Außergewöhnliches Einstein-Kreuz kartiert Dunkle Materie
Der fünfte Lichtpunkt des Phänomens lässt sich nur durch unsichtbare Masse im Halo der Gravitationslinse erklären.
Ein deutsch-französisches Team hat eine Galaxie im frühen Universum beobachtet, die in der seltenen Form eines Einsteinkreuzes zu sehen ist. Das Einsteinkreuz ist ein astronomisches Phänomen, bei dem die Schwerkraft einer dazwischenliegenden Galaxie das Licht ablenkt. Dadurch erscheint das ferne Objekt für uns so, als handele es sich um mehrere, meist vier Abbilder, die in Kreuzform um die davor liegende Galaxie angeordnet sind – ein Gravitationslinsen-Effekt. Das nun entdeckte Einsteinkreuz verfügt jedoch über ein fünftes Abbild. Wie die Forschenden aufzeigen, ist die genaue Anordnung dieser fünf Abbilder nur durch Dunkle Materie im Umfeld der vorderen Galaxie erklärbar.

Phänomene wie das Einsteinkreuz dienen auch dazu, die Eigenschaften der Dunklen Materie in Galaxien sowie Sterngruppen und -haufen zu bestimmen. Denn auch wenn sie unsichtbar ist, lässt sich ihre Existenz aus ihrer Masse und den damit verbundenen Gravitationseffekten ableiten.
Das Team nutzte für die aktuelle Studie Beobachtungen des Northern Extended Millimeter Array (NOEMA, Institut de Radioastronomie Millimétrique – IRAM, Frankreich), des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA, Chile), des Karl G. Jansky Very Large Array (VLA, USA) und des Hubble-Weltraumteleskops (HST, NASA/ESA). Die Aufnahmen von NOEMA zeigen ein fünffaches Abbild der 11,6 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie HerS-3, die ein nahezu perfektes Kreuz bilden. Während ein Einsteinkreuz an sich bereits ein seltenes Phänomen ist, ist es in diesem Fall durch das helle fünfte Abbild besonders außergewöhnlich. Die fünf Bilder von HerS-3 zeigen alle dasselbe Muster molekularer Emissionslinien, was darauf hinweist, dass es sich um Mehrfachabbildungen derselben Galaxie handelt.
Die Beobachtungen durch das ALMA-Teleskop enthüllten die detaillierten Strukturen der einzelnen Bilder. Die NOEMA- und ALMA-Daten werden durch Daten des Very Large Arrays ergänzt, die die Radiowellen erfassen. Diese Daten wurden von Prachi Prajapati in der Gruppe von Dominik Riechers am Institut für Astrophysik der Universität zu Köln analysiert, und zeigen die fünf Bilder der Galaxie in kaltem molekularem Gas, welches für die Sternentstehung sehr wichtig ist. So ließ sich mithilfe von HerS-3 erstmals ein Einsteinkreuz im Bereich der Submillimeter- und Radiowellenlängen nachweisen.

Das Licht von HerS-3 wird von vier massereichen Vordergrundgalaxien gebeugt. Diese bilden den Kern einer größeren Gruppe von mindestens zehn weiteren Galaxien, die 7,8 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind und mit dem Hubble-Weltraumteleskop im nahen Infrarot identifiziert wurden. Um die Eigenschaften der fernen Galaxie HerS-3 zu bestimmen und die Galaxiengruppe im Vordergrund zu untersuchen, simulierten die Forschenden die durch Schwerkraft verursachte Ablenkung des Lichts. Es zeigte sich, dass die genaue Anordnung der fünf Bilder des Einsteinkreuzes in der Simulation nicht reproduziert werden kann, wenn nur die vier sichtbaren Galaxien berücksichtigt werden, die sich in der Nähe von HerS-3 und im Zentrum der Galaxiengruppe befinden.
Da es im nahen Umfeld der vorderen Galaxiengruppe keine andere sichtbare Galaxie in derselben Entfernung gibt, bleibt die Existenz einer großen, unsichtbaren Komponente als Ursache: eine Konzentration Dunkler Materie, die mit der Galaxiengruppe verbunden ist. Nur durch Hinzufügen dieser Komponente, die im Massenschwerpunkt der Gruppe liegt, stimmt die Rekonstruktion genau mit den Eigenschaften der fünf Bilder überein. Die geschätzte Masse des Halos der Dunklen Materie beträgt einige Trillionen Sonnenmassen. [U Köln / IAP / dre]
Weitere Informationen
- Originalveröffentlichung
P. Cox et al., HerS-3: An Exceptional Einstein Cross Reveals a Massive Dark Matter Halo, Astrophys. J. 991, 53, 16. September 2025; DOI: 10.3847/1538-4357/adf204 - Observational and Experimental Astronomy & Astrophysics (Dominik Riechers), Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln
- Origine et évolution des galaxies (Pierre Cox), Institut d'Astrophysique de Paris (IAP), Sorbonne Université, Paris