19.11.2013

Elektronen in Plasmajets nachgestellt

Arbeit zu Kelvin-Helmholtz-Instabilität an Hochleistungsrechner für Computersimulations-Preis nominiert.

Für den mit 10.000 US-Dollar dotierten Gordon-Bell-Preis der Association for Computing Machinery (ACM) konnten sich Forscher um Michael Bussmann des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) in die engere Auswahl bringen. Am US-amerikanischen Hochleistungsrechner TITAN haben sie die Bewegung von Milliarden Elektronen in Plasmajets simuliert und deren abgestrahltes Licht berechnet. Ihre Ergebnisse geben Einblick in Prozesse, die sich in vielen kosmischen Objekten wie Sternen, aktiven galaktischen Kernen und Neutronensternen abspielen. Zusammen mit fünf weiteren Finalisten präsentieren die Dresdner Forscher ihre Ergebnisse am 20. November auf der Supercomputing-Tagung SC13 im amerikanischen Denver vor einer Fachjury, die anschließend den Preis verleiht.

„Wenn Wind über das Meer bläst, bilden sich Wellen“, sagt Michael Bussmann, Nachwuchsgruppenleiter am HZDR. „Bei hohen Windgeschwindigkeiten verwirbeln sich Wasser und Wind, wodurch Gischt entsteht. Gischt ist somit ein turbulenter Mix aus Wasser und Luft. Ähnliches passiert im Weltall, wenn ein Stern heißes Gas ins Weltall schleudert.“ Der dabei entstehende Jet aus heißem Plasma vermische sich mit anderem Gas, das den Stern umgibt. Es käme so zu turbulenten Strömungen an der Grenze zwischen den beiden Gasen.

Die Mitarbeiter der Nachwuchsgruppe „Computergestützte Strahlenphysik“ haben vor kurzem diese Vermischung zwischen Strömen heißen Gases, die sogenannte Kelvin-Helmholtz-Instabilität, mit Hilfe von Simulationen studiert. Plasmajets treten bei aktiven Galaxienkernen, Neutronensternen, schwarzen Löchern und vielen anderen Objekten im Weltall auf.

„Wir wollten die Kelvin-Helmholtz-Instabilität genau verstehen. Dazu haben wir etwas gemacht, was bisher kaum jemand versucht hat“, erklärt Bussmann. „Wir haben einen Plasmajet mit einer so hohen Auflösung simuliert, dass wir den Elektronen im Jet folgen konnten. Das allein benötigte eine enorme Rechenkraft, da wir fast hundert Milliarden Teilchen simulieren mussten. Aber wir waren noch nicht zufrieden.“

Selbst mit den größten und modernsten Teleskopen ist es nämlich unmöglich, einzelne Teilchen in einem solchen Jet zu sehen. Die Wissenschaftler standen also vor der Frage, wie man ihre Ergebnisse mit Beobachtungen vergleichen kann. Bei ihrer Lösung machten sie sich zunutze, dass Elektronen Licht über ein breites Spektrum an Wellenlängen abstrahlen, wenn sie ihre Flugrichtung oder Geschwindigkeit ändern. Sie erweiterten ihren selbstentwickelten Simulationscode PIConGPU um die Fähigkeit, aus der Bewegung der Elektronen das in alle Richtungen abgestrahlte Licht zu berechnen.

„Das abgestrahlte Licht können wir mit etwas Glück mit Teleskopen von der Erde aus sehen“, erläutert der Physiker. „Wir können also etwas simulieren, was man auf der Erde messen kann. Allerdings ist der hierfür benötigte Rechenaufwand gewaltig.“ Für die Milliarden Elektronen in der Simulation musste das abgestrahlte Licht einzeln berechnet werden – und zwar für hundert verschiedene Richtungen.

Daher nutzte das Team im Juni dieses Jahres den damals rechenstärksten Supercomputer der Welt, TITAN am Oak Ridge National Laboratory. PIConGPU rechnete auf 18.000 Grafikkarten über 16 Stunden lang. Nur wenige Simulationscodes können sich eine solch gewaltige Rechenkraft zunutze machen. Simulationen, denen dies am effizientesten gelingt, werden einmal pro Jahr mit dem Gordon Bell Preis für herausragende Leistungen im Bereich des Hochleistungsrechnens ausgezeichnet, für den sich die Wissenschaftler nun nominieren konnten.

„Ob wir gewonnen haben, erfahren wir auf der Supercomputing Conference 2013 Mitte November in Denver. Unter den sechs Finalisten zu sein ist aber bereits eine große Ehre. Ich bin sehr stolz auf das, was alle Beteiligten geleistet haben. Das war tolle Teamarbeit!“, betont Michael Bussmann. „Mit den Simulationen auf TITAN haben wir einzigartige wissenschaftliche Daten gewonnen. Es ist eine so große Menge, dass wir noch immer dabei sind sie auszuwerten. Alle im Team sind sehr gespannt, was wir finden werden.“

Plasmen spielen eine zentrale Rolle in den Forschungsthemen der Nachwuchsgruppe. So wollen die Forscher mit Hilfe analytischer Modelle und Simulationen die Eigenschaften lasergetriebener Strahlungsquellen genauer verstehen. Mit diesen Strahlungsquellen könnten kompakte Beschleuniger für die Krebstherapie mit Partikeln entwickelt werden. Hochintensive Laserpulse können Materie ionisieren, das heißt die Atome in Ionen und Elektronen aufteilen. Trennt man die Elektronen von den Ionen, treten starke Felder auf, die zur Beschleunigung genutzt werden. Die vom Laser derart ionisierte Materie nennt man Plasma. Bei ihrer Modellierung ist es wichtig, die vielfältigen, in den Plasmen auftretenden physikalischen Prozesse zu verstehen.

HZDR / PH

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