30.09.2025 • AstronomieAstrophysik

Außergewöhnliches Einstein-Kreuz kartiert Dunkle Materie

Der fünfte Lichtpunkt des Phänomens lässt sich nur durch unsichtbare Masse im Halo der Gravitationslinse erklären.

Ein deutsch-französisches Team hat eine Galaxie im frühen Universum beobachtet, die in der seltenen Form eines Einsteinkreuzes zu sehen ist. Das Einsteinkreuz ist ein astronomisches Phänomen, bei dem die Schwerkraft einer dazwischenliegenden Galaxie das Licht ablenkt. Dadurch erscheint das ferne Objekt für uns so, als handele es sich um mehrere, meist vier Abbilder, die in Kreuzform um die davor liegende Galaxie angeordnet sind – ein Gravitationslinsen-Effekt. Das nun entdeckte Einsteinkreuz verfügt jedoch über ein fünftes Abbild. Wie die Forschenden aufzeigen, ist die genaue Anordnung dieser fünf Abbilder nur durch Dunkle Materie im Umfeld der vorderen Galaxie erklärbar.

Nicolás Lira Turpaud (ALMA-Observatorium) & Pierre Cox (angepasst von Cox et al. 2025)
Die linke Tafel zeigt die gravitativ verstärkte Galaxie HerS-3 in einem Einstein-Kreuz mit einem zentralen fünften Bild, wie es von NOEMA im Millimeterkontinuum beobachtet wurde (gelbe Umrisse), überlagert mit dem Hubble-Nahinfrarotbild, das die vier Galaxien (G1 bis G4) der Galaxiengruppe identifiziert. Der gelbe Stern zeigt die Position des Halos aus Dunkler Materie (DM), der mit der Gruppe assoziiert ist. Die rechte Tafel zeigt die detaillierte Morphologie jedes der fünf Bilder des Einstein-Kreuzes, wie ALMA es beobachtet hat.
Quelle: Cox et al. 2025

Phäno­mene wie das Einstein­kreuz dienen auch dazu, die Eigen­schaf­ten der Dunklen Materie in Galaxien sowie Stern­gruppen und -haufen zu be­stim­men. Denn auch wenn sie un­sicht­bar ist, lässt sich ihre Exis­tenz aus ihrer Masse und den damit ver­bunde­nen Gravi­tations­effekten ableiten.

Das Team nutzte für die aktuelle Studie Beob­ach­tungen des Northern Extended Milli­meter Array (NOEMA, Insti­tut de Radio­astro­nomie Milli­métrique – IRAM, Frank­reich), des Atacama Large Milli­meter/sub­milli­meter Array (ALMA, Chile), des Karl G. Jansky Very Large Array (VLA, USA) und des Hubble-Weltraum­teleskops (HST, NASA/ESA). Die Auf­nahmen von NOEMA zeigen ein fünf­faches Abbild der 11,6 Milli­arden Licht­jahre ent­fern­ten Galaxie HerS-3, die ein nahezu perfektes Kreuz bilden. Während ein Einstein­kreuz an sich bereits ein sel­tenes Phäno­men ist, ist es in diesem Fall durch das helle fünfte Ab­bild beson­ders außer­gewöhn­lich. Die fünf Bilder von HerS-3 zeigen alle das­selbe Muster moleku­larer Emissions­linien, was darauf hin­weist, dass es sich um Mehr­fach­abbildungen der­selben Galaxie handelt.

Die Beobachtungen durch das ALMA-Teleskop enthüllten die detail­lierten Strukturen der einzelnen Bilder. Die NOEMA- und ALMA-Daten werden durch Daten des Very Large Arrays ergänzt, die die Radio­wellen erfassen. Diese Daten wurden von Prachi Prajapati in der Gruppe von Dominik Riechers am Institut für Astrophysik der Univer­sität zu Köln analysiert, und zeigen die fünf Bilder der Galaxie in kaltem molekularem Gas, welches für die Stern­entstehung sehr wichtig ist. So ließ sich mithilfe von HerS-3 erstmals ein Einsteinkreuz im Bereich der Sub­millimeter- und Radio­wellen­längen nachweisen.

Die Masse der Galaxiengruppe und der damit verbundene Halo aus dunkler Materie...
Da die Masse der Galaxiengruppe und der damit verbundene Halo aus dunkler Materie wie eine Gravitationslinse wirken, lenken sie das von HerS-3 ausgestrahlte Licht ab, sodass es wie ein vergrößertes und verzerrtes Bild erscheint.
Quelle: N. Lira, P. Cox et al. / NOEMA / ALMA (ESO / NAOJ / NRAO)

Das Licht von HerS-3 wird von vier massereichen Vordergrundgalaxien gebeugt. Diese bilden den Kern einer größeren Gruppe von mindestens zehn weiteren Galaxien, die 7,8 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind und mit dem Hubble-Weltraumteleskop im nahen Infrarot identifiziert wurden. Um die Eigenschaften der fernen Galaxie HerS-3 zu bestimmen und die Galaxiengruppe im Vordergrund zu untersuchen, simulierten die Forschenden  die durch Schwerkraft verursachte Ablenkung des Lichts. Es zeigte sich, dass die genaue Anordnung der fünf Bilder des Einsteinkreuzes in der Simulation nicht reproduziert werden kann, wenn nur die vier sichtbaren Galaxien berücksichtigt werden, die sich in der Nähe von HerS-3 und im Zentrum der Galaxiengruppe befinden.

Da es im nahen Umfeld der vorderen Galaxiengruppe keine andere sichtbare Galaxie in derselben Entfernung gibt, bleibt die Existenz einer großen, unsichtbaren Komponente als Ursache: eine Konzentration Dunkler Materie, die mit der Galaxiengruppe verbunden ist. Nur durch Hinzufügen dieser Komponente, die im Massenschwerpunkt der Gruppe liegt, stimmt die Rekonstruktion genau mit den Eigenschaften der fünf Bilder überein. Die geschätzte Masse des Halos der Dunklen Materie beträgt einige Trillionen Sonnenmassen. [U Köln / IAP / dre]

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