen. Ein spezieller Effekt ermöglicht mehrfach reflek­tierte Bilder, die sich wie eine Schlange durch den Kosmos ziehen.

Abb.: Diese ferne Galaxie in Form einer Schlange besteht aus mehreren kleinen Sternhaufen. (Bild: U. Genf)

Heute wissen Astro­nomen ziemlich genau, wie sich Sterne in der jüngsten kosmischen Vergan­genheit gebildet haben. Aber gelten diese Gesetz­mäßigkeiten auch für ältere Galaxien? Das Hubble-Teleskop ermöglicht es den Astro­nomen seit rund einem Jahrzehnt, sechs oder sieben Milliarden Lichtjahre entfernte Sternen­systeme zu beobachten. Hubble gibt Hinweise darauf, dass dort Galaxien aus Gasnebeln und Sternhaufen mit einem Durchmesser von über 3000 Lichtjahren exis­tieren. Diese riesigen Stern- und Gasan­sammlungen scheinen bei älteren Galaxien die Norm zu sein.

Die genaue Unter­suchung dieser Phänomene ist auf so langen Distanzen nur schwer möglich. Ein Team des Observa­toriums der Univer­sität Genf und des Zentrums für Theo­retische Astro­physik und Kosmol­ogie der Univer­sität Zürich nutzen nun einen speziellen Effekt des Uni­versums, der eigenen Gesetz­mäßigkeiten folgt: Das Teleskop wird auf ein sehr massives Objekt gerichtet, dessen Gravita­tionsfeld das Licht einer dahinter liegenden, weit entfernten Galaxie beeinflusst. Durch diese Gravitationsl­inse betrachtet, verändert sich die Ausbreitungs­richtung des Lichtes des dahinter­liegenden Objektes. Dadurch wird das Bild vergrößert und mehrfach verviel­fältigt.

So konnten die Forschern verzerrte, in die Länge gezogene, sich fast berührende Bilder wahrnehmen, die wie eine kos­mische Schlange aussehen. „Die durch die Linse vergrößerte Abbildung ist viel genauer und heller. Wir können hundert­mal kleinere Details in der Galaxie erkennen und fünf unter­schiedliche Auflösungen vergleichen, um Struktur und Größe dieser gigan­tischen Stern­haufen zu bestimmen“, sagt Daniel Schaerer vom Obser­vatorium der Universität Genf. Die inter­nationale Forscher­gruppe entdeckte, dass die Sternen­haufen nicht ganz so groß und massiv sind, wie die ersten Bilder von Hubble vermuten liessen. Damit stützten sie die bereits früher am Super­computer gemachte Simulationen von Valentina Tambu­rello vom Institute of Compu­tational Science der Universität Zürich. „Dank der unglaub­lich hohen Auflösung der kosmischen Schlange konnten wir unsere Berechnungen mit den gemachten Beobach­tungen vergleichen. Das war für uns ein besonderer Glücksfall“, erklärt Tambu­rello.

Das Fazit: Entgegen der bisherigen Annahme setzt sich die unter­suchte Galaxie nicht aus einem großen, sondern aus mehreren kleinen Stern­haufen zusammen. „Offenbar können sich gigan­tische Klumpen in solchen weit entfernten Galaxien nur unter ganz speziellen Bedin­gungen entwickeln, etwa bei kleineren Verschmel­zungen oder unter Einfluss von Kaltgas“, so Tamburello. Dass dies hier nicht der Fall ist, war vorher aufgrund der großen Distanz gar nicht nach­weisbar gewesen. In ihrer Doktor­arbeit schloss Timburello bereits Ende 2016, dass die tatsäch­liche Masse und Größe der Stern­haufen nur mit einer höheren Auflösung zu erfassen sei. Lucio Mayer unter­streicht: „Die Beobach­tungen haben somit die neuen Erkennt­nisse aus den Simu­lationen bewiesen. Dies zeigt, dass numerische Simu­lationen astro­nomische Beobach­tungen voraussagen und anti­zipieren können.“

U. Zürich / JOL

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