04.03.2004

Einstein im Grenzgebiet von Wissenschaft und Politik

Jürgen Renn, Direktor am MPI für Wissenschaftsgeschichte, zu Albert Einstein.



Einsteins wissenschaftliche Durchbrüche haben unsere Begriffe von Raum und Zeit zweimal grundlegend verändert: zuerst 1905 im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie und zehn Jahre später mit der Allgemeinen Relativitätstheorie. Die Relativität der Gleichzeitigkeit, die Aufgabe eines absoluten Raumes und einer absoluten Zeit, das Auftreten einer von der Geschwindigkeit abhängigen Masse – dies alles sind Konsequenzen der Speziellen Relativitätstheorie.

Am schwierigsten ist es nach wie vor, die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in relativ zueinander sich gleichförmig bewegenden Bezugssystemen zu begreifen. Um so wichtiger war und ist es bis heute, dieses Prinzip immer wieder experimentell zu überprüfen. Wie Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand abschneidet, berichten ausführlich Holger Müller und Achim Peters in der März-Ausgabe von Physik in unserer Zeit.

Wie kam Albert Einstein dazu, mit 26 Jahren eine Revolution im wissenschaftlichen Weltbild auszulösen, die nicht nur die Begriffe von Raum und Zeit, sondern auch die damaligen Vorstellungen von Atomen, Materie und Strahlung verändern sollte? Schon als Student beschränkte er sich nicht auf physikalische Spezialprobleme, sondern beschäftigte sich mit Fragen an den Grenzen von klassischer Mechanik, Wärmelehre und Elektrodynamik, den wichtigsten Gebieten der damaligen Physik. Aus Einsteins kreativen Lösungen dieser Grenzprobleme im Jahre 1905 entstanden in der Folge entscheidende Beiträge zu den Grundlagen der modernen Physik.

Einstein war kein weltfremder Wissenschaftler, sondern ein politisch denkender Mensch, der mit den Problemen seiner Zeit vertraut war. Seine Berufung 1913 nach Berlin konfrontierte ihn nicht nur mit hoch gesteckten wissenschaftlichen Hoffnungen, sondern auch mit antisemitischen und nationalistischen Ressentiments, gegen die er sich zunehmend bewusst zur Wehr setzte.

Durch sein politisches Engagement und seinen Bekanntheitsgrad als Wissenschaftler wurde er zum Stein des Anstoßes und politisierte die Weimarer Gesellschaft. Auch nach seiner von den Nazis erzwungenen Emigration im Jahre 1933 blieb Einstein in seiner neuen Wahlheimat USA politisch aktiv. Er engagierte sich für die Verfolgten des Nazi-Regimes sowie für den Staat Israel, und er wandte sich öffentlich gegen Repressionen und Rassismus während der McCarthy-Ära in den Vereinigten Staaten.

Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, dass reaktionäre Politiker Einstein sowohl in Deutschland, als auch später in den USA überwachen ließen. Die Ergebnisse dieser Überwachungsmaßnahmen gegen Einstein fanden sowohl in diversen Akten der deutschen Polizei als auch in denen des amerikanischen FBI ihren umfangreichen Niederschlag. Der Wissenschaftshistoriker Dieter Hoffmann hat sich Einsteins politische Akte und die entsprechende Sekundärliteratur dazu näher angeschaut und gibt in derselben Ausgabe von Physik in unserer Zeit einen Überblick über diese Schattenseite im Leben des Physikers.

Dieses Jahr feiert die Stadt Ulm den 125. Geburtstag des dort am 14. März 1879 geborenen großen Wissenschaftlers. Das Einstein-Jahr 2005 bietet darüber hinaus die Chance, nicht nur über die Bedingungen und Herausforderungen eines wissenschaftlichen Weltbildes nachzudenken, sondern auch über die Rolle wissenschaftlicher und technischer Innovationen für die Zukunft unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dabei kann als sicher gelten, dass die Zukunft demokratischer Gesellschaften auf der umfassenden Förderung von Bildung und Forschung beruhen wird. Zugleich kann eine Wissenschaft, die sich als Teil einer öffentlichen Kultur begreift, im Sinne Einsteins für eine friedliche und verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen Ländern und Kulturen in einer wirtschaftlich und sozial gerechten Welt wirken.

Die geplante Berliner Einstein-Ausstellung könnte zum Ort der Besinnung auf eine solche Wissenschaftskultur werden. Ihre Veranstalter wollen jedenfalls ihren Beitrag zur Verwirklichung dieser Zukunftsvision in Einsteins Sinne leisten, der einmal sagte: „Was ich sonst mache oder sage, kann die Struktur des Universums nicht ändern. Aber vielleicht kann meine Stimme der größten Sache dienen: Eintracht unter den Menschen und Friede auf Erden.“

Prof. Dr. Jürgen Renn ist Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Zur Zeit bereitet er eine Einstein-Ausstellung im Berliner Kronprinzenpalais vor.

Quelle: Physik in unserer Zeit 2/2004

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