Elektrisch geschaltete Magnetspeicher
Multiferroische Materialien zeigen interessante Eigenschaften für die Verwendung als schnelle Magnetspeicher.
Daten werden heutzutage meist magnetisch gespeichert. Will man etwa die Information auf einer Festplatte verändern, muss man darin die magnetische Orientierung umschalten – das geschieht heute mit dem Magnetfeld eines kleinen Magneten. Einfacher als ein magnetisches Feld lässt sich auf kleinem Raum ein elektrisches Feld erzeugen, so dass man im Prinzip kleinere Speicher bauen könnte, wenn sich die Magnetisierung mit elektrischen Feldern schalten ließe. Eine entsprechende Verknüpfung von magnetischen und elektrischen Eigenschaften zeigen sogenannte multiferroische Materialien, die seit einigen Jahren zu den aktuellsten Themen der Materialforschung gehören. Nun haben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und der ETH Zürich das Material TbMnO3 untersucht und gezeigt, dass sich seine Magnetisierung durch ein elektrisches Feld in Zeiträumen von Pikosekunden verändern lässt, was wesentlich kürzer ist als die Zeiten, in denen heutige Festplatten umgeschaltet werden.
Abb.: Die Bewegung der magnetischen Momente (rechts als Pfeile angedeutet) wir durch einen Terahertz-Puls (roter Strahl) angeregt und durch einen Röntgen-Puls (blauer Strahl) untersucht. (Bild: T. Kubacka)
„Damit ist gezeigt, dass multiferroische Materialien elektrisch schnell genug geschaltet werden können, um in Magnetspeichern eingesetzt zu werden“, erklärt Urs Staub, Forschungsgruppenleiter am PSI und einer der Leiter des Forschungsprojekts. „Das elektrische Schalten könnte zahlreiche Vorteile haben. Um ein magnetisches Feld zu erzeugen, braucht man eine Spule, durch die ein Strom fliesst. Ein elektrisches Feld lässt sich ohne Strom erzeugen. Zwar wird man das Material, das wir untersucht haben, nicht in technischen Geräten nutzen können – man braucht sehr niedrige Temperaturen und starke elektrische Felder, um die relevanten Phänomene zu beobachten. Aber das grundsätzliche Ergebnis gilt wohl auch für Materialien, die eher für Anwendungen geeignet sein werden und voraussichtlich aus einer Kombination dünner Schichten verschiedener Materialien bestehen werden.“
Das Experiment beruht auf dem Zusammenspiel zweier Laser – eines Terahertzlasers, der gut in einem Labor Platz findet, und des Röntgenlasers LCLS, einer rund drei Kilometer langen Großforschungsanlage am SLAC National Accelerator Laboratory im kalifornischen Menlo Park. Im Experiment wurde das Material mit kurzen Lichtblitzen aus dem Terahertzlaser beleuchtet, die nur wenige Pikosekunden lang waren. Die Terahertzblitze waren so kurz, dass die elektrischen Felder darin nur wenige Schwingungen durchführen konnten. Mit Experimenten am Röntgenlaser LCLS konnten die Forschenden zeigen, dass die magnetische Struktur durch den Lichtblitz ausgelenkt wurde und – mit einer kleinen Verzögerung – der Schwankung des elektrischen Feldes in dem Lichtblitz folgte. Der magnetische Anteil des Lichts war dabei zu schwach, um die magnetische Struktur zu beeinflussen. Der Röntgenlaser erzeugt nur 100 Femtosekunden kurze und intensive Blitze aus Röntgenlicht. Diese sind so viel kürzer als der Blitz aus dem Terahertzlaser, dass sich damit gewissermaßen Standbilder von verschiedenen Stadien der Bewegung erzeugen lassen. Das LCLS ist heute eine von zwei Anlagen weltweit, an denen solche Experimente möglich sind. In Zukunft wird man sie auch am Röntgenlaser SwissFEL durchführen können, der zurzeit am Paul Scherrer Institut entsteht. „Ein solches Experiment lässt sich nur an einem Röntgenlaser durchführen, weil nur die Pulse aus dem Röntgenlaser die magnetische Ordnung zeigen und gleichzeitig kurz genug sind, damit man die zeitlichen Verläufe verfolgen kann“, erklärt Staub.
Abb.: Überblick über den ganzen Messplatz (Bild: J. Turner / LCLS)
Eine magnetische Ordnung, in der Daten gespeichert werden können, kann verschieden aussehen. In heutigen Festplatten sind die magnetischen Bereiche ferromagnetisch geordnet. In dem hier betrachteten Material sind die Momente in Reihen hintereinander angeordnet, aber so, dass zwei benachbarte Momente nicht parallel sind, sondern ein wenig gegeneinander verkippt. Wenn man sich von einem Moment zum nächsten bewegt, dreht sich die Richtung der Momente immer weiter. Dabei gibt es zwei Richtungen, in die sich die Momente drehen können – die dann den beiden Möglichkeiten für ein Bit entsprechen würden. Wenn man sich dieses Material als magnetischen Speicher vorstellt, müsste man, um den Speicherinhalt zu ändern, die Richtung ändern, in die sich die Momente innerhalb der Reihe verkippen – was gleichwertig damit ist, dass man die ganze Reihe „auf den Kopf“ stellt.
In dem multiferroischen Material kommt noch eine zusätzliche Eigenschaft hinzu: Es hat eine elektrische Polarisation. In TbMnO3 ist die elektrische Polarisation mit der magnetischen Ordnung gekoppelt, d. h. drehen sich die magnetischen Momente in eine Richtung, entspricht dem auch immer eine Ausrichtung der elektrischen Polarisation; kehrt man die Polarisation um, klappt auch die Drehrichtung der magnetischen Momente um. Diese Kopplung haben die Forschenden in ihrem Experiment untersucht. Mit dem elektrischen Wechselfeld des Terahertzpulses haben sie die elektrische Polarisation beeinflusst und beobachtet, inwieweit die magnetische Ordnung dem Wechselfeld folgt. Dabei war das Feld zu schwach, um die Magnetreihe tatsächlich um 180 Grad zu drehen und „auf den Kopf“ zu stellen, aber man konnte beobachten, dass sie im Takt des elektrischen Feldes um etwa vier Grad ausgelenkt wurde. „Für eventuelle Anwendungen hat dieses Verfahren noch eine weitere Bedeutung“, erklärt Teresa Kubacka, Doktorandin in der Forschungsgruppe für Ultraschnelle Dynamik an der ETH Zürich. „Der Terahertzpuls ist so abgestimmt, dass er nur die eine magnetische Ordnung anregt. Wenn sich in einem Gerät die magnetische Ordnung auch so gezielt verändern könnte, ginge deutlich weniger Energie verloren und das Material würde sich nicht so stark aufheizen.“
Damit war es zum ersten Mal möglich geworden, eine so schnelle Veränderung in einem multiferroischen Material so exakt zu vermessen. Dabei gibt es bei diesem Material Richtungen, in die das Licht durch die atomare Struktur abgelenkt wird, und andere, bei denen die Ablenkung durch die magnetische Struktur verursacht wird. Lenkt man die magnetische Ordnung aus, verändert sich die Intensität des abgelenkten Röntgenlichts. Im Experiment wurde die magnetische Ordnung im Takt des Terahertzlasers ausgelenkt, und man hat für eine ausgewählte Richtung zu verschiedenen Zeitpunkten die Intensität des ausgelenkten Röntgenstrahls gemessen.
„Eine der Herausforderungen des Experiments besteht darin, die passenden Terahertzpulse zu erzeugen und sicherzustellen, dass genug von ihrer Intensität an der Probe ankommt. Solche Pulse lassen sich nicht direkt von einem Laser erzeugen, sondern müssen mit Hilfe spezieller organischer Kristalle aus Pulsen von Lasern mit einer anderen Frequenz erzeugt werden. An der ETH arbeiten wir auch an Anlagen, die Terahertzpulse erzeugen, und konnten dank unserer Erfahrung den am LCLS vorhandenen Laser an die Bedürfnisse unseres Experiments anpassen“, so Kubacka.
PSI / DE